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zwischen den rillenAuthentizität vs. Humor im DeutschHop: Spax und Deichkind

Mission Konsolidierung abgeschlossen

„Alles relativ“ beginnt, wie ein HipHop-Album gefälligst zu beginnen hat: mit unvermeidlichem Bombast-Intro, Scratch-Demonstrationen, Geigen-Samples und verhallten Stimmen. Dann folgt einer Regierungserklärung ähnlich das grundsätzliche Stück des zweiten Albums von Spax: „Nachbarschafts MC“ ist Vergangenheitsbewältigung des Rappers aus Hannover, ist Selbstvergewisserung und Abgrenzung. Vom Beginn als Freestyler über die Flucht aus der Provinz bis zum Heute, da er andere „durch Wortwahl in die Knie zwingt“.

Es ist die ganz normale Biografie eines Rappers in Deutschland, Beweis für die Normalität von HipHop in Deutschland. Heutzutage muss man sich nicht mehr gegenüber den großen Brüdern auf der anderen Seite des Teichs positionieren, sondern innerhalb des breiten Spektrums DeutschHop. Dem Plattentitel verpflichtet sucht Spax den Mittelweg zwischen dem Underground, vom dem er weiterhin akzeptiert werden will, und den Chartsnotierungen, die er trotzdem gern mitnehmen möchte.

So entfaltet Spax das gesamte Arsenal: Vom Battle-Track „Pornostyle“ bis zur schabenden Turntable-Demonstration „Rock the Beat“. Vom Ich-hab-einen-Kumpel-Track „Waffenbrüder“, auf dem sich Spax und Afrob kernig umarmen, bis zur Rap-Ballade „Alles wird gut“, die nicht vor akustischem Gitarrenzupf zurückschreckt. Von der ungelenken Sozialkritik „Kidz“ bis zur jazzigen Liebeserklärung „Du hast den Style“.

Auch wenn weniger manchmal mehr gewesen wäre, auch wenn mancher Reim hölzern wirkt im Vergleich zu den Standards, die z. B. Samy von Dynamite Deluxe gesetzt hat – „Alles relativ“ ist eine Platte, auf der ein Rapper solide authentisch die Hosen runterlässt.

Deichkind haben da grundlegend anderes im Sinn. Authentizität ist hier keine Kategorie, bestenfalls eine Lachnummer. Trotzdem versuchen auch Deichkind auf ihrem Debüt „Bitte ziehen Sie durch ...“ fast denselben Spagat wie Spax. Das Trio aus Hamburg schielt sogar noch ein wenig unverhohlener auf den kommerziellen Erfolg und will es sich aber doch auf keinen Fall mit den Kumpels verderben.

Letzteren trägt man Rechnung mit trockenem Humor von der Küste und angekifften Hörspielsequenzen in der Tradition von Fischmob. Ein Sample von einem Schlepper auf der Reeperbahn, der unsere Helden mit „Susi, der Frau mit dem verschiebbaren Unterleib“ lockt, steht vor „Evergreens“, dem Stück über den aktuellen Stand im DeutschHop. Dort klagen Deichkind: „Die da oben wollen uns nicht in die Charts lassen.“ Aber das ist nur Koketterie, hat es die aktuelle Single „Bon Voyage“ mit dem flotten, von Nina gesungenen Refrain, doch aus dem Stand in die Top 20 geschafft. Und das verdientermaßen, denn nicht nur in diesem Track tuckern die Beats freundlich und haben die Raps ausreichend Fluss. DeutschRap ist hier ganz locker Pop, wie es die Hamburger Kollegen schon so oft vorgemacht haben.

Ein Fazit könnte also sein: Die Konsolidierungsphase ist erfolgreich abgeschlossen. „Wir machen Beats wie Dr. Dre und das nun auch mit blonden Haar’n“, rappen Deichkind, „rauchen Gras und trinken Gin, obwohl wir nie in Compton war’n.“ Eines vor allem zeigen diese beiden Platten: Dass HipHop in Deutschland mittlerweile auch durchschnittliche und halbgute HipHop-Alben verkraften kann, ohne dass gleich das ganze Genre in Frage gestellt wird. THOMAS WINKLER

Spax: „Alles relativ“ (University/ Universal)Deichkind: „Bitte ziehen Sie durch ...“ (Showdown/ WEA)

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