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Archiv-Artikel

zwischen den rillen Partypogo für Millionen: Kelly Osbourne mit ihrem Album zur MTV-Show

Fun ist ein Whirlpool

Sie trägt gern flippige Kleider vom Flohmarkt und manchmal auch Versace. Sie färbt ihre Haare, seit sie denken kann, und sieht mit ihren dicken Kajalstriemen um die Augen doch nicht nach Glamourgirl aus, sondern eher wie eine bisschen zu pummelig geratene Sixties-Puppe vom Lande. Auch sonst ist ihr Leben nicht wirklich außergewöhnlich: Sie isst kein Pferdefleisch, hat derzeit keinen festen Freund und streitet sich ständig mit ihrem großen Bruder. So ist das halt bei den Osbournes, so wird man zum MTV-Star, zur gefürchteten Four-letter-words-Ikone und eben auch zur schillernden Punk-Figur auf dem weiten Feld des Teenie-Pop.

Zur Erinnerung: Ihr Vater Ozzy Osbourne ist der gefürchtete „prince of fucking darkness“, der seit drei Jahrzehnten als singende Metalsäge bei Black Sabbath und später solo durch die Weltgeschichte tourt. Ihre Mutter Sharon besorgt für Daddy das Management und ist auch maßgeblich für den Fernsehdeal zur Real-Life-Soap über die „Osbournes“ verantwortlich. Ihr Bruder Jack übt sich mit gerade mal 18 Jahren als aufstrebender Rock-Manager und hat für seine Schwester eine Collegeband namens Powerpack organisiert, mit der sie nun ihre erste CD „Shut Up“ eingespielt hat. Das Ergebnis: zwölf Stücke lang Partypogo für Millionen, ein 40-minütiges Spaßbrett mit den ewig gleichen drei Akkorden, zu denen Kelly Osbourne den üblichen, aber doch immer wieder kurzweiligen Blödsinn von Jungsproblemen und der Angst vor dem Erwachsenwerden grölt. Lass es lieber heute krachen, Baby, sonst fehlt dir morgen was vom Leben.

Dass sie mit solchem schlichten Saufdrauf-Pop tatsächlich Erfolg hat, liegt offenbar an dem kleinen biografischen Vorteil, mit dem ihr der Weg in die Charts gepflastert war wie zuvor nicht einmal bei Julian Lennon oder dem Sohn von Bob Dylan. Ohne den Celebrity-Bonus wäre die sechzehnjährige Kelly Osbourne eine Kandidatin mehr für den schwer umkämpften Unterhaltungsmarkt der White Trash Kids, irgendwo zwischen L wie Avril Lavigne und P wie Pink, ein bisschen Skate-Punk, ein bisschen frech herumturnendes Riot-Girlie von nebenan – der optimale „everyteen“ von heute eben.

Während Lavigne oder Pink sich aber nicht von der Masse rebellischer Teenager aus dem Niemandsland der Shopping Malls und Suburbias unterscheiden sollen – denn das macht sie erst glaubwürdig –, ist Kelly Osbournes Einstellung die eines professionellen Selbstvermarkters. Kein Fake ist ihr fremd: Was auf Platte nach raubeinigem Punkrock klingt, wurde von einem gewissen Thomas R. Yezzi produziert, der sonst den Sound von Celine Dion, Jennifer Lopez und gar von Barry Manilow aufmöbelt.

Ein Triumph der Berechenbarkeit ist das musikalische Merchandising zur MTV-Show dennoch nicht. Ursprünglich war Kellys Coverversion von Madonnas „Papa don’t preach“ zwar bloß als Testballon für ein „Osbournes Family Album“ gedacht, mit dem Sony die guten Einschaltquoten der Soap ausnutzen wollte. Aber inzwischen lässt sich die Zielgruppe kaum noch klar ausmachen, geschweige denn kontrollieren. Es gibt eigene Internetforen, in denen Fans erhitzt darüber diskutieren, wer nach den neuesten Folgen gerade ihr Lieblings-Osbourne ist und wer das Arschloch der Familie – wie sollte eine Plattenfirma bei diesen wöchentlich wechselnden Sympathiewerten noch mit Veröffentlichungen nachkommen?

Momentan spricht jedenfalls einiges für Kelly. Sie ist der Schnittpunkt der Familie. Natürlich hat sie die divahafte Überspanntheit von old Ozzy geerbt, und sie zeigt mit jeder noch so üblen Laune und Leck-mich-Attitüde, wie es sich anfühlen muss, wenn man als Kind in einer Beverly-Hills-Villa aufwächst, weil der Vater Jahr für Jahr sein gutes Geld damit verdient, indem er vor abertausenden Hardrockfans die Hosen herunterlässt, sehnsüchtig von Todestrieben singt oder Fledermäusen den Kopf abbeißt. Solchermaßen mit Skandalen sozialisiert, ist zumindest Kellys Wohlstands-Nihilismus absolut echt: Die Spritztouren im Privatjet, den Champagner und die Shopping-Trips nach Mailand hat sie bereits während der High School hinter sich gebracht. Fun ist ein Whirlpool.

HARALD FRICKE

Kelly Osbourne: „Shut Up“ (Sony)