zwischen den rillen : Viel Sex, mehr Probleme
Wer es jeder Frau recht machen möchte, hört sich irgendwann an wie Usher auf seinem neuen Album „Confessions“
Rechtzeitig zum Erscheinen seines nunmehr fünften Studioalbums muss die Weltöffentlichkeit erfahren, dass Usher Raymond unter einer verhängnisvollen Sexsucht leidet. Wie er in zahllosen Interviews erklärte, ist dieser zeitraubenden, verwirrenden und zermürbenden Sucht bereits seine Beziehung mit Chilli von TLC zum Opfer gefallen. Davon zutiefst getroffen soll sich Usher inzwischen sogar professioneller Hilfe anvertraut haben. Wie bei jeder anderen Sucht ist das Eingeständnis vor sich und anderen der erste Schritt zur Genesung. Es passt deshalb natürlich wunderbar, dass sein neues Album den Titel „Confessions“ trägt und etlichen Geständnissen von therapeutischem Mehrwert einen adäquaten Rahmen bietet.
In dem Stück „Confessions II“ muss er seiner langjährigen Freundin gestehen, dass er dummerweise gerade seine andere Freundin geschwängert hat; in „Burn“ beendet er mit der einen oder anderen Freundin dramatisch und tränenreich die Beziehung; in „Bad Girl“ will er in einem Club eine Frau, bei der es sich möglicherweise um ein Model handelt, zwecks näherer Begutachtung mit aufs Klo schleppen; in „Do It To Me“ hat er wiederum mit einer ganz anderen Frau Sex und verspricht ihr zur Intensitätssteigerung die ewige Liebe; und in „Follow Me“ erklärt er schließlich der Nächsten, dass sie ganz anders sei als alle anderen Frauen, die er kennt; und dass natürlich auch er ganz anders sei, als man gemeinhin von ihm denkt.
Man muss dazu wissen, dass das unermüdliche und fast schon selbstlose Beschlafen des anderen Geschlechts für einen R & B-Sänger zum Berufsbild gehört. Man muss auch wissen, dass ein rechtschaffener R & B-Sänger jede noch so flüchtige sexuelle Begegnung irrsinnig ernst nimmt und sich darüber schrecklich viele Gedanken macht. Ein R & B-Sänger verspürt sozusagen den Drang, sich ständig zu erklären. Nie möchte er eine Frau verletzen, sondern es vielmehr allen Frauen der Welt auf eine besonders einfühlsame, kundige, virtuose, eindringliche und selbstverständlich auch ausdauernde Weise recht machen. Und weil das leider nicht geht, hat ein R&B-Sänger nicht nur erstaunlich viel Sex, sondern auch noch mehr Kummer. Nur deshalb muss er ununterbrochen sehr traurige und sehnsüchtige Balladen produzieren, die glücklicheren Menschen eine ungefähre Ahnung von seinem spezifischen Leiden vermitteln.
„Confessions“ von Usher ist daher ein mustergültiges R & B-Album. Von der wunderbar gestörten Single-Auskopplung „Yeah!“ einmal abgesehen, schwankt das Tempo zwischen langsam und ganz, ganz langsam. Die insgesamt 17 Titel wurden – mehrheitlich von Jermaine Dupri und Jam & Lewis – luftig, aufgeräumt und sachangemessen edel produziert. „Truth Hurts“ hört sich an wie von Montell Jordan, „Do It To Me“ klingt wie „When Doves Cry“ von Prince, und etliche andere Songs erinnern nicht nur wegen des Gesangs an den großen R. Kelly.
So wie sich Usher den Tanzstil von Michael Jackson angeeignet hat, beherrscht er mittlerweile auch alle musikalischen Ausdrucksformen seines Fachs perfekt. Leider beherrscht er sie ein bisschen zu perfekt. Man glaubt seinen Geständnissen deshalb kein Wort. Vor allem kommt nur wenig von Ushers angeblicher sexueller Strahlkraft beim Hörer an. Denn Usher ist nicht sexy, weil er so ein frauenverschlingender Schwerenöter ist, sondern schlicht und einfach deshalb, weil er immer so putzig lächelt. Der Plan, den ehemaligen Teenieschwarm mit betont reifen Themen für die Welt der Erwachsenenunterhaltung fit zu machen, ist deshalb erneut gescheitert. Ansonsten bleibt „Confessions“ natürlich ein rundum schöner Versuch. HARALD PETERS
Usher: „Confessions“ (Arista/BMG)