Zentralafrikanische Republik: Die Schockwelle von Bangui
Der Umsturz in Bangui sorgt für Wirbel in der Region, von Kinshasa bis Pretoria. Südafrikanische Truppen, die besiegt wurden, stehen jetzt im Kongo.
BRÜSSEL taz | Die regionalen Erschütterungen, die der Umsturz in der Zentralafrikanischen Republik hervorgerufen hat, nehmen kein Ende. Mittlerweile 35.000 Menschen sind in die benachbarte Demokratische Republik Kongo geflüchtet, seit Rebellen am 24. März die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui einnahmen und Präsident Francois Bozizé stürzten.
Sie gesellen sich zu 13.000, die das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR dort Ende 2012 gezählt hatte. Die kongolesischen Provinzen Equateur und Orientale, in denen sie landen, sind selbst bitterarm und der Flüchtlingszustrom droht die Not der einheimischen kongolesischen Bevölkerung zu vergrößern.
Diese ist kein Freund des gestürzten Bozizé: Der Norden des Kongo ist Hochburg des Oppositionspolitikers und ehemnaligen nordkongolesischen Rebellenführers Jean-Pierre Bemba, der auf Betreiben Bozizés mittlerweile vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag vor Gericht steht. Bembas einstige Rebellenarmee MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung), heute die wichtigste politische Partei im Norden Kongos, hatte Ende 2002 in Bangui den damaligen zentralafrikanischen Präsidenten Ange-Félix Patassé gegen die anrückenden damaligen Bozizé-Rebellen verteidigt – vergeblich und um den Preis zahlreicher Verbrechen, wegen derer Bemba heute vor Gericht steht.
Seine Anhänger im Kongo verzeihen Bozizé bis heute nicht, nach seinem Sieg 2003 die Den Haager Anklage gegen Bemba angeschoben zu haben.
Die Rolle, die Bembas Truppen 2002/03 in Bangui aufseiten Patassés spielten, nahmen 2012/13 aufseiten Bozizés Kontingente aus Südafrika ein. Mehrere hundert südafrikanische Soldaten verteidigten die zentralafrikanische Hauptstadt gegen die anrückenden Séléka-Rebellen – vergeblich und um den Preis zahlreicher Toter, die Südafrikas Regierung mit 13 angibt, unabhängige Quellen aber mit mindestens 50.
Plünderungen im Grenzort Zongo
Als die Rebellen Bangui eroberten, flohen die südafrikanischen Truppen in den Kongo. Sie sammelten sich in der Großstadt Gemena, und Augenzeugen berichten seitdem von intensivem militärischen Luftverkehr dort. Der MLC-Wahlkreisabgeordnete für Gemena, Richard Lenga, hat im kongolesischen Parlament das Risiko zunehmender Unsicherheit in dieser Region dank der ausländischen Miliärpräsenz angesprochen.
Der UN-finanzierte Rundfunksender Radio Okapi hat von Plünderungen südafrikanischer Militärs im Grenzort Zongo berichtet, direkt gegenüber Bangui am Grenzfluss Ubangi gelegen. Kongos Opposition kritisiert, dass die Südafrikaner nur zum Teil entwaffnet wurden, als sie den Kongo erreichten.
Die schmachvolle Flucht der Südafrikaner aus der Zentralafrikanischen Republik bedeutet für die Regierung von Präsident Jacob Zuma einen kompletten Einflussverlust in einem Land, das dank seines Reichtums an Diamanten, Uran, Gold und Öl von erheblicher geopolitischer Bedeutung ist.
Südafrika hatte ein Interesse am Machterhalt Bozizés. Nach südafrikanischen Presseberichten wurde 2006 ein Exportmonopol zentralafrikanischer Diamanten für ein von der südafrikanischen Serengeti Group des ANC-Politikers Joshua Nxumalo dominiertes Joint Venture vereinbart.
Inzwischen wurden weitere Details bekannt. Eine Tochterfirma der Serengeti Group sollte die zentralafrikanische Armee mit ausrangierten Panzerfahrzeugen aus Südafrika beliefern. Die südafrikanische Standard Bank finanzierte mit einem 100-Millionen-Kredit die kanadische Bergbaufirma Axmin, die in der Zentralafirkanischen Republik Goldkonzessionen hält.
In der Diamantenförderung ist die Firma Gem Diamonds wichtig, gelistet an der Londoner Börse und geleitet von dem einst bei den südafrikanischen Bergbauriesen AngloAmerican und De Beers tätigen Clifford Elphick.
Analysten in der Region zufolge vernachlässigte Südafrika bei all diesen Geschäften komplett die bestehenden regionalen Verknüpfungen der Zentralafrikanischen Republik in den frankophonen Raum. Die 760 Mann starke Eingreiftruppe aus den frankophonen Nachbarländern wie Tschad und Kamerun sah bei Bozizés Sturz ebenso untätig zu wie die rund 500 Soldaten aus Frankreich, die den Flughafen von Bangui kontrollieren.
Alles sieht danach aus, dass die Präsidenten von Gabun, Tschad und Kamerun – drei verlässliche Alliierte von Paris in Afrika – Bozizé fallen ließen und die Chance nutzten, um den ungeliebten neuen Konkurrenten Südafrika ins Abseits zu stellen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind