„Bild“ gegen GEZ: Das große Gebühren-Spiel

Die „Bild“ will eine „Wut-Welle“ gegen die neue Finanzierung von ARD und ZDF auslösen. Die Verteidiger sind in der Unterzahl, haben aber einen Vorteil.

Das Spiel um die Deutung des neuen Rundfunkbeitrags ist noch nicht vorbei. Bild: dapd

Am 1. Januar löste der Rundfunkbeitrag das alte gerätebezogene Gebührenmodell ab. Seitdem formieren sich zwei Mannschaften und streiten um die Deutung des neuen Beitrags, die GEZ und die Finanzierung von ARD und ZDF.

Die Aufstellungen

Der Springer-Verlag erweist sich unter Vorstand Mathias Döpfner als verlässlicher Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Seit Jahresbeginn fährt der Konzern in der Bild eine Kampagne gegen die neue Haushaltsabgabe, die sie gerne „Zwangsabgabe“ oder „TV-Zwangssteuer“ nennen. Und in Springers Welt erklärt Martin Lindner von der FDP, dass er die neue Abgabe für verfassungswidrig halte, und Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) knüpft die Kausalkette, dass der Gebührenzahler „zur Finanzierung von Traumgehältern“ bei Fußballprofis beitrage. Schließlich zahlten ARD und ZDF hohe Summen für Sportrechte.

Hans-Peter Siebenhaar dürfte die große Empörung über den neuen Rundfunkbeitrag ganz recht sein. Schließlich hat der Handelsblatt-Redakteur Ende vergangenen Jahres ein Buch herausgebracht, in dem er „die Wahrheit über das System ARD und ZDF“ beschreibt – mit dem kaum interpretationsbedürftigen Titel: „Die Nimmersatten“.

Dirk Roßmann hat schon einen Schuss aufs Tor dieser Nimmersatten abgegeben: Der Chef der Rossmann-Drogeriekette klagt vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof gegen den neuen Beitrag, denn der Konzern muss laut eigenen Angaben von nun an mindestens 200.000 Euro statt bisher knapp 40.000 Euro pro Jahr zahlen.

Auf der anderen Seite steht Stefan Niggemeier, der Spiegel-Autor schreibt bei Bildblog und in seinem eigenen Blog gegen die „Propaganda“ von Bild, Siebenhaar und Co. Überschrift: „Die Nimmerklugen“.

Auch der NDR-Intendant Lutz Marmor versucht, das größte Projekt seiner gerade erst gestarteten Amtszeit als ARD-Vorsitzender zu verteidigen. Dazu kommt Paul Kirchhof, der mit einem Rechtsgutachten die Einführung der neuen Abgabe unterstützte – und der sich über den massiven Widerstand wundert, „weil sich für den Normalbürger schlechthin nichts ändert“, wie er dem Bayerischen Rundfunk sagte. Der Beitrag von 17,98 Euro bleibe schließlich für die meisten gleich.

Die Taktik

„ARD & ZDF – Jagd auf 4 Millionen Haushalte“, „Wut-Welle gegen GEZ“ oder „ARD-Intendanten speisten auf Kosten der Steuerzahler“ – die Bild hat sich warmgeschossen. Dass die meisten Vorwürfe nichts mit der neuen Haushaltsabgabe zu tun haben, sondern schlicht Fehler der Gebühreneinzugszentrale (GEZ; die seit diesem Jahr „Beitragsservice“ heißt) sind, wen interessiert’s? Außerdem nutzt Springers Bild noch eine weitere Taktik – und behauptet: Die neue Abgabe führe zu massiven Mehreinnahmen bei den Öffentlich-Rechtlichen, die doch eh schon 7,5 Milliarden Euro einnehmen!

Das ist auch die Taktik von Hans-Peter Siebenhaar – und die verbreitet er nicht nur im Handelsblatt, sondern auch als „Medienexperte“ in anderen Publikationen. Doch noch weiß keiner, wie sich die Erträge der Öffentlich-Rechtlichen durch die neue Abgabe entwickeln. Außer Siebenhaar, der eine Zahl aus dem Bericht der Kommission zu Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) in einen fragwürdigen Zusammenhang stellt und von 304 Millionen Euro ausgeht, und der Bild, die sich auf die von angeblichen Experten gestützte Zahl von 1,3 bis 1,6 Milliarden Euro eingeschossen hat.

Diese „Desinformationen“ regen den Medienjournalisten Niggemeier auf. Er beschreibt die „Propaganda gegen ARD und ZDF“, wie er es in seinem Blog nennt. Seine Vorwürfe: Täuschung der Leser, alte Informationen werden als neu verkauft und Zahlen falsch interpretiert.

Auch Lutz Marmors ARD sah sich schon genötigt, auf die Bild-Kampagne zu reagieren. SWR-Justitiar Hermann Eicher, dessen Sender federführend in der ARD für den neuen Rundfunkbeitrag zuständig ist, bezeichnete die Aussage, dass die Einnahmen deutlich steigen würden, als „grob falsch und irreführend“.

Das Ergebnis

Das Spiel ist noch nicht abgepfiffen. Wer führt? Also eine „Wut-Welle“ ist derzeit nicht zu spüren. Zwar lehnen laut einer Anfang Dezember im Spiegel veröffentlichten Umfrage 60 Prozent der Bundesbürger den neuen Beitrag ab, doch konterte die ARD prompt mit einer selbst in Auftrag gegebenen Erhebung, laut der begrüßten Ende 2012 75 Prozent das neue Gebührenmodell.

Doch sind die Befürworter des neuen Rundfunkbeitrags in einem Punkt klar im Vorteil: Es wurden bereits Fakten geschaffen: Die neue Haushaltsabgabe kommt, die Gegner können nur noch dagegen anrennen. ARD, ZDF und Deutschlandradio müssen das Ergebnis lediglich über die Zeit bringen.

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