Kubicki über Talk-Show-Debatten: „Mir sind Frauen lieber“
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki sitzt am liebsten mit Frauen in Talkrunden. Bei den Männern sei der genetisch bedingte Konkurrenzdruck so hoch.
sonntaz: Herr Kubicki, laut dem Branchendienst Meedia sind Sie der Talkshowkönig 2012. Niemand war so häufig in Debattiersendungen wie Sie. Bereiten Sie sich überhaupt noch auf eine Talkshow vor?
Wolfgang Kubicki: Inhaltlich kaum noch. Ich lasse mir zu dem Thema von der Presseabteilung die Berichterstattung der letzten drei Tage heraussuchen. Dann weiß ich, was wer wie gesagt hat. Sie können in Talkshows ohnehin keine sehr differenzierten Ausführungen machen.
Wenn am Tag danach schmissige Zitate von Ihnen laufen, fragt man sich aber doch: War das bei dem Kubicki nun gut vorbereitetes Kalkül oder naturgegebene Schlagfertigkeit?
Ich überlege mir schon die Kernbotschaft, die ich bei dem Thema eigentlich unterbringen will. Aber auf einen guten Spruch mit einem guten Spruch zu reagieren, das können Sie nicht planen.
Was möchten Sie in den Sendungen platzieren?
Dieses Interview lesen Sie in der taz.am wochenende vom 8./9. Juni 2013. Zusammen mit der Titelgeschichte „Wo diskutiert man schlechter: Twitter oder Jauch?“. Außerdem: Der Tatort-Schauspieler Oliver Mommsen über seinen Bremer Kommissar Stedefreund und schräge Ermittler-Kollegen. Und: Warum eine indische Mutter ihre Tochter verhungern ließ. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Früher habe ich noch gedacht, es ginge um ausführliche Analysen. Das ist so nicht. Entscheidend ist in erster Linie die Wirkung. Und Wirkung hängt von vielen Faktoren ab. Von Ihrem Aussehen, von Mimik und Gestik, von Ihrer Körperhaltung und davon, dass Sie möglichst keine Schachtelsätze gebrauchen. Bei Fernsehsendungen funktioniert die Kommunikation zu 80 Prozent nonverbal. Das können Sie feststellen, wenn Sie den Ton wegdrehen. Sie sehen dann: Wenn einer unsympathisch ist, kann er noch so treffende Erklärungen abgeben – es kommt bei Ihnen schlicht nicht an.
Haben Sie Medientrainings absolviert?
Nein. Mir ist das bei mir selbst aufgefallen nach einem Wahlkampf. Damals habe ich mir anschließend meine Fernsehauftritte angeguckt: Ich hatte die Wirkung eines Kühlschranks. Meine gesamte Körperhaltung, Mimik und Gestik korrespondierte nicht mit dem, was ich sagte. Mein Gott, dachte ich, du kommunizierst abweisend mit den Leuten, die dir zuhören sollen.
Und das haben Sie geändert?
Heute sehen Sie mich wesentlich häufiger lächeln als früher. Auch bei ernsten Themen ist ein Lächeln immer noch gewinnender als ein grimmiges Gesicht.
Vor einer Sendung, denken Sie da manchmal: Oh ja, das wird lustig. Oder total nervig?
Total nervig habe ich noch nie gedacht. Aber es wird immer richtig lustig, wenn Peer Steinbrück und ich gemeinsam auftreten. Weil wir uns lange und gut kennen und beide sehr schlagfertig und sprachgewandt sind. Bei wem es schon optisch schwierig wird, ist Ralf Stegner, meinem SPD-Kollegen aus dem Kieler Landtag. Mit dem habe ich gerade hier im Lokalfernsehen diskutiert. Und das sieht dann auch so aus wie: Wir mögen uns nicht.
61, ist Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag von Schleswig-Holstein. Insgesamt neunmal war er 2012 bei den sechs großen Talkshows von ARD und ZDF zu Gast. Genauso häufig wie Ursula von der Leyen.
Wollen Sie vorher wissen, wie viele Männer und Frauen jeweils auf dem Podium sitzen?
Mir sind Frauen grundsätzlich lieber als Diskutantinnen. Es gibt eine einzige Ausnahme. Namen nenne ich jetzt nicht, aber diese Frau hat mich dauernd von der Seite angefaucht, da dachte ich: Mein Gott, was hab ich der denn getan? Für sie war ich wahrscheinlich die Inkarnation des Leibhaftigen.
Warum sind Ihnen Frauen lieber?
Weil sie eine angenehmere Diskussionsform haben. Selbst mit Claudia Roth habe ich mich wider Erwarten richtig gut verstanden, auch hinterher. Wir hatten unterschiedliche Auffassungen, aber wir haben uns als Persönlichkeiten akzeptiert. Das geht mit Frauen leichter als mit Männern. Zwischen Männern ist der genetisch bedingte Konkurrenzdruck wesentlich größer.
Wie talkt es sich besser: satt oder hungrig?
Ich muss vorher noch eine Kleinigkeit zu mir nehmen. Wenn Sie unterzuckert sind, können Sie nicht klar denken. Aber kein fulminantes Mahl, denn dann kann es passieren, dass Sie die Müdigkeit überkommt.
Hilft Alkohol?
Vorher? Um keinen Preis.
Vorher noch ein Schläfchen?
Dazu komme ich gar nicht. Ich reise ja meist aus Kiel nach Köln oder Berlin an, da schaffe ich das gerade so mit der Anreise.
Wird nach einer Sendung weitergestritten, oder befindet man sich dann in einer Art kommunikativem Abklingbecken?
Das kommt drauf an. Bei Frank Plasberg neulich haben wir alle nach der Sendung zweieinhalb Stunden weiter diskutiert.
Ein gemeinsames Essen danach ist obligatorisch?
Unterschiedlich. Bei Anne Will steht man vorher und hinterher in einem Raum zusammen, da gibt’s kleine Snacks und auch was zu trinken. Bei Maybritt Illner ist es auch so, dass man hinterher noch zusammensteht. Bei Günther Jauch ist es aber am schönsten. Unmittelbar daneben gibt es ein italienisches Restaurant, wo es herausragend gute Pizza und guten Wein gibt. Mit Norbert Walter-Borjans, dem NRW-Finanzminister, habe ich da mal bis halb zwei gesessen.
Bringen Sie wie andere Politiker Mitarbeiter mit, die dann im Publikum an den richtigen Stellen applaudieren?
Ganz wenig. Ich kann ja aus Kiel nur meine Pressesprecherin oder meinen Fahrer oder die Fahrerin mitbringen.
Ihre Frau war aber auch schon im Publikum zu sehen.
Ja, bei Markus Lanz, die Sendung wird in Hamburg produziert. Der Aufwand, nach Berlin zu reisen, ist ihr zu groß.
An welche Ihrer Talkshows erinnern Sie sich am genauesten?
Besonders herausgefordert hat mich die Talkshow bei Günther Jauch, als die Hoeneß-Affäre begann. Es war klar, wenn ich als Anwalt versuche zu erklären, was strafbefreiende Selbstanzeigen sind und diese dann auch verteidige, setze ich mich bei den politischen Meinungsträgern und anderen unter Umständen dem Vorwurf aus, ich würde Steuerhinterzieher schützen wollen, was selbstverständlich nicht der Fall ist. Das war schon eine Gratwanderung.
Haben Sie sich auf diese Sendung anders vorbereitet als sonst?
Vorher habe ich versucht, einem Laien einen komplizierten steuerstrafrechtlichen Sachverhalt zu erklären. Als ich merkte, er hat es begriffen, war klar, dass ich das auch in der Sendung kann.
Ehrlich, denken Sie manchmal nach der Sendung: Mensch, das hätte es jetzt nicht gebraucht?
Es gibt eine Reihe von Sendungen, wo Sie sich fragen: Was hast du denn jetzt gemacht? Ich erinnere mich an eine Sendung mit Maybritt Illner, wo jemand von Abgeordnetenwatch war. Einer privaten Einrichtung mit eigenen Mitarbeitern, die für sich in Anspruch nehmen, für die Gesellschaft zu sprechen. Es regt mich auf, wenn kleine Gruppierungen mit einem großen Namen glauben, sie bildeten jetzt den Willen der Gesellschaft ab. Mit dem jungen Mann da bin ich sehr böse geworden. Ich habe gemerkt, wie ich innerlich gebebt habe. Ich habe mir gesagt: Komm, Kubicki, beruhige dich! Das war dann irgendwie … na ja.
Was bringen denn Talkshows der Demokratie?
Talkshows bringen sicherlich keine Problemlösungen. Aber sie können dazu anregen, sich mit den Fragestellungen intensiver auseinanderzusetzen und sich eine eigene Meinung zu bilden.
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