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zwischen den rillenStillleben mit Monolake und Jan Jelinek

Kalte Wasser sind elektronisch

Der See trägt den Namen Monolake. An seinen Ufern stehen futuristische Fabrikanlagen, einzig belebt vom Tun der Maschinen in ihrem Inneren. Röhren und Rohre führen in das Wasser des Sees, und riesige Generatoren brummen computergesteuert gleichmäßig vor sich hin. Metalle treffen aufeinander und erzeugen klangliche Räume in der Umgebung. Chromatische Flüssigkeiten schmelzen und zischen in hohen Temperaturen in den See. Der Monolake ist schwarz, bisweilen glitzert er metallisch. Die Sonne scheint nur selten durch die rötlich-grauen Wolken darüber.

Das Szenario ist bekannt: Mischanordnungen und Verschränkungen aus Natur und moderner Technologie in dieser oder ähnlicher Form gibt es häufig. Ein geläufiger Diskurs darüber lautet in etwa so: Moderne Technologie entgrenzt die „natürliche“ Natur, ja zerstört sogar binnen kurzer Zeit ihre uralte Geschichte und gleichzeitig unseren Lebensraum. Technologien erscheinen hier als das Böse der Moderne, die Natur als das Gute. So viel Wahres in diesem Diskurs auch enthalten sein mag, eines entgeht ihm mit strategischer Regelmäßigkeit: Er übersieht die kalte Schönheit, das beinahe Unwirkliche des Zusammengefügten, kurz das Geheimnisvolle an der Existenz dieser modernen Hybriden.

Was nun das Musikprojekt der zwei Berliner Computerspezialisten und Softwareentwickler Robert Henke und Gerhard Behles mit Namen Monolake betrifft, so beschwört ihre Musik fortwährend dunkel-schimmernde Bilder und kalte Geheimnisse herauf. Das mag auch an ihrem Namen liegen. Aber mehr noch: Jeder Ton auf „Gravity“ ist ein begehbarer Raum. Es ist nicht wirklich gemütlich in ihrer Welt, sie wirkt hypermodern und nahezu unbewohnbar. Selbst Wärme, so es sie denn gibt, wirkt wie die Illusion eines Computers.

Monolake sind stets, mindestens aber seit ihrer Zeit auf dem Label Chain Reaction, Protagonisten einer originären Version von Techno oder Dub gewesen. Und im Unterschied zu Projekten wie Rhythm and Sound oder Basic Channel erzeugt die Tiefe ihrer Sounds nicht Wohlbehagen, sondern kalten Schwindel, weil es während der Hörreise nirgends eine freundliche Idee zum Festhalten gibt. Das ist gut so, weil es so selten wie großartig ist. Den Monolake gibt es übrigens tatsächlich: Er ist ein bizarrer, fabrikfreier Salzsee, irgendwo im Westen der USA.

Auch die Musik des Berliners Jan Jelinek beherrscht die Atmosphäre und erfüllt sie ganz mit ihren Ideen. Nur ist es, wie noch im Falle Monolakes, nicht ohne weiteres möglich, einfache Assoziationen in Form von bildhaften Imaginationen zu konstruieren. Sein Album „loop-finding-jazz-records“ verbleibt im Abstrakten, die Sounds sind nicht übersetzbar in eine Sprache außerhalb von Musik. Darin ähnelt Jelineks neues Album seinen anderen Produktionen auf Klang Elektronik oder Source. Und darin ähnelt Jelineks Arbeit ferner musikalisch anverwandten Kölner Künstlern wie Olaf Dettinger oder Wolfgang Voigt. Bei Letzterem wären allerdings die düster-bildgewaltigen Deutsche-Wald-Epen zu subtrahieren, die er unter dem Namen Gas eine Zeit lang produziert hat.

Keine Bilder also, stattdessen eine freundliche Leichtigkeit des Schwebens durch eine Musik ohne Körper, wenngleich mit viel musikalischer Substanz: Jazzsequenzen aus den 60er- und 70er-Jahren hat Jelinek hier in lineare Sekundenloops geschnitten und mit Hilfe der Modulationsfunktion seines Samplers neu arrangiert. Nicht, dass man von den Originalen noch etwas erkennen könnte, doch wer weiß, ob ähnlich Schönes herausgekommen wäre, hätte er auf andere Quellen zurückgegriffen. Beim Hören von „loop-finding-jazz-records“ fühlt man sich wohl und wohler und wird im Sinne einer Zen-Übung mit der Zeit zu einem leeren Gefäß. Ruhe entsteht und bleibt.

MICHAEL SAAGER

Monolake: „Gravity“ (Imbalance/EFA) erscheint Ende JanuarJan Jelinek: „loop-finding-jazz-records“ (scape/EFA) erscheint: 2. 2.

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