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Debatte Neuer Kalter KriegDer Kriegslogik entgehen!

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Militärische Muskelspiele sind ein Zeichen von Schwäche – und vor allem ein gefährliches Spiel mit dem Feuer.

E s ist im Westen nichts Neues: Jedes Mal, wenn irgendwo ein Konflikt eskaliert, werden all jene, die zur Zurückhaltung und Mäßigung raten, als naive Deppen denunziert. Das gilt hierzulande umso mehr, wenn „wir“ oder befreundete Staaten involviert sind. Wer gegen den Irakkrieg war, musste sich vorwerfen lassen, geheime Sympathien für Saddam Hussein zu hegen. Wer die segensreiche Wirkung der israelischen Feldzüge gegen Hisbollah und Hamas bezweifelte, geriet in den Verdacht, ein Antisemit zu sein. Und wer jetzt nicht davon überzeugt ist, das kräftiges Säbelrasseln der Nato einen Putin zum Einlenken bringen wird, der gilt als Putin-Versteher. So weit, so öde und altbekannt.

Neu ist aber, wie schnell manche Linke und Liberale heute dieser Propaganda erliegen und bereit sind, einer Militarisierung von Konflikten das Wort zu reden, wenn sie nur ausreichend mit einer der beiden Konfliktparteien sympathisieren. Vom Konflikt selbst muss man dafür gar nicht so viel verstehen: es genügt eine diffuse Solidarität mit einer der beiden Seiten und lautstarke Betroffenheit, wenn diese in die Defensive gerät. Zwar ist es angesichts der Ostblock-Vergangenheit nur verständlich, dass gerade in Osteuropa viele Menschen der Meinung sind, der Westen müsste mehr tun, um das russische Hegemonialstreben in der Region in die Schranken zu weisen. Aber auch die russische Minderheit in der Ukraine hat Grund, sich vor einer weiteren Loslösung ihres Landes vom großen Nachbarn zu fürchten.

Was der Westen genau über die bereits verhängten Sanktionen hinaus tun sollte, darauf gibt es keine Antwort, die nicht unkalkulierbare Risiken bergen würde. Dass militärische Drohgebärden Putin zum Einlenken zwingen, ist längst nicht ausgemacht. Es befördert ganz im Gegenteil die Gefahr, dass es zu ungewollten Kettenreaktionen kommt. Genau so ist Europa einst in den Ersten Weltkrieg geschlittert, aus dieser Erfahrung lernte die erste deutsche Friedensbewegung. Auch deren prominente Vertreter wie Albert Einstein, Carl von Ossietzky oder Berta von Suttner mussten sich einst als humanitätsduselige „Sittlichkeitsfanatiker“ beschimpfen lassen. Heute würde man sie wohl gönnerhaft als „Gutmenschen“ bezeichnen.

Wer aber glaubt, die Rezepte aus dem Kalten Krieg würden heute noch taugen, verweist gerne darauf, schon die Sowjetunion wäre ja am Wettrüsten mit den westlichen Staaten zugrunde gegangen. Das aber ist ein Mythos. Vielmehr waren es die Entspannungspolitik von Willy Brandt und die Verführungskraft von Kapitalismus und Demokratie, die dazu geführt haben, dass die Mauern des Ostblocks zu bröckeln begannen. Oder, mit anderen Worten: „Soft Power“ und Diplomatie. Ein längerer Atem und mehr Selbstbewusstsein, was deren Überlegenheit betrifft, würde den westlichen Staaten gut zu Gesicht stehen. Militärische Muskelspiele dagegen sind ein Zeichen von Schwäche – in Russland wie auch bei uns, im Westen.

Waffen für den Weltfrieden? Vier Debattenbeiträge:

Chefredakteurin Ines Pohl führt in den Debattenstand ein: Der Krieg in unseren Köpfen.

Bernd Pickert fordert uns auf, Russland zu verstehen, schließlich könne einen Krieg, aber auch den Frieden nur gewinnen, wer seinen Feind versteht. Russland verstehen!

Dem hält Dominic Johnson entgegen, dass nur wer Stärke zeige, eine gewaltbereiten Aggressor in die Schranken weisen kann. Stärke zeigen!

Klaus Hillenbrand schließlich mahnt ein Ende der rhetorischen Gewaltspirale an, da, wer den Gegener dämonisiere, dabei das rationale Denken ausschalte und den Krieg herbeirede. Keine Dämonisierung!

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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4 Kommentare

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  • --?-- "Neu ist aber, wie schnell manche Linke.. bereit sind, einer Militarisierung von Konflikten das Wort zu reden. --?--

     

    Hallo--? Hätten Sie da echt mal Beispiele?? Auf solche würde ich gern mal aufmerksam gemacht.

    • @H.-G- S.:

      Links sein und dem Militarismus das Wort reden, das geht inhaltlich nicht zusammen.

      Irgendwie wird ja mittlerweile allem, was sich in der taz ausläßt der Stempel "Links" aufgedrückt. Versteh ich auch nicht. Ihre Anmerkung ist sehr begründet.

  • Ich stimme im wesentlichen zu. Wenn wir aber von den "beiden Konfliktparteien" sprechen, dann ist das bereits die stark verkürzte Medienvariante, die vor den sehr komplexen Interessensstrukturen in diesem Konflikt längst kapituliert hat zugunsten altbekannter Denkmuster. Wir wissen herzlich wenig über die Mentalität, die Motive und die Ziele der russischen und der ukrainischen Bevölkerung. Sicher, wie überall suchen die Leute nach einem besseren Leben. In meinem Stadtteil wohnen viele, die aus diesen Ländern hierhergekommen sind. Zahlreiche Versuche meinerseits, in ein Gespräch über Politik mit ihnen zu kommen, sind gescheitert. Spätestens beim Thema Putin, schaut man mich an, als wollte ich jemandem die Armbanduhr klauen und der Smalltalk ist beendet. Jeder macht im Alltag irgendwie auf seine Art Politik, aber darüber reden - nee.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    "Was der Westen genau über die bereits verhängten Sanktionen hinaus tun sollte, darauf gibt es keine Antwort, die nicht unkalkulierbare Risiken bergen würde."

     

    Doch die gibt es, sie lassen sich bloß auch nicht in euer tabuisiertes Verständnis durch Bildung zu Suppenkaspermentalität auf Sündenbocksuche einbringen, eben weil sie zu sehr kalkulierbar das Ende des Profits in einer konfusionierten Gemeinschaft in gepflegter Angst, Gewalt und "Individualbewußtsein" bedeuten!?