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zwischen den rillenRammsteins neues Album „Mutter“

Herz am rechten Fleck

Wir wissen nicht, ob Rammstein stolz darauf sind, Deutsche zu sein. Wahrscheinlich aber sind sie ganz froh darüber, nicht in den USA zu leben. Dort, im Bundesstaat Massachusetts, wurden sie im Juni 1999 bei einem Konzert von der Bühne weg verhaftet, weil sich Sänger Till Lindenmann beim Titel „Bück dich“ wie gewohnt einen Plastikphallus umgeschnallt hatte, mit dem er den Bassisten Flake zu penetrieren versuchte, höhö. Die anwesende Ordnungsmacht fand das aber nicht so lustig und schickte die beiden Spaßvögel für eine Nacht hinter Gitter. Andere Länder, andere Sittenwächter.

Zu Hause dagegen können Rammstein ganz unbesorgt sein, dass man ihre frivolen Scherze falsch verstehen könnte, passen die sich doch nahtlos dem Niveau der privaten TV-Unterhaltung an. Hier zu Lande war es eher ihr Spiel mit Bildern, die unangenehm an die NS-Vergangenheit erinnerten, das Rammstein in die Kritik brachte.

Dankenswerterweise hat die Band diesmal davon abgesehen, zum Start ihres dritten Albums ein Stückchen weiter an der Provokationsschraube zu drehen. Natürlich, sie hätten die Single zu „Hier kommt die Sonne“ auch mit einem putzigen Video begleiten können, durch das spiegelverkehrte Hakenkreuze rollen – die Swastika, das altindische Sonnenrad, ist ja schließlich auch ein uraltes Glückssymbol, hätten sie dann mit Unschuldsmiene verkünden können.

Oder sie hätten zum Song „Mutter“ fröhliche BDM-Mädchen in gestärkten Kleidchen herumhüpfen lassen können – das hätte nicht weniger Sinn gemacht als damals die Idee, den Song „Stripped“ mit Bildern aus Leni Riefenstahls Olympia-Film zu unterlegen.

Es scheint aber, dass die Debatte um den „Stripped“-Clip, den MTV nicht senden wollte, an der Band nicht spurlos vorbeigegangen ist. Steter Tropfen höhlt offenbar auch den härtesten Rammstein. Ob es die Recken vom Prenzlauer Berg nun geschmerzt hat, in die rechte Ecke gerückt zu werden, oder sie Beifall von der falschen Seite bekommen haben, jedenfalls hat die Band auf ihrem neuen Album ein Bekenntnis versteckt: „Sie wollen mein Herz am rechten Fleck / doch seh’ ich dann nach unten weg / da schlägt es links zwo drei vier“, heißt es im Song „Links 2, 3, 4“. Und damit das Ganze nicht zu sehr nach einem Kotau aussieht, haben sie das Stück mit dem zackigen Klang von Schritten im Marschrhythmus unterlegt und mit Chören, die klingen, als würden sie aus einer Gruft rufen. Angeblich ist das Stück nun gerade deswegen wiederum in den USA in die Kontroverse geraten – dort versteht man ja nicht den Text, sondern hört in erster Linie auf die Musik.

Die aber ist auf „Mutter“ wie gehabt: Brachiale Metal-Arien deutscher Zunge, mal mit orchestralem Bombast garniert wie bei „Mein Herz brennt“, wo ein Geigen-Crescendo die Dramatik unterstreicht, mal von halb garen Gitarrensoli melodiös umkränzt. Das hat unbestreitbar seinen rustikalen Reiz, ist aber in seinem monotonen Furor auf Dauer etwas ermüdend.

Dafür haben die Texte, was groteske Überspitzung angeht, noch gewonnen: Mit ihren düsteren Schauermärchen gehen Rammstein diesmal endgültig bis an die Grenze der Selbstparodie und schrumpfen damit zum letztlich harmlosen Kinderschreck/-spaß. Gleich mehrere Stücke sind nach dem Muster des Abzählreims strukturiert. Und in „Mutter“ betreiben sie Zivilisationskritik aus der Perspektive eines Klons. Der, „gezeugt in Hast und ohne Samen“, hadert damit, nie an der warmen Mutterbrust genährt worden zu sein. Mit solcher Klage aber befinden sich Rammstein diesmal auf der sicheren Seite, macht man sich doch hier zu Lande mit der Warnung vor den Gefahren der Gentechnologie garantiert mehr Freunde als mit der Inszenierung von Inzestfantasien.

Rammstein und CDU-Generalsekretär Laurenz Meier haben vielleicht gemein, etwas salonfähig gemacht zu haben, was zuvor exklusiv dem rechten Rand zugerechnet wurde. Dass man heute Leni-Riefenstahl-Bildbände und -Kalender in jedem Kaufhaus erstehen kann, geht auch auf das Konto der Band.

Allerdings haben Rammstein, und das unterscheidet sie von Laurenz Meyer, die Formen von der Gesinnung entkoppelt und damit signalisiert: Alles nur Theaterdonner. Damit haben sie nicht zuletzt all denen eine lange Nase gedreht, die in ihnen die ästhetische Avantgarde eines rechten Aufbruchs zu erkennen glaubten. Ein rollendes R ist eben ein rollendes R, nicht mehr. Die Zeichen sind leer. Die Kulturkämpfer von der Jungen Freiheit haben sich wohl zu früh gefreut. DANIEL BAX

Rammstein: „Mutter“ (Motor)

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