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Schulpolitik in FrankreichKeine Religion im Klassenzimmer

Eine neue Hausordnung regelt die religiöse Neutralität der Schule. Schleier und Kopftücher bleiben verboten. Am Schwimmunterricht muss jeder teilnehmen.

Präsident François Hollande ohne Kopftuch auf Schulbesuch in Denain, im Norden Frankreichs. Bild: reuters

PARIS taz | Eine ganz neue „Hausordnung“ hängt seit gestern in allen öffentlichen Schulen der Französischen Republik. In 15 Artikeln soll die „Charta der Laizität“ für ein möglichst reibungsloses Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen in der weltlich-neutralen Schule sorgen.

In Frankreich sind Staat und Konfession(en) seit 1905 klar getrennt. Religion ist Privatsache. Darum lautet der Grundsatz auch für staatliche Schulen: „Jeder ist frei, gläubig oder nicht gläubig zu sein.“ Und niemand darf gegen seinen Willen in einer Richtung beeinflusst oder gar unter Druck gesetzt werden.

Darum ist jeder Bekehrungseifer in den Schulen verboten. Und umgekehrt gilt auch: „Niemand kann sich auf seine religiöse Zugehörigkeit berufen, um eine Nichtbeachtung der Regeln der Schule der Republik zu begründen.“

Konkret gemeint ist damit zum Beispiel die religiös motivierte Weigerung, am Biologie- und Sexualunterricht oder in geeigneter Kleidung am Schulsport teilzunehmen. In Artikel 14 wird auch das bereits seit Jahren geltende Verbot von Schleiern, Kopftüchern und anderen „ostentativ getragenen“ Zeichen der religiösen Zugehörigkeit in Erinnerung gerufen.

Von den Lehrergewerkschaften wird diese Charta allgemein als nützlicher Beitrag zur Beilegung oder Prävention von Konflikten begrüßt. Zudem lasse die Formulierung der Regeln genügend Spielraum für Verhandlungen in der Realität der Schulen.

Marine Le Pen vom Front National bedauert gerade diese mangelnde Ausführlichkeit. Alle wirklichen Reibungsflächen würden ausgeklammert: der Streit um Nahrungsvorschriften (Halal) in den Schulkantinen oder die Probleme bei gemischten Klassen im Schwimmbad.

Dagegen meint Dalil Boubakeur, Vorsteher der Pariser Moschee, wie schon mit dem Kopftuchverbot von 2004 schaue der Staat mit einem „schrägen Blick auf den Islam“, wie wenn dieser sich etwas vorzuwerfen hätte.

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23 Kommentare

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  • G
    Gast

    Frankreich kann das deswegen alles so locker, weil dort auch keine Kreuze in Klassenzimmern hängen und es keinen Religionsunterricht für niemanden gibt.

    Deswegen ist Frankreich damit einfach nur konsequent und glaubwürdig. und zwar jeder Religion gegenüber.

     

    Man hat ja in Niedersacsen gesehen, was passiert, wenn man versucht, die Kreuze per Gesetz abzunemen, das schiebe also keiner auf die katholischen Bayern.

     

    Unser eigener Gottesstaat geht uns über alles. Dann wird man die Kopftücher eben auch nicht los.

     

    Einfach nur selbst schuld.

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Ach, ist die Beschneidung in Frankreich verboten?

    Warum nachdenken und recherchieren, wenn sich's so viel unbekümmerter schreiben lässt, oder?

  • A
    Anna

    Ihr habt doch alle keine Ahnung vom Islam also redet nicht über etwas von dem ihr kein Wissen habt!!!

    • @Anna:

      Leider ist Ihr Text zu allgemein formuliert.

      Niemand weiß, was genau Sie mit „keine Ahnung“ und „kein Wissen“ meinen könnten.

      Es wäre hilfreich, wenn Sie konkret schildern was genau Sie echauffiert.

      Lassen Sie uns teilhaben an dem Schatzkästlein Ihres Wissens!

    • RD
      Rainer David W. Früh
      @Anna:

      Sicherlich muss es kein Fehler sein, wenn man über den Islam, so wie über alle anderen Religionen, Bescheid weiß.

      Aber warum ist solches Wissen Grundvoraussetzung, um beurteilen zu können warum Staat und Religion grundsätzlich getrennt sein sollen?

  • UL
    Uwe Lehnert

    Von Vincent Peillon, dem französischen Bildungsminister, stammt die für einen amtierenden Politiker mutige und wegweisende Aussage »Man wird nie ein freies Land aufbauen können mit der katholischen Kirche«. Eine Äußerung, die nie über die Lippen der heutigen deutschen kirchenhörigen Politiker und Amtsträger käme.

     

    Im Gegensatz zu Frankreich wird das Bildungswesen in Deutschland unter Führung christ-, sozial- und liberaldemokratischer Politiker im Schulterschluss mit den Vertretern von Kirche, Synagoge und Moschee noch lange im Zustand voraufklärerischer Ausrichtung auf mittelalterliche Glaubenskonstruktionen verharren, Glaubenskonstruktionen, die zudem mehr spaltend als integrationsfördernd wirken. Wie man es besser macht in Kindergarten und Schule, zeigt dagegen der Humanistische Verband Deutschland, insbesondere hier in Berlin. (www.uwelehnert.de)

  • B
    Berger

    Deutschland könnte sich an der strikten Trennung von Religion und Staat ein Beispiel nehmen.

    Religiöse Symbole gehören nicht in den Schulunterricht.

    • P
      Pallmall
      @Berger:

      Handys gehören auch nicht in den Schulunterricht.

  • Letztendlich wirft uns die besondere Behandlung der christlichen Kirchen in Deutschland in solchen Sachen immer Stöcke zwischen die Beine. Wie kann man ein Kopftuch verbieten, wenn ein Kreuz erlaubt ist? Wie kann man den Muslimen konfessionellen Religionsunterricht vorenthalten, wenn es welchen für Katholiken und Protestanten gibt? Ein Vorteil für Frankreich: sie behandeln in solchen Fragen alle Religionen gleich.

     

    Gäbe es ein Fach wie Ethik, in dem über verschiedene Religionen und Weltanschauungen gelehrt würde, und dass alle Schüler besuchen müssten, ginge man diesem Problem aus dem Weg. Und wer dann noch Christenlehre oder Koranunterricht haben will, soll nach der Schule in Kirche oder Moschee gehen.

     

    Und die Regelung, dass man seine Religion nicht als Vorwand gebrauchen kann, um Regeln der Republik zu übergehen, gefällt mir ganz besonders. Dann wäre Schluss mit Beschneiden (von nichteinwilligungsfähigen Kindern) und Schächten.

    • II
      integration ist der Punkt
      @Anton Gorodezky:

      Wie kann man ein Kopftuch verbieten, wenn ein Kreuz erlaubt ist?

       

      @ Weil diese Leute hier eingewandert sind in Deutschland und somit auch das zu akzeptieren haben, das es den kath. Glauben und die Kreuze nun mal gibt.

       

      von Anton: "Gäbe es ein Fach wie Ethik....

      @ das akzeptieren die doch gar nicht, die wollen nur das wir uns an ihrem Glauben orientieren und anpassen. Hallo gehts noch, wieso soll D. sich anderen Glaubensrichtungen anpassen, die vielen Moscheen das reicht ja wohl.

    • K
      Katholisch
      @Anton Gorodezky:

      Wie man ein Kopftuch verbieten kann und das Kreuz an der Wand nicht?

      Kann ich Ihnen beantworten: Das Kreuz hängt an de Wand. Das Kopftuch hängt nicht an der Wand, sondern ist ein persönliches Bekenntns, weil es persönlich von muslimischen Mädchen getragen wird. Also ist es aich nicht EIN Kopftuch, sondern viele, unmittelbar verbunden mit der Person.

      • @Katholisch:

        Die Argumentation ist interessant. Etwas unfreiwillig wird dadurch nämlich etwas verdeutlicht:

         

        Ein Kreuz an der Wand in einem Klassenzimmer offenbart, dass diese Zimmer nicht für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, die in einem Klassenzimmer einer staatlichen Schule herrschen sollte, zur Verfügung steht...

         

        Das ist vom Grundgesetz abgeleitet reichlich fragwürdig.

         

        Umgekehrt ist aber das Tragen religiöser Symbole eines Schülers vom Grundgesetz durchaus geschützt, da er als Privatperson dort ist, für die immer noch die Grundrechte gelten.

        • @Fred Ferington Frost:

          „Ein Kreuz an der Wand in einem Klassenzimmer offenbart, dass diese Zimmer nicht für die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, die in einem Klassenzimmer einer staatlichen Schule herrschen sollte, zur Verfügung steht...“:

           

          Diese Argumentation ist falsch. Denn es steht nicht an der Tür: Zutritt nur für Christen.

          Das Kreuz an der Wand besagt lediglich welcher religiösen Tradition sich der Träger der Einrichtung verbunden fühlt.

          Dies darf er ebenso zeigen, wie dies Muslimas durch ihr Tuch zeigen wollen.

      • G
        gast
        @Katholisch:

        Nein, für die ist das Kopftuch der Ausdruck ihres Glaubens, der den Frauen aufgedeckelt wird, im Koran steht nichts von Kopftüchern

        • K
          Katholisch
          @gast:

          Richtig, das Kopftuch ist ein Muss für Frauen und Mädchen, weil die Männer es so wollen. Da die Männer das Kopftuch religiös verbrämt haben, tragen Frauen, die sich zu ihrem Glauben bekennen, es (angeblich) gern.

          Das Kopftuch hat jedoch seinen Ursprung bei den Wüstenvölkern, die sich vor Sandstürmen schützen mussten. Deswegen geht mit dem Kopftuch auch das Tragen langer Gewänder einher.

  • D
    D.J.

    Wäre erfreulich, wenn sich die deutsche SPD, deren Spitze keine Gelegenheit auslässt, sich bei Religionsverbänden einzuschleimen, an den franz. Parteifreunden hier ein Besipiel nähme (was übrigens meine türk. Bekannten entweder nicht interessiert oder - die Agnostiker unter ihnen - irre nervt).

     

    @In Deutschland können...

     

    "Schlimmer als im Iran"

     

    Genau, daher auch die Millionen deutscher Atheisten, die im Iran Asyl beantragen!

  • „Schleier und Kopftücher bleiben verboten. Am Schwimmunterricht muss jeder teilnehmen.“:

     

    Geht doch. Schade, daß D von Weicheiern regiert wird!