zwischen den rillen: Der Mensch hinter der Maschine: Pan Sonic
Posthumane Sehnsucht
Die beiden Finnen Mika Vainio und Ilpo Vaisanen – nach der Kürzung ihres Projektnamens Pan Sonic um einen Buchstaben, um Verwechslungen mit einem bekannten Elektronikhersteller zu verhindern –, ironischerweise bekannter als zuvor, sind seit ihrem Erscheinen im Jahre 1994 der Destillation von Sound verpflichtet.
Auf der Suche nach der Essenz des Klanges, dem Wesen der ihm innewohnenden Daten, entfernen sich Pan Sonic so immer weiter von dem, was als ästhetisch motivierte Musik zu vertrauten Hörgewohnheiten kompatibel erscheint und Identifikationsmöglichkeiten bietet, weil sie zum Beispiel ein bekanntes Muster aufgreift und variiert.
Auch auf ihrem aktuellen Album „Aaltopiiri“ arbeiten die beiden Musiker daran, das menschliche Regulativ von Komposition und Interpretation hinter sich zu lassen und stattdessen die Sprache und die Melancholie der Maschinen zu erforschen und herauszustellen. Dabei geht es nur am Rande um Strukturen, sondern ganz zuvorderst um die Natur und die Reorganisation der im Klang verwobenen Texturen.
Der Gestus ist ein wissenschaftlicher, die Pose bei Live-Auftritten unterstreicht das Laborhafte: Pan Sonic spielen nicht, sie sezieren, extrahieren, filtrieren und halten die gewonnenen Substrate zweifelnd und manchmal mürrisch gegen das Licht, immer unzufrieden mit dem Ergebnis. Das Klangbild jedoch, oftmals als kalt und maschinenhaft empfunden, ist bei aller Abstraktion nichts weniger als klinisch.
Es ist der deduktive Nachweis des Menschen hinter dem Brummen und sanften Knattern der – teilweise eigens konstruierten – Geräte mittels eines Grooves, eines Grooves, der eben nicht berechnet wurde, sondern in seiner unbestritten befremdlichen Vitalität von den Musikern berichtet und seinen Ursprung hat in deren Interaktionen.
Eine Musik, die sich des reinen Klangs annimmt und den Beziehungen des produzierenden Menschen zu seinen Maschinen, betrachtet sich ununterbrochen selbst in immer neuen Posituren. Das selbstreflexive Moment bezieht sich bei Pan Sonic jedoch nicht ausschließlich auf die verwendeten Technologien und das mit ihnen einhergehende Angebot der Anonymität. Die Künstler zeichnen sich immer wieder im Spiegel nach und verstehen es dabei, durch die so entstehende Personalisierung, wie larviert auch immer sie auftreten mag, die Auflösung kompositorischer Dogmen und Strukturen mit einer immanenten Kauzigkeit zu beleben.
Das Resultat ist somit genuin als Pan Sonic zu identifizieren, und seine Signifikanten gehen weit über die Charakteristika verwendeter Instrumente hinaus. Transportiert es doch nicht nur die Explosionszeichnung einer analytisch orientierten Arbeitsweise, sondern auch eine wunderliche Form von Wärme und Emotionalität, die Vainio und Vaisanen allzu häufig abgesprochen wird.
Der Trost und das Gefühl des Suchens in dieser zweifellos kantigen Musik schaffen einen, wenn man so will, posthumanen Archetypen spiritueller Sehnsucht, der dem an sakraler Ästhetik und ihren Formeln sozialisierten Empfinden mitunter irritierende Anknüpfungspunkte bietet: So ist das granulierte Raunen der Maschinen plötzlich mit ähnlich düsterer Andacht und verhaltenem Pathos befrachtet wie das Schnaufen des Balges einer Kirchenorgel oder das Klappern ihrer Register. Ein Signal der Mechanik vom Entstehen des Klangs, sprich dem Vehikel der Botschaft, und somit unentbehrlich für ihre Verkündung, weil die Bedeutung gleich mitgeliefert wird.
Das ist so grüblerisch und ernst wie charmant – besonders wenn, wie in diesem Fall, das Vehikel selbst die Botschaft ist. Und die lautet eben nicht: Diene, bereue und halte dich in der Existenz zurück, sondern offeriert eine leer geräumte Landschaft zur Begrünung.
So kann Leben entstehen in einer von bekanntem Leben befreiten Umgebung, geschaffen von den Künstlern, die sich zu entfernen versuchen, und den HörerInnen, die ihren Platz als BedeutungsstifterInnen einnehmen und so eine schöpferische Symbiose mit dem Angebotenen eingehen. Ein fairer Tausch. ULF IMWIEHE
Pan Sonic „ Aaltopiiri (Mute/Connected)
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