Krise in der Ukraine: Militärbeobachter sind frei
Die in der Ostukraine festgesetzten Militärbeobachter sind frei. Die prowestliche Führung hat einen Militäreinsatz begonnen. In Odessa starben 42 Menschen.
SLAWJANSK dpa/ap | Die seit gut einer Woche in der Ostukraine als Geiseln festgesetzten Militärbeobachter aus Deutschland und anderen Ländern sind wieder frei. Das meldete am Samstag die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Wien im Kurzmitteilungsdienst Twitter.
Der Bundeswehroberst Axel Schneider sagte in Slawjansk einem Bild-Reporter: „Wir sind froh, dass wir endlich draußen sind. Uns geht es den Umständen enstprechen ok. Wir haben die Feuergefechte der letzten Tage direkt mitbekommen, das möchte ich keinem zumuten.“
Nach seinen Worten sollte die siebenköpfige Gruppe noch am Samstag mit dem russischen Sondergesandten Wladimir Lukin die Stadt Slawjansk verlassen. Er hoffe, „dass wir dann so schnell wie möglich von Donezk aus in die Heimat nach Deutschland können“.
Auch Russland bestätigte die Freilassung der Gruppe. „Die Volkswehr ließ alle auf meiner Liste stehenden zwölf Personen frei“, sagte der Sondergesandte Lukin der Agentur Ria Nowosti. Er sei auf dem Weg zu einer Straßensperre, um die Gruppe „Vertretern des Europarats zu übergeben“.
In Slawjansk läuft seit Freitag eine „Anti-Terror-Operation“ von Regierungseinheiten gegen die bewaffneten moskautreuen Aktivisten.
Schicksal von vier Ukrainern unklar
Die Militärbeobachter waren am 26. April bei einer Erkundungsfahrt im krisengeschüttelten Osten der Ukraine festgesetzt worden. Zu der Gruppe gehören auch ein Däne, ein Pole und ein Tscheche. Ein Schwede war aus gesundheitlichen Gründen bereits freigelassen worden.
Das Schicksal von mindestens vier Ukrainern, die die Gruppe begleitet hatten, war zunächst unklar. Die Separatisten hatten angekündigt, die Offiziere gegen inhaftierte Gesinnungsgenossen austauschen zu wollen.
Ein deutsches Unterstützungsteam hält sich in der Ostukraine bereit, um die freigelassenen Militärbeobachter in Empfang zu nehmen. Sie sollen an einem Kontrollposten bei Slawjansk dem Generalsekretär des Europarats, Thorbjørn Jagland, übergeben werden. Dies sagte sein Sprecher Daniel Höltgen der dpa. Jagland sei zusammen mit dem russischen Sondergesandten Wladimir Lukin in einer gemeinsamen „Menschenrechtsmission“ in das Krisengebiet gereist.
Anschließend sei die Weiterfahrt der Gruppe ins gut 90 Kilometer entfernte Donezk geplant, wo Lukin und Jagland vor die Presse treten wollten, sagte Höltgen. Nach dpa-Informationen sollen die Beobachter dann zügig nach Berlin ausgeflogen werden.
Mehr als 30 Tote in Odessa
Knapp einen Monat nach Ausbruch der Unruhen im Osten der Ukraine hat die prowestliche Führung Hochburgen der Separatisten mit einem massiven Militäreinsatz angegriffen. Bei Kämpfen in Slawjansk und Kramatorsk gab es unbestätigten Angaben zufolge Tote und Verletzte.
Bei Zusammenstößen zwischen prorussischen Aktivisten und Regierungsanhängern in Odessa sind nach Regierungsangaben mindestens 42 Menschen ums Leben gekommen. Das teilte das Innenministerium am Samstag mit. Am Freitag war nach Auseinandersetzungen ein Gewerkschaftsgebäude in Flammen aufgegangen, weil Brandbomben durch die Fenster geschmissen worden waren.
Das Katastrophenfall-Ministerium teilte mit, 36 Leichen seien im Gebäude entdeckt worden. Vor dem Feuer seien mindestens drei Menschen bei Schießereien getötet worden. Der Polizeichef der Stadt rief die Einwohner von Odessa auf, Ruhe zu bewahren.
Die Hafenstadt am Schwarzen Meer war bisher von den Unruhen relativ verschont geblieben, die Teile des Ostens der Ukraine erfasst haben. Dort halten Aufständische in einem Dutzend Städten Regierungsgebäude und Polizeiwachen besetzt. Seit Freitagmorgen versuchen ukrainische Truppen jedoch, das strategisch wichtige Slawjansk zurückzuerobern.
Das russische Außenministerium machte für die Vorfälle die Zentralregierung verantwortlich. Die „Tragödie von Odessa“ sei ein weiterer Beleg für „Kiews kriminelles Vertrauen auf Gewalt und Einschüchterung“, hieß es. Das Ministerium verlangte demnach mehr Informationen darüber, ob Russen unter den Opfern waren. Itar-Tass berichtete unter Berufung auf ukrainische Medienberichte von 15 getöteten Russen.
Der Kreml reagierte mit scharfer Kritik auf die Zuspitzung der Lage in der russisch geprägten Osten des Landes. Präsident Wladimir Putin sagte, die Militäroffensive zerstöre die „letzte Hoffnung“ auf eine diplomatische Lösung, offenbar sei Kiew nun im Kampfmodus.
Moskau hatte für den Fall eines gewaltsamen Vorgehens gegen die prorussischen Kräfte ein militärisches Eingreifen nicht ausgeschlossen. Es gab aber keine Hinweise auf entsprechende Truppenbewegungen.
USA drohen mit Sanktionen
Die stellvertretende Sprecherin des US-Außenministeriums, Marie Harf, bedauerte den „sinnlosen Tod so vieler Menschen“. Sie rief zur raschen Deeskalation in dem Land und Umsetzung der Genfer Vereinbarungen auf.
US-Präsident Barack Obama drohte nach einem Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel im Weißen Haus, rasch weitere Sanktionen gegen Moskau zu verhängen, falls Russland die Lage weiter außer Kontrolle bringe. Merkel pflichtete ihm bei und forderte konkrete Taten von Moskau. „Es ist uns ernst“, sagte sie.
Der Westen wirft Russland vor, die Separatisten im Osten der Ukraine zu unterstützen und hat deswegen Sanktionen gegen Moskau verhängt. Prorussische Aktivisten halten dort seit Wochen Dutzende Verwaltungsgebäude besetzt und fordern mehr Autonomie für die Region.
Die Führung in Kiew befürchtet, dass Putin seine Truppen in die Ost- und Südukraine einmarschieren lassen könnte – mit dem Argument, wie auf der Krim russische Bürger oder Interessen schützen zu müssen. Ein Mandat für diesen Fall hatte sich Putin vom Parlament geben lassen. Moskau hält im Gegenzug der EU und den USA vor, die Regierung in Kiew zu den jüngsten Angriffen ermuntert zu haben.
Im Osten rückten Regierungstruppen am Freitagabend mit Schützenpanzern in das Zentrum der besetzen Stadt Slawjansk vor. Das ukrainische Verteidigungsministerium erklärte, „Terroristen“ hätten nahe der Stadt mit tragbaren Flugabwehrraketen zwei Kampfhubschrauber vom Typ Mi-24 abgeschossen. Dabei seien zwei Besatzungsmitglieder getötet und weitere verletzt worden. Später seien vier mutmaßliche Schützen festgenommen worden. Das Ministerium veröffentlichte Fotos von vier gefesselten Männern in Zivilkleidung mit über den Kopf gestülpten Säcken.
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