Matthias Platzeck bei Jauch: „Das Ding fliegt, oder ich fliege“

Vor seiner Vertrauensfrage im Landtag gibt sich der designierte Flughafen-Aufsichtsratsvorsitzende bei Jauch demütig. Er will nach vorn gucken.

Theoretisch steht sein Schicksal am Montag schon auf der Kippe: Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck. Bild: dapd

War das lässig? Oder Chuzpe, den Vorabend einer Vertrauensabstimmung im Sendestudio von „Günter Jauch“ zu verbringen? War es wirklich Verantwortungsbewusstsein, das Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Sonntagabend präsentierte, Folge jener preußisch-brandenburgischen Erziehung, von der er sprach?

Oder geschickte Strategie, statt des schnell überheblich wirkenden Noch-Aufsichtsratschefs und Berliner Regierungschefs Klaus Wowereit (SPD) den bodenständigen Platzeck ins Studio zu schicken? Bei Wowereit, beim Bundesverkehrsminister und bei den Flughafen-Vorständen hatte Jauchs Team nach eigenen Angaben mit einer Einladung keinen Erfolg.

Von Mitverantwortung beim Flughafen, zu der er stehe, sprach der Mann, der 2006 nach kaum fünf Monaten die Macht als SPD-Parteichef abgab, weil sie ihm gesundheitlich zu sehr zusetzte. Wie Wowereit 2011 in Berlin gewann auch er 2009 die jüngste Landtagswahl in Brandenburg fast im Alleingang und dank seiner Persönlichkeit, doch nicht mit der mondänen Attitüde des Metropolen-Bürgermeisters, sondern als Typ bodenständiger Arbeiter im Weinberg des Herrn.

Diesen Ruf hatte er schon Ende der 90er als damaliger Umweltminister beim Oder-Hochwasser begründet, wo ihm sein Engagement den respektvollen Beinamen „Deichgraf“ einbrachte. Bei aller Mitverantwortung mochte er bei „Günther Jauch“ aber nicht übermäßig in vergangenem Wühlen. „Das ist jetzt alles vergossene Milch“, wischte er Diskussionen um voreilig angesetzte Eröffnungstermine beiseite.

Landtagswahl 2014

Platzeck verbindet sein politisches Schicksal mit dem des Flughafens. „Entweder das wird was und das Ding fliegt, oder ich fliege“, kündigte er an. Darunter versteht er jedoch nicht einen Rücktritt bei einer möglichen weiteren Verschiebung. Stattdessen sollen ihn die Brandenburger bei der nächsten Landtagswahl 2014 am Fortgang des Projekts messen.

Zu Vorhaltungen, dass er doch als bisheriger Vize-Aufsichtsratschef bei allen wichtigen Entscheidungen beteiligt war und die Misere nicht mit verhindert habe, sagte Platzeck: „Es ist ein Deaster. So etwas darf eigentlich nicht passieren.“ . Anders als Wowereit und die Berliner SPD, die in Umfragen stark eingebrochen sind, hat das Flughafendesaster Platzeck und der Brandenburger SPD trotz seiner exponierten Position im Aufsichtsgremium bislang nicht geschadet.

Theoretisch steht Platzecks Schicksal schon heute auf der Kippe: In der Landtagssitzung am heutigen Montagsvormittag will er die Vertrauensfrage stellen. Das Amt des Flughafen-Aufsichtsratschefs von Wowereit zu übernehmen macht aus seiner Sicht nur Sinn, wenn er seine Koalition aus SPD und Linkspartei hinter sich weiß. Die aber steht. Der Landesvorstand der Linkspartei schloss sich am Wochenende der Haltung der Landtagsfraktion an und stützt Platzeck.

Die SPD hatte sich schon vorher hinter ihren Landesvorsitzenden gestellt. Der von Wowereit vor einer Woche angekündigte Wechsel im Aufsichtsratsvorsitz war auf heftige Kritik gestoßen. Bei den Berliner Grünen war in der jüngsten Abgeordnetenhaussitzung, in der Wowereit einen Misstrauensantrag überstand, von einer „Versagerrochade“ die Rede. Auf Bundesebene wandte sich die FDP-Spitze mit heftigen Worten gegen Platzeck, der den Chefposten in der nächsten Aufsichtsratssitzung am Mittwoch übernehmen soll.

Widerstand gegen den Wechsel aufgegeben

Ein CSU-Bundestagsabgeordneter sprach sogar davon, es werde nur „eine Pfeife durch eine stellvertretende Pfeife ersetzt“. Wer in die Politik geht, müsse das aushalten, auch wenn es nicht schön sei, sagte Platzeck bei „Günter Jauch“. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll jedoch angeblich seinen Widerstand gegen den Wechsel aufgegeben haben. Damit wäre der Weg für Platzeck weitgehend frei. Das berichtete am Sonntag die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung.

„Ihr habt Euch veräppeln lassen“, warf die Chefin der Grünen-Bundestagsfraktion, Renate Künast, dem brandenburgischen Ministerpräsidenten vor. Seine Reaktion: „Das bestreite ich ja gar nicht“. Künast nutzte die Gelegenheit, um der von der SPD wiederholt vorgetragenen Version zu widersprechen, die Grünen würden den Flughafen ablehnen. „Ich will den Flughafen“, sagte sie.

Der Projektleiter der Olympischen Sommerspiele in London 2012, Klaus Grewe, ging in der Sendung davon aus, dass eine komplette Bestandsaufnahme der Misere am Flughafen rund ein Jahr brauche. Laut Platzeck hat diese Analyse bereits im vergangenen August mit Dienstbeginn des neuen Technik-Chefs Horst Amann begonnen. Platzecks weitere Prognose: „Wir müssen wahrscheinlich nicht abreißen oder teilabreißen.“

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