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Archiv-Artikel

zugeschaut Als Moby Dick den Rhein erkundete

Dreckig war der Rhein, voller Gift, Schwermetallen, Säuren. In diese Kloake verirrte sich 1966 ein Beluga. Vier Wochen lang war der weiße Wal das Topthema in den Nachrichten, an den Flussufern drängten sich die Menschen, um das Unglaubliche mit eigenen Augen zu sehen. An dieses Ereignis erinnert der Film „Der Weiße Wal – Moby Dicks Abenteuer im Rhein“ aus der Kölner „Lichtblick“-Werkstatt.

Er ist eine Montage aus Fakten (historischen Aufnahmen und Zeitzeugen-Interviews) und Fiktion („nachgedrehten“ Handlungsszenen). Da sehen wir den Wal – schwarzweiß – im Duisburger Hafen und anschließend – in Farbe – unter holländische Hausboote tauchen. Ein alter TV-Nachrichtenbeitrag das eine, das andere eine erst vor kurzem an der Westküste Kanadas gedreht Sequenz, wo die Belugas überaus menschennah leben. Der Wal im Rhein – „Moby Dick“ hatte ihn die deutsche, „Willie“ die holländische Presse getauft – war allerdings nicht so zutraulich. Kein Wunder, machte doch der Duisburger Zoodirektor Manfred Gewalt mit einem Betäubungsgewehr Jagd auf ihn.

Doch zum „Abschuss“ kam es nicht. Plötzlich entdeckte die Öffentlichkeit ihre Tierliebe: Der Wal durfte nicht gefangen werden – die Holländer hatten dies schon vorher entschieden. „Free Moby“ hätte das Motto sein können, wären Wale damals schon so populär gewesen wie heute. Es ist vielleicht etwas hoch gegriffen, wenn die Odyssee durch den Rhein zur Geburtsstunde der Ökobewegung erklärt wird – aber warum nicht? Die Delfinarien, damals der letzte Schrei in der Unterhaltungsindustrie, gerieten jedenfalls bald in die Kritik der Tierschützer. Das hatte Süßwasser-Großwildjäger Gewalt sicher nicht im Sinn gehabt.

Gelungen ist ein liebevoll gestaltetes Stück Zeitgeschichte, begleitet von der sanften Erzählstimme Joachim Króls. Am „Ziel“ war Moby Dick übrigens am 13. Juni. Da erreichte er Bonn, brachte eine Bundespressekonferenz über die Nato-Politik zum Platzen – und machte kehrt. Drei Tage später war er zurück in der Nordsee, wo ihn Wochen zuvor, so behauptet der Film, ein Sturm aus dem Transportbassin eines Frachters befreit hatte. Der sollte den in Kanada gefangenen Säuger in ein englisches Delfinarium bringen. JÜRGEN SCHÖN

Bis Ende März jeden Sonntag, 12.30 Uhr, im Odeon, Severinstr. 81