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Volksbegehren in Spanien erfolgreichZwangsräumungen könnten kippen

Aus der Wohnung fliegen und dann auch noch Schulden haben? In Spanien berät das Parlament nun einen Gesetzentwurf, der das stoppen soll.

Asun Querol Revilla und ihr Mann Emilio Martin Manjon haben Glück gehabt: Ihre Zwangsräumung wurde aufgeschoben, weil sie als besonders „bedürftig“ gelten. Bild: reuters

MADRID taz | Spaniens Parlament nahm Dienstagabend ein Volksbegehren gegen die Zwangsräumungen von Wohnungen an. Dabei gab es keine Gegenstimme und nur eine Enthaltung. Der Gesetzentwurf sieht die sofortige Aussetzung aller Räumungsverfahren vor. Außerdem soll denjenigen, die ihre Wohnung bereits verloren haben, die Schulden erlassen werden. Für den Gesetzentwurf hatten verschiedene Bürgerinitiativen gegen Zwangsräumungen von Kreditschuldnern und die Gewerkschaften mehr als 1,4 Millionen Unterschriften gesammelt.

Wer auf Betreiben der Banken aus seiner Wohnung fliegt, muss bisher in Spanien dennoch die Differenz des Wohnungskredits und des aktuellen Marktpreises der beschlagnahmten Bleibe abbezahlen. Da die Wohnungspreise seit dem Platzen der Spekulationsblase ständig fallen sind dies oft Zehntausende von Euro.

Das Parlament wird jetzt in einer Sitzung über den Entwurf beraten. Ob er dann tatsächlich angenommen wird, ist ungewiss. Dennoch feierten Hunderte von Betroffenen und Unterstützer vor dem Parlamentsgebäude in Madrid die Abstimmung mit dem Ruf „Sí se puede!“ – das spanischsprachige Pendant zum us-amerikanischen „Yes we can!“

Es ist erst die zweite Volksinitiative für einen Gesetzentwurf, der in der Geschichte der spanischen Demokratie die Hürde ins Parlament nimmt. Die andere wurde ebenfalls am Montag angenommen, Thema: „Den Stierkampf zum nationalen Kulturerbe ernennen.“ Zuvor waren bei einer Unterschriftensammlung fast 600.000 Unterschriften für die Bewahrung der umstrittenen Tradition zusammengekommen, die in Katalonien 2012 verboten worden war.

Die Volksinitiative für einen Gesetzentwurf (ILP) gegen die Zwangsräumungen wurde förmlich in letzter Minute zugelassen. Erst wenige Stunden vor der spätabendlichen Abstimmung hatte die regierende Partido Popular (PP) des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ihre Meinung geändert. Eigentlich wollte sie gegen den Entwurf stimmen.

Der Meinungsumschwung dürfte - auch wenn dies von PP-Sprechern geleugnet wird – nicht zuletzt mit einer schrecklichen Nachricht zu tun haben, die wenige Stunden vor der Parlamentssitzung bekannt wurde. Auf der Urlaubsinsel Mallorca nahm sich ein Ehepaar – 67 und 68 Jahre – das Leben, als ihnen mitgeteilt wurde, dass der Gerichtsvollzieher sie in einer Woche aus ihrer Wohnung werfen wolle.

Bereits am Sonntagabend hatte im Baskenland ein 58-Jähriger aus dem gleichen Grund Selbstmord verübt. Insgesamt zählen die Initiativen gegen Zwangsräumungen 12 solcher Fälle. 2012 wurden in Spanien täglich 517 Räumungsverfahren eingeleitet.

„Wir sind zufrieden, die Mobilisierungen sind für etwas gut“, erklärt die Sprecherin der Initiativen, Ada Colau. „Doch das Wichtigste haben wir noch vor uns. Wir müssen verhindern, dass der Gesetzentwurf entschärft wird.“ Die aufgeführten Punkte seien „Mindestanforderungen“ an das Parlament, sagt sie. Für Samstag ist in Madrid eine Großdemonstration zum Thema geplant.

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22 Kommentare

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  • U
    Uncas

    Ein wenig statistisches Material:

     

    Die Umverlagerung der internen Verschuldung, die auch und gerade durch deutsche Banken rückversichert wurde, hat dazu geführt, dass Spanien nun aktuell (2012) mit rund 85% seines Bruttoinlandsproduktes verschuldet ist. Die Staatsverschuldung war vor Ausbruch der Krise wundersamerweise im europäischen Vergleich sehr niedrig.

     

    Im Jahr 2008 lag sie bei rund 40%, für das Jahr 2013 werden bis zu 95% erwartet, damit liegt Spanien dann zwar im europäischen Durchschnitt jedoch mit dem Problem, dass kaum ein Euro der zusätzlichen Schulden in Infrastruktur, Sozialleistungen, Bildung oder sonstigen Bereichen investiert wurde, sondern fast ausschliesslich Schulden des privaten Finanzsektors bedient, dessen Strategie zugleich ist, fernab von Spanien Positionen zu besetzen. Dies entlastet natürlich vor allem auch deutsche, schweizer und andere internationale Banken, die bei dem Treiben gierig mitgespielt haben.

     

    Als Erfolg wird nun vermeldet, dass die Banken den mit Ausfall bedrohten Anteil ihres Kreditgeschäfts auf rund 10% senken konnten, rund 30 Milliarden Euro an Abfall wurden dafür in die Abfallbank übertragen, wobei dies nur der Anfang ist, da die Zielvorgabe bei maximal 3 bis 5% liegt und die Abfallbank Sareb erst seit dem Jahresende 2012 überhaupt besteht. Mindestens weitere 60 Milliarden toxische Abfälle müssen nun durch die öffentliche Hand aufgefangen oder rückversichert werden. Für deutsche, spanische, schweizer und sonstige Banken ein Bombengeschäft. Am Ende werden wohl 100 bis 120 Milliarden direkt von der öffentlichen Hand garantiert und rund weitere 60 Milliarden wurden bereits in anderem Kontext in die Bankensanierung gebuttert. Dies ist nichts als eine weitere verdeckte Umverteilung und Absicherung des akkumulierten Reichtums zu Lasten der Bürger, jedes einzelnen Bürgers in der europäischen Union, da auch die Abfallbanken privat gesteuert werden, - ja die behalten wundersamer Weise die Kontrolle! Jedwedes Risiko wird jedoch von der öffentlichen Hand getragen.

     

    Wie sich dem Allgemeinwohl verpflichtete Regierungen, inklusive europäische Union, so über den Tisch ziehen lassen können, lässt sich nur durch ein angeblich spanisches oder südländisches Problem erklären: Korruption, die immer auch mit einer Korruption des Denkens beginnt.

  • U
    Uncas

    @Cometh.

     

    Und ein letztes: Was unter Bankenrettung verkauft wird, hat letztlich relativ wenig mit der Rettung von maroden Banken zu tun, die "rettet" oder absorbiert man nebenbei, die Knete fliesst so vor allem "gesunde" Banken, denen Sonderabschreibungen und Auslagerung von "giftigen" Bilanzwerten ermöglicht werden und denen man zugleich ein öffentlich finanziertes Wachstum ermöglicht, das nicht dem Allgemeinwohl dient, sondern nur den Banken und dem Finanzsektor. Die "gesunden" Banken verleibend sich die gesunden Brocken der "geretteten" Banken ein, der Abfall den haben alle Bürger zu entsorgen. Wenn Sie das alles genauer analysieren, sind's gerade ihre "gesunden" Banken, die die grössten Nutzniesser der öffentlichen Steuermilliarden sind. Sie werden wieder mit Versatzstücken aus der neoliberalen Mottenkiste antworten, als Sprachrohr. Interessanter wäre es, wenn Sie sich die Mühe machten, ein wenig ausführlicher zu antworten. Ich würde anstatt Bankenrettung eher den Begriff Fress- und Schmierhilfe in die Diskussion einführen. Das trifft's eher. Mit ihrer unsichtbaren Hand und freien und ganz wichtig, transparenten und lokal und regional überschaubaren Marktbedingungen, wie sie eben Adam Smith zugleich gefordert hat, hat das wenig zu tun, Sie schreiben's ja selbst, nur ein paar wenige, die gut informiert waren, haben Reibach gemacht. Informieren Sie sich mal über die Verteilung des gesamtgesellschaftlichen Reichtums in Spanien, noch extremer als in Deutschland und noch mal für Sie ins Stammbuch, eine Konsumgesellschaft, die vor allem auf Massengütern und Massenfertigung beruht, braucht eine vernünftige und kontiunierliche Verteilung des Reichtums und ein paar Dinge mehr. Antworten Sie, wie Sie sich das vorstellen. Unsichtbare Hand und gut ist, ist ein wenig dürftig. Was sind ihre konkreten Rezepte für diese permanente Krise?

  • U
    Uncas

    @Cometh.

     

    Informieren Sie sich über die Flut der Menschen, die bei Caritas hier in Spanien auflaufen, für die Ernährung ihrer Kinder auf "Fresspakete" angewiesen sind. Man verlangt hier nicht Hartz IV für Steinbrück's Kinder, das ist eine Geschmacklosigkeit.

     

    Aber sei's drum, das ist eine gewisse Überheblichkeit aus deutscher Perspektive, wobei ich sogar konform gehe, wenn sie implizit andeuten, der Sozialstaat in dieser Form ist ein Gängelstaat, er enthebt der Verantwortung. Hier geht es aber nicht darum, neue Sozialleistungen zu schaffen, sondern die Lasten einer notwendigen und richtigen Entwertung einer Spekulationsblase halbwegs gerecht auf beide Vertragsseiten zu verteilen. Warum mit Häme hinterherufen, selbst Schuld, dass du an den grenzenlosen Kapitalismus geglaubt hast, an das, was ich Cometh propagiere, und dazu noch die Arbeit verloren hast und dein Mann oder deine Frau auch: das geht mir nicht so ganz in den Kopf. Na ja, vielleicht denken Sie bereits über einen günstigen Wohnungskauf in Spanien nach und ja, Spanien ist voll von "chorizos", auch deutschen "chorizos", aber um die geht's nicht. Vergessen Sie bitte auch nicht, dass der Ursprung der Krise in den Vereinigten Staaten liegt, dort ist die sogenannte "Dación en pago" usus, mit der Rückgabe oder Pfändung des durch Hypothek finanzierten Objektes ist die Schuld abgegolten, das Problem des massiven Booms auch dort, die Rückversicherung wurde auch und gerade durch Banken in Europa finanziert, auch diesen Ausfall hat man den Banken gutgeschrieben, in den Bilanzen saniert. Sprich, hier wurden makroökonomische Vorgaben und Spielregeln festgelegt und die Menschen haben gemäss dieser Vorgaben reagiert und gelebt. Das weitergehende Problem ist doch, dass trotz der Spekulationskrisen den Banken nicht wirklich neue Spielregeln auferlegt werden, sondern diese einfach in die Lage versetzt werden, erneut durchzustarten, mit dem Placet der Politik. Zu Glauben, dass diese Rettung des Finanzsektors mehr als ein Strohfeuer produziert, nun ja, die ist verbreitet, die drückt sich in genau der Korruption ihres Denkens aus: knapp unter den "Bankstern" aber dann doch lieber die Bankster. Wohl bekomm's. In Griechnland ist der Norden Afrikas schon mal reingeschwappt, Spanien explodiert dieses Jahr.

  • U
    Uncas

    @Cometh.

    Ausgangspunkt dieser Diskussion ist eine Gesetzesinitiative der Zivilgesellschaft. Zuerstmal muss klar sein, was wirklich gefordert wird. Die Forderungen der Gesetzesinitiave laufen nicht drauf hinaus, dass nun die Wohnungskäufer ihre Hypotheken nicht mehr zahlen sollen, soweit sie das können, auch nicht darauf, dass sie irgendeine wie auch immer geartete "Sozialhilfe" erhalten, sie verlangen vor allem zwei Dinge: dass mit dem Verlust der Wohnung die Schuld abgegolten ist, wenn Zwangsversteigerung oder Pfändung mit Neuschätzung durch die selben Banken eine Restschuld auferlegen. Wie gesagt, der Bilanzverlust der Banken, der wurde den Banken bereits gutgeschrieben, sie kassieren derzeit also doppelt. Die zweite Forderung ist, dass der unglaubliche Park an leerstehenden Wohnungen auch für Mietwohnungen zu akzeptablen Mietpreisen und Konditionen zur Verfügung steht, teilweise, dass also "soziale" Mietpreise nicht mehr als ein Drittel des Haushaltseinkommens auffressen. Bitte vergessen Sie nicht, hier gibt's kein Wohngeld, auch keine Sozialhilfe. Es gibt für einige Langzeitarbeitslose eine Hilfe von rund 400,00 Euro im Monat, eine Massnahme, die nun zähneknirschend verlängert wird. Sie sollte ganz abgeschafft werden.

    --ende part 1---

  • U
    Uncas

    @Cometh.

     

    Sehen Sie, jemand der kauft und verkauft und sich selbst mit und an der Blase gesund gestossen hat, über den sprechen wir nicht. Wir sprechen von Menschen, die in ihrer ersten und einzigen Wohnung leben, als Familien, häufig mit Kindern, sozialem Umfeld. Jemand der sich ein Hypothek von 30, 40 Jahren auferlegt, die er häufig nicht einmal in seinem Arbeitsleben abbezahlen kann, die von Unwägbarkeiten aller Art belastet ist, der spekuliert allerhöchstens auf und mit seinem Leben.

     

    Ihre Argumentation läuft auf die Unterordnung aller Lebensbereiche unter ein ökonomisches Diktat heraus, vom Auslese- zum Rassegedanken bleibt da ein Schritt und Menschen, die "Verlierer" sind, sind "unwertes" Stückgut, "unwertes" Leben. Da sie ökonomische Versager in ihren Augen sind, sind sie überflüssig.

     

    Sie propagieren zugleich, dass durch Eingriffe, wie Bankenrettungen, sich die wohltuenden Wirkungen der "unsichtbaren Hand", des unregulierten Marktgeschehens behindert, ja zunichte gemacht werden; die Argumentation treibt den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, da Teufel Ihresgleichen im Gefolge von Reagen, Thatcher, Milton Friedman vor 30 Jahren das Himmelreich versprachen, wir müssen nur alles weitgehend der Anarchie der freien Wirtschaft überlassen, Regulation so weit als möglich ausschalten. Zugleich haben Sie alle ihren Adam Smith nicht richtig gelesen. Aber das nur am Rande.

  • C
    Cometh

    @Uncas

     

    Ich glaube, wir sind garnicht so weit auseinander: Sie sind vernünftig genug, um zu akzepieren, dass es ansich nicht sein, kann Kleinspekulanten, die sich verspektuliert haben, zu retten.

     

    Ich meinerseits meine, dass diese elende Bankenrettung ein Fehler war. Man hätte Institute bei uns, wie Commerzbank, ruhig pleite gehen lassen sollen.

     

    Denn diese Retterei hat nur auf Zeit gespielt, viel Geld gekostet und führt dazu, dass immer mehr Leute Rettungsschirme für sich verlangen. Sie hat viele Leute sehr reich gemacht, die über die richtigen Infos verfügten.

     

    Kein Rettungsschirm für irgendjemanden. Weder für die Banken, noch für Kleinspekulanten.

     

    Was man m.E. tun sollte: Jeder, der vom Immobilienhype irgendwie profitiert hat, sollte gezwungen werden, seinen Profit abzuliefern. Ausnahmslos, d.h. auch derjenige, der rechtzeitig verkauft hat, muss alles abliefern. Das kommt aber nie ...

  • U
    Uncas

    @taz.

     

    Schade ist auch, dass der Autor des Artikels nicht "nachträgt", dass hier nun nicht die Argumentation der Zivilgesellschaft, einer äusserst pluralen Initiative als Schlusskommentar stehenbleibt, sondern die Argumentation der Banken. Die Argumentation, dass es sich um eine äusserst gut vernetzte, eine geradezu konspirative "Sozial"-Lobby handeln würde, die wird vom Bankensektor in Spanien und von den konservativsten Medien in Spanien vertreten: COPE, La Razón, La voz de Galicia, etc. Die Argumentation entspricht genau der von Cometh, ja man gibt sich volktümlich auch den Anschein, ich bin der Erste, der was gegen die Allmacht der Banken hat, aber wenn jemand mit denen einen Vertrag unterschreibt, dann bleibt Vertrag Vertrag. Das spricht der Wirklichkeit Hohn, weil auf dieser Grundlage hätte es keine Bankenrettungen geben dürfen, keine Rettung des Finanzsektors mit öffentichen Mitteln. Und niemand spricht davon die Verträge ungeschehen zu machen, oder die Strafe zu verhindern, es geht nur um das Ausmass der Strafe und die Verteilung der Lasten, der Schuld am Problem. Die betrifft beide Seiten, aber selbst die Regierungen wälzen die Schuld entgegen dem Allgemeinwohl, dem sie verpflichtet sind, auf die Bevölkerung ab, direkt und indirekt. Das ist doch der Kern unserer permanenten Krise.

  • U
    Uncas

    @Cometh.

     

    Da bleibt dann aber das Problem, dass die Banken für ihre Spekulation, die ja nun bewusster und fundierter sein sollte, professionell hinterfragt, zum einen keine Grenzen gesetzt bekamen und zum anderen keine Einsicht zeigten, die sie ja als berufsmässige Zocker hätten zeigen müssen und, schlimmer, der Ausfall, das Risiko dieser Spekulation auf Seiten des professionellen Vertragspartners, - man darf ja nicht vergessen, zu diesen Vertragsabschlüssen gehören zwei -, dieser Ausfall ist bereits in den Bilanzen saniert, mit öffentlichen Geldern. Wie geht das zusammen? Die Schulden, das Risiko, der Ausfall werden vergesellschaftet, während auf der anderen Seite jedes Opfer, jedes Schicksal zum "tragischen" Einzelfall erklärt wird. Das passt nicht zusammen. Wenn eine Bank Kredite, Hypotheken zu 100 und mehr Prozent des selbst hochgetriebenen Schätzpreises vergibt, bei niedrigeren Löhnen und fehlenden sozialen Sicherungssystemen, abgesehen von den anderen schon angeführten Regularien, die Spanier zum Wohnungskauf zwingen, dann stimmt etwas in ihrem Denkmodell nicht. Zumindest müsste es doch die Möglichkeit geben, dass genau die Milliarden, die hier reingepumpt wurden, um die Banken zu retten, die schuldhafter diesen ganzen Spekulationsboom produziert haben, dass also zumindest ein guter Teil dieser Milliarden weitergegeben wird. Immerhin handelt es sich hier um Gelder aller Bürger, auch ihr Steuergeld oder ihre Schulden, soweit dies durch Kreditaufnahme rückversichert wird. Emblematisch wird von "too big to fail" gesprochen und sie postulieren implizit ein "too small to live". Auf der anderen Seite kostet dies leider Menschenleben, verursacht extreme soziale Verwerfungen, zerstörte Familien. Sie werden dieses Jahr aller Voraussicht nach, die ersten gewalttätigen Demonstrationen in Spanien mit Todesopfern erleben können, dessen bin ich mir ziemlich sicher. Und zur Spekulation: wenn sich jemand hier für 250.000,00, 300.000,00 Euro eine 60 oder 70qm Wohnung gekauft hat, dann sprechen wir hier von der Haupt- und einzigen Wohnung in den meisten Fällen, das ist so als wenn man sie mit ihrer Familie aus ihrer Mietwohnung schmeisst, mit Kiddies, die zur Schule gehen, ihre soziales Umfeld vor Ort haben, etc., etc. Für diesen "Luxus", der ein Menschenrecht darstellt, zahlen die Menschen auf 30 Jahre, 40 Jahre häufig mehr als 1.000,00 Euro im Monat ohne Nebenkosten. Wenn schon ein Gehalt ausfällt: Dosenfutter, fällt das zweite aus, finden sie sich auf der Strasse wieder, die Hypothek ist aber schon abgeschrieben, der Bilanzwert saniert. Bitte, ihre Argumentation ist zynisch.

  • KB
    kokolores B

    Danke @Uncas , sie haben es schön und deutlich erläutert. Und ich finde auch, die spanischen Banken können ruhig ein wenig entgegenkommender sein, da sie ohnehin durch Steuergelder gerettet wurden. Ich bin dafür, daß die Menschen in den Wohnungen bleiben dürfen und die Banken sich eben damit abfinden, daß sie nur sporadisch die Kredite bedient bekommen. Dann sind eben die Banken mal die Verlierer.

  • C
    Cometh

    @Uncas

     

    ich verstehe das schon. Aber die vielen Worte ändern nichts am Grundtatbestand: Es gibt viele in Spanien, die sich mehr geleistet haben, als sie sich leisten konnten und sie wußten das, meinten aber davon zu kommen, bzw. hofften auf steigende Preise.

     

    Das waren nichts anderes als Kleinspekulanten. Die haben sich eine Wohnung gekauft, die sie sich niemals leisten konnten, weil sie glaubten, die werde im Preis steigen und nach ein paar Jahren könnten sie dann Kohle machen und bis dahin mietfrei wohnen.

     

    Diese Spekulation ist nicht aufgegangen und nun haben die ein Problem.

     

    Und weil sie gut organisiert sind, schreien sie Zeter und Mordio und sagen: Ungerecht und gemein.

     

    Nein, die haben sich verspekuliert. Wären die Preise gestiegen, hätten sie kein Problem und nix abgegeben. Nun sind die Preise gefallen und sie verlangen Solidarität und dass andere für ihre Spekulation aufkommen. Für mich ist das knapp unter der Bankster-Clique.

     

    Das ist ungefähr so, als würde Steinbrück für seine Töchter Hartz IV beantragen...

  • U
    Uncas

    @Cometh.

     

    Sie haben das Problem nicht erfasst. Es ist sehr wohl so, dass makroökonomische Vorgaben das ökonomische und soziale Verhalten der einzelnen Bürger bestimmen, leiten und anleiten. Natürlich haben die Menschen in Spanien Kreditverträge abgeschlossen, die über ihren Verhältnissen lagen, ihren Möglichkeiten, anders als in Deutschland waren sie jedoch auch dazu gezwungen, da es weder Mietwohnungen zu vernünftigen Preisen und zu akzeptablen Bedingungen gab und gibt und zudem die Bankinstitute keine vernünftige Selbstkontrolle und keine vernünftigen Auflagen, zum Beispiel nicht genügend Eigenkapital verlangten und wenn sie Bürgschaften verlangten, diese von Menschen erlaubten, die selbst wiederum nicht über genügend Einkommen, sondern nur über abbezahltes Wohneigentum verfügten, zumeist die Eltern oder andere Familienangehörige. Wenn diese Praxis der Banken nicht Ausnahmen im Einzelfall produziert, sondern als Regel zu bezeichnen ist, dann ist dies Wucher, allzumal wenn den Menschen für ein Grundrecht wie Wohnung keine Alternativen zur Verfügung stehen.

     

    Die Menschen wollen übrigens zahlen, sie können es nur nicht mehr, wenn sie dann nicht mehr zahlen können, verlieren sie nicht nur ihren Lebensmittelpunkt sondern bleiben danach auch noch auf den Schulden sitzen, da die künstlich in die Höhe getriebenen Preise nun durch Zwangsverteigerungen oder Neuschätzungen der selben Banken weit unterhalb des ursprünglich angesetzten Verkehrswertes liegen. Am Ende ist dies so oder so und einzig für den Banksektor ein rundes Geschäft, da der Bilanzverlust in den Büchern bereits durch die öffentliche Hand, unter anderem die europäischen Gemeinschaft bezahlt wird. Die Banken kassieren also doppelt: Sie sind saniert, haben ihre Abfallbank und zocken jetzt auch noch die Opfer dieses Spekulationsbetrugs ab.

     

    Ihr Glauben in die Selbstbestimmung und Selbstverantwortung ist ok, aber nur, wenn die Konstellationen fair und transparent sind und die Regierungen für Marktbedingungen sorgen, die den schlimmsten Wucher verhindern, zuallererst dem Allgemeinwohl dienen. Das ist leider nicht der Fall und dies ist auch und gerade ein europäisches Phänomen. Es ist ja auch nicht so, dass es kein Umdenken gäbe, die Aussage, dass es pervers ist, wenn ein hart arbeitende Familienvater kaum noch ein Leben über der Armutsgrenze für sich und seine Familie garantieren kann, ist ja nun keine Weisheit, die vom Himmel fällt, sondern in Spanien allzumal, aber auch in Deutschland anzutreffen ist, ebenso wie in den Vereinigten Staaten. Die Korruption ist allgegenwärtig und auch der Ausweg in die Schattenwirtschaft, die zwangsläufig aufblüht. Spanien ist ja nicht ärmer als vor zehn Jahren, das Fehlen eines funktionierenden System zur notwendigen Verteilung des Reichtums, daran happert es und eine Konsumgesellschaft, wie Sie sie scheint's propagieren, eine "freie" Marktwirtschaft, gerade die braucht Konsumenten mit Kaufkraft. Geben Sie dazu das Problem, der Saturierung der Märkte und das Problem, dass wir im internationalen Vergleich immer nur den angemahnten "Standortvorteilen" hinterherlaufen können, dann haben sie das Szenarium einer permantenten Krise, die mal wirtschaftlich, mal sozial ist und häufig beides zusammen. Unsere Gesellschaften stehen unter einem sozialen und wirtschaftlichem "Stress" für den die Menschheit am Ende immer nur eine Antwort bisher kennt: Krieg.

  • U
    Uncas

    Um wirklich zu verstehen, um was es geht, braucht's ein, zwei Absätze Hintergrund:

     

    Spanier sind, im Gegensatz zu Deutschen, durch das Mietrecht, Steuervorschriften und Gesetzgebung zum Kauf einer Wohnung gezwungen, da Mietverträge alle fünf Jahre, demnächst alle drei Jahre neu ausgehandelt werden müssen und Mietwohnungen dadurch keine Lebensplanung ermöglichen. Mietwohnungen sind zudem teuer und zumeist in äusserst schlechtem Zustand.

     

    Bauboom und Spekulation suggerierten nun allen Spaniern, aber auch Immigranten aus Ecuador, Marrokko, China, dass jeder sich einfach eine Wohnung kaufen könne und er nur 30 oder gar 40 Jahre den Kredit wie eine Miete abzuzahlen hätte. Hypotheken wurden zu mehr als 90% zu flexiblen Zinsätzen und zumeist über den gesamten Kaufpreis gewährt, der Preis selbst wurde wiederum von Schätzern der Banken selbst festgelegt und dabei immer weiter nach oben getrieben, sodass der Kaufpreis von Wohnungen vor alle in Städten weit über beispielsweise deutschen Preisen liegt, die Durschnittseinkommen jedoch weit unter deutschem Niveau liegen. Schon vor vier Jahren zeichnete sich nun die Katastrophe ab, die Spanien derzeit erlebt, Familien, die ein Haushaltseinkommen oder gar alle verloren haben, sind nicht mehr in der Lage ihre Kredite abzubezahlen, Kredite, die sie notgedrungen aufnehmen mussten und auch gerne aufnahmen, weil sie an das Versprechen glaubten, der Boom nehme nie ein Ende und eine wirkliche Wirtschaftskrise sei ausgeschlossen.

  • U
    Uncas

    Schade, schade, dass meine Kommentare entweder gar nicht oder mit soviel Verspätung veröffentlicht werden. Das ist nicht gut, da sie ergänzend sind. Das hier versteht keine Mensch, kein Leser mit deutscher Lebenswirklichkeit ohne ein paar weitere Informationen. Die Krise in Spanien ist eine europäische Krise, eine Krise unseres Wirtschaftsraumes. Deutschland steht nur im Vergleich "günstiger" da, sich den Prozessen zu verschliessen, darüber schon mangels wirklicher Korrespondenten (oder Allroundkorrespondenten, die für zuviel zuständig sind) nicht mehr wirklich berichten zu können, zeigt die eigene Krise, die Bestandteil ist, ein kleines weiteres Körnchen der "ökonomischen Notwendigkeiten". Ja, schade, schade.

  • C
    Cometh

    Das mache ich auch:

     

    Schickes und frisch renoviertes 110 qm Apartment im Prenzlauer Berg auf 100% Kredit kaufen (Zinshöhe egal). Neue Einrichtung und Wirlpool ist auch drin.

     

    Ein paar Raten zahlen. Dann einstellen (weil die Bank mir den Kredit "aufgenötigt" hat und ich wirtschaftlich überfordert bin) und nach 3 Jahren ausziehen. Mitnehmen was gefällt. Frei von allen Schulden, denn die Wohnung bekommt ja die Bank.

     

    Dann nagelneue weitere Wohnung beziehen, aber anderer Kiez. Umzug zahlt auch noch die Bank, weil sie froh ist, dass ich ausziehe. Neue Einrichtungsgegenstände ....

     

    usw. usw.

     

    Gibt es dafür kein Menschenrecht?

  • NA
    Neues aus Hellas

    Keine Selbstmorde, keine Streiks, Streiks, Streiks, Streiks und deren illegales Niederschlagen mit Notgesetzen der Nachjunta-Ära, keine Folterungen von Anarchisten und

    photogeshopte Fahndungsfotos, keine Banküberfälle, keine Bombenanschläge, keine Privatbullen von Blackwater für's Parlament, keine deutschen Nazis zum Besuch im selbigen, kein Verbot von Fotos, die Armut zeigen, keine Bullen, die Schutzgelder bei Migranten eintreiben und natürlich auch kein weiteres brutales Absenken des Mindestlohns. Genauso wenig wie der falsche Multiplikator des IWFs, der zu dem ganzen Mist geführt hat.

    Gar nichts passiert, aber bald kommt wieder die Troika und damit wieder Agenturmeldungen und wegen dem Wettbewerb etwas Hintergrund.

  • A
    Anti

    Naja, immerhin wird hier das Problem mal angeschnitten (ich wundere mich doch sehr, dass das in den Medien kaum erwähnt wird). Aber wie sehr das ein Skandal ist, kommt nicht genug raus. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: In Zeiten, in denen sich die Spanier aus Perspektivlosigkeit gar umbringen, hat die PP nichts besseres zu tun, als dafür zu kämpfen, den Stierkampf wieder landesweit einzuführen und mit 500 Millionen (!!!!) zu fördern. Woher das Geld wohl kommt, wenn ein Land so pleite ist? Na, aus der EU. Von uns. Also echt, zwei Initiativen zu diskutieren, Stierkampf und Hypotheken und sich dann so klar für ersteres zu entscheiden (und nur unter Schmerzen und Zwang das zweite auch), das ist so skandalös, darüber müsste wir zwingend mehr reden.

  • T
    theo

    Warum müssen erst Menschen sterben, bevor diese

    Politiker das Notwendige tun?!

    Wenn in Spanien wieder der Radikalismus, um sich

    greift, dann liegt das an der Unverfrorenheit

    von Rajoy und Co.

  • R
    Rettungsfonds

    gibt es nur für Banken.

    Bürger sind nicht systemrelevant, nur Zahler und Kassierer.

  • N
    noevil

    Eines der vielen Probleme im spanischen Immobilienmarkt ist, dass die Kaufpreise im Vergleich zum derzeitigen Marktwert der Immobilien völlig überhöht waren und nur durch unkritisches Kaufverhalten immer noch weiter in die Höhe getrieben wurden.

     

    Jeder Beteiligte an der Wertschöpfungskette - vom Grundstücksangebot bis hin zum Notar - wollte seinen Anteil ergattern und seine goldene Nase verdienen.

     

    Die Banken stellten diesem "Rausch" keinerlei kritisches Bewertungsverhalten gegenüber, das die Käufer zum Nachdenken und die Anbieter zu einem Überdenken ihrer Forderungen gezwungen hätte, verdienten sie doch mit am Besten an dieser goldenen Melkkuh "Käufer", der häufigst keine Ahnung von Preisen hatte, im Mainstream mitschwimmend guten Glaubens war.

     

    Das Wichtigste haben erschreckend viele ausser Acht gelassen:

     

    1. Für eine solide, bezahlbare und verlässliche und Finanzierung zu sorgen

     

    2. Die Immobilie persönlich zu begutachten und solide schätzen zu lassen und

     

    3. mit dem Finanzierungsinstitut über Sicherheits - Möglichkeiten für Zahlungsausfälle zu sprechen und diese in die Verträge einzubauen.

  • U
    Uncas

    Um wirklich zu verstehen, um was es geht, braucht's ein, zwei Absätze Hintergrund:

     

    Spanier sind, im Gegensatz zu Deutschen, durch das Mietrecht, Steuervorschriften und Gesetzgebung zum Kauf einer Wohnung gezwungen, da Mietverträge alle fünf Jahre, demnächst alle drei Jahre neu ausgehandelt werden müssen und Mietwohnungen dadurch keine Lebensplanung ermöglichen. Mietwohnungen sind zudem teuer und zumeist in äusserst schlechtem Zustand.

     

    Bauboom und Spekulation suggerierten nun allen Spaniern, aber auch Immigranten aus Ecuador, Marrokko, China, dass jeder sich einfach eine Wohnung kaufen könne und er nur 30 oder gar 40 Jahre den Kredit wie eine Miete abzuzahlen hätte. Hypotheken wurden zu mehr als 90% zu flexiblen Zinsätzen und zumeist über den gesamten Kaufpreis gewährt, der Preis selbst wurde wiederum von Schätzern der Banken selbst festgelegt und dabei immer weiter nach oben getrieben, sodass der Kaufpreis von Wohnungen vor alle in Städten weit über beispielsweise deutschen Preisen liegt, die Durschnittseinkommen jedoch weit unter deutschem Niveau liegen. Schon vor vier Jahren zeichnete sich nun die Katastrophe ab, die Spanien derzeit erlebt, Familien, die ein Haushaltseinkommen oder gar alle verloren haben, sind nicht mehr in der Lage ihre Kredite abzubezahlen, Kredite, die sie notgedrungen aufnehmen mussten und auch gerne aufnahmen, weil sie an das Versprechen glaubten, der Boom nehme nie ein Ende und eine wirkliche Wirtschaftskrise sei ausgeschlossen.

  • U
    Uncas

    Spanien "explodiert" derzeit förmlich. Dem Reiner Wandler will ich ja nichts Böses, aber er scheint der einzige "Korrespondent" zu sein, für Tunesien, Algerien und Spanien und dies noch eingekauft über eine Agentur. In diesem Artikel gibt's einige erschreckende Ungenauigkeiten, so heisst es, dies wäre erst das zweite durch Unterschriften gestützte Volksbegehren. Das ist so vollkommen falsch. Das Problem ist, dass in Spanien die Hürde extrem hoch ist und dass selbst wenn das Begehren zur Beratung angenommen wird, wie dies hier der Fall ist und was schon öfters vorkam, die Aussichten gegen null tendieren, dass aus dem Begehren auch wirklich Gesetz wird. In der jungen Demokratiegeschichte Spaniens geschah dies genau einmal.

     

    Angesichts dessen, was hier in Spanien derzeit abläuft und dem exemplarischen Charakter ist die taz leider mit Reiner Wandler allein schlecht bedient und damit die Leser der taz.

  • M
    matstaz

    Was passiert denn dann mit den ganzen Schulden? Wenn man die den verschuldeten Käufern erlässt, muss ja jemand dafür aufkommen. Können die Banken das überhaupt auffangen? Wäre es nicht besser, man lässt die Leute in der Immobilie und senkt lieber Tilgung und Zins für ein paar Jahre ab, bis es in Spanien wieder besser läuft?

     

    Warum gibt es in Spanien eigentlich keinen Solidaritätsfonds, der den Hauskäufern vorübergehend hilft, Tilgung und Zins aufzubringen. Es gibt doch so viele stinkreiche Spanier. Allein die Fußballprofis in Spanien sind milliardenschwer. Aber Solidarität fordert man ja immer nur vom anderen.