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Archiv-Artikel

zwischen den rillen Breiter, härter, schicker

Leere Musik für eine leere Welt, aber das in Toll. „First Impressions of Earth“, das große neue Album der New Yorker Band The Strokes

Nein, es braucht keine Velvet-Underground-Vergleiche, um dieser Band nahe zu kommen. Man muss nicht über den 11. September als letzten Urmoment der Popgeschichte fabulieren, oder über den schellackalten Mythos der „entscheidenden dritten Platte“ (nach dem bahnbrechenden Debüt und der „schwierigen“ zweiten). Denn „First Impressions of Earth“, ihre neue Platte, ist zuallererst dies: eine weitere Platte der Band The Strokes. Ein weiterer akustischer Beweis, dass dieser Band mit Hype-Anti-Hype-Dialektik kaum beizukommen ist.

„Originell“ war gestern, „originell“ ist so 20. Jahrhundert, was heute wichtig ist, ist Konsolidierung, Expansion und Variation. Sie krampfen sich eben nicht ab. Eher schütteln sie das so runter. Was die Strokes auf „First Impressions“ wirklich aufs Exakteste beherrschen: eine Basis zu legen, den, äh, eben unverwechselbaren Strokes-Sound weiterzuspinnen. Ultrapräzise Drums, unauffällig mitspielender Bass, dann natürlich die Schrabbelgitarre, die Gniedelmelodiegitarre, und oben drüber der nölig-verschlafene Gesang Julian Casablancas. Das Tempo ist mal mehr, mal weniger hoch, der Habitus mal rockig-verzweifelt (so die Single „Juicebox“, in der der Bass mal kratzig aus sich herauskommen darf und, ja, „Rock Lobster“ von den B-52s grüßen), mal légère-gelangweilt. Alles wie gehabt und doch mehr, breiter, härter, schicker als zuvor. Vielleicht sieht sie aus wie immer, die Strokes-Galaxie, aber das täuscht. Denn, ja, sie dehnt sich aus.

Und wohin, etwa nur in eine Richtung? Nein, keine Sorge. Es ist nicht nur so, dass die fünf aus New York jetzt mit neuer Härte virtuos den Planeten Schmockrock ansteuern (besonders auffällig in „Vision of Division“, inklusive Monstersolo) oder sich in Schickmetal versuchen möchten. Edel, metallisch und kühl. Nein, Rhythmus und Gniedelgitarre können auch mal 70er-Reggae- und High-Life-Einflüsse antäuschen („Razorblade“, das Stück mit dem „Mandy“-Refrain), oder sich abwesend und balladesk geben. Dann wird auf Rockformation verzichtet und Casablancas Nichtgesang neben einem wohltemperierten Mellotron gestellt. „Ask Me Anything“ heißt das betreffende, irgendwie zentrale Stück dieser Platte.

Denn natürlich kann man schon einmal fragen, was das alles soll. Der Stil, der Schick, dieses (Referenz-)System des Kühlen. Und „on the other side“ die Leerstelle, das schwarze Loch, nicht unbedingt im Hirn, aber wenigstens im Herzen. „I’ve got nothing to say“, wiederholt sich Casablancas schnöde, auch sonst ist er wieder anständig angeödet von der Welt, da scheint auch ein Groupie-Dauerabo nicht zu helfen, höchstens noch der Alkohol: „I’m tired of everyone I know/ of everyone I see/ on the street and on TV (…) I hate them all./ I hate myself for hating them,/ so I’ll drink some more.“ „Heart in a Cage“, „Fear of Sleep“: Vielleicht ist das Ironie, vielleicht ist das Angeödetsein in Potenz. Meta-Langeweile. Welt schlimm, Schlimmfinden der Welt auch schlimm. Ausweg: Fehlanzeige. Macht aber nichts: „I don’t feel better when I’m fucking around/ And I don’t write better when I’m stuck in the ground/ So don’t teach me a lesson ’cause I’ve already learned.“

Ja, gelernt haben sie. Gelernt, sich treu zu bleiben und sich sachte weiterzuentwickeln. Sich sachte weiterzuentwickeln und sich dabei treu zu bleiben. Oder so. Einen Überhit bietet „First Impressions“ nicht, wird sich aber dank Expansion und Varianz (und einer Hand voll einfach guter Songs) behaupten. Prognose: Konsolidierung. Denn wie man’s auch dreht und wendet, die Strokes sind immer noch, Entschuldigung, verfickt gut darin, den Soundtrack einer verdreht-leeren Generation in einer leer-verdrehten Welt zu spielen. Mit Neocons hat das nichts zu tun, denn von „Werten“ kann hier kaum die Rede sein: „I know you hate to be impressed with someone else (…) But you know, trying to hold back on being an asshole helps.“

Passend ist auch die Artwork: außen schick und schwarz mit Nadelstreifen, innen opulent und eklektisch. Dekadent, futuristisch, dann wieder schick, urban und kaputt. Selten auch so viele Quellenverweise zu den im Booklet verbratenen Kunstwerken gelesen wie hier – wobei man auf Referenzen wie Lothar Quinte oder Günter Fruhtrunk erstmal kommen muss. Vielleicht schnell mal nach Bonn fahren und die Originale checken. Die hängen da bestimmt noch irgendwo. RENÉ HAMANN

The Strokes: „First Impressions of Earth“ (Virgin)