Kolumne Fernsehen: Der schlaue Hund Beckmann

Reinhold Beckmann kündigt einfach den freiwilligen Verzicht auf seinen Talk an. So treibt er die Herrchen und Frauchen von der ARD vor sich her.

Reinhold Beckmann ist schon Ehren-Schleusenwärter an der Binnenalster – was will er nun noch erreichen? Bild: dpa

Wer hätte gedacht, dass der sanftmütige Reinhold Beckmann der coolste Typ in der ARD ist? Erst kündigt der Moderator mit dem Dreitagebart den Verzicht auf seine Talkshow an, schon müssen die Intendanten hinterherhecheln, um die Einigung über eine Reduzierung der Talkformate als tolles Signal der Eintracht unter den ARD-Anstalten verkaufen zu können. Der ARD-Vorsitzende Lutz Marmor sprach davon, wie toll es doch sei, dass man „die Diskussion über die Talkshows im Ersten einvernehmlich gelöst“ habe.

Einvernehmlich gelöst? Der schlaue Hund Beckmann hat einfach mal seine Herrchen mit dem Stöckchen spielen lassen – und kann nun genüsslich darauf warten, wie die gehetzten Herren und Damen das Stöckchen artig zurückbringen.

„Beckmann ist einer der vielseitigsten und herausragendsten Journalisten in der ARD“, sagte ARD-Chef und NDR-Intendant Lutz Marmor nach der „einvernehmlichen“ Lösung artig. Früher hätten in solchen Momenten alle Umstehenden spontan einen Chor des Gelächters gegründet, sich zugeprostet, ein bisschen mit dem Kopf geschüttelt, ach, der Lutz, immer wieder für einen Scherz zu haben – der Reinhold, ein vielseitiger und herausragender Journalist, ich lach mich tot! Prost, Lutz!

„Ich finde es gut, dass wir weiterhin mit Reinhold Beckmann zusammenarbeiten“, hat Lutz Marmor auch noch gesagt. Früher wäre das die Fortführung des Witzes gewesen. Früher.

Heute lacht keiner. Denn Beckmann hat es geschafft, der Diskussion um die Anzahl der Talks einen völlig neuen Spin zu geben. Einst drehte sich die Debatte darum, wen die ARD fallen lassen würde, wer der große Verlierer sein würde, wer mit aschfahlem Gesicht bald seine letzte Sendung moderieren würde – gedemütigt vor dem ganzen Fernsehvolk. Doch Beckmann hat aus sich, dem Verlierer, den coolen Reinhold, den Gewinnertypen in Jeansjacke gemacht, indem er die ARD-Entscheider fallen ließ – und nicht umgekehrt.

Beckmann ist plötzlich der König unter den Laberern. Er produziert ja jetzt schon unter anderem Olli Dittrichs „Frühstücksfernsehen“ fürs Erste. Und die ARD-Granden sind ihm so dankbar, dass er ihnen geholfen hat, die Talkshow-Diskussion zu einer „einvernehmlichen“ Lösung geführt zu haben, dass sie Beckmann in Zukunft bestimmt noch ein paar mehr Stöckchen antragen werden.

Günther Jauch, Frank Plasberg, Sandra Maischberger und Anne Will aber müssen weiter talken: die immer gleichen Gäste, die immer gleichen Themen, die immer gleichen Moderationskarten. Beckmann darf bald anderes machen und kann sich dabei der Unterstützung seines Chefs beim NDR (Lutz Marmor) und seines Chefs bei der ARD (Lutz Marmor) gewiss sein.

Beckmann wird nicht eine finale Demütigung in der letzten Sendung über sich ergehen lassen müssen. Er kann entspannt mit Helmut Schmidt plaudern, schmöken – und am Schluss den melancholischen Blick gen Kamera richten und (sechs weitere lukrative ARD-Verträge in der Tasche wissend) einen letzten Gruß an die lieben Kollegen richten: Macht’s gut, ihr Trottel!

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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