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zoologie der sportlerartenPROF. HOLGER HIRSCH-WURZ über den Footballspieler

Grober Klotz mit Käsehut

Wenn der Homo superbolicus großes Pech hat, dreht Oliver Stone einen Film über ihn. Wenn er ganz großes Pech hat, muss er in die NFL Europe. Für einen jungen Betreiber des American-Football-Sports stellt sich der Trip in die Alte Welt etwa so dar, als würde man Michael Ballack für einen Sommer als Praktikanten auf die Färöer Inseln senden, Sebastian Deisler bei Hertha BSC kicken lassen oder einen Lothar Matthäus auf den Mond schießen. Da würde dieser dann sicher schwärmen, dass „hier droben das Leben 656 Stunden am Tag pulsiert“, dass Maren sich schon bestens mit dem Mann im Mond angefreundet habe und man am Mare Tranquillitatis ganz vorzüglich joggen könne. So ähnlich reden die verstoßenen Footballcracks im Übrigen auch von Europa, doch man sieht ihnen deutlich an, was sie in Wahrheit meinen: „Hier sieht’s ja schlimmer aus als in einem Oliver-Stone-Film.“

Wenn der Homo superbolicus etwas mehr Glück hat, darf er in die National Football League (NFL), wo er aber auch der Gelackmeierte ist. Obwohl er doch gemeinhin kaum zu übersehen ist, wissen nicht mal seine Nachbarn, dass er ein berühmter Sportler ist, weil er ja im Dienst ständig diesen albernen Helm trägt. Allenfalls halten sie ihn für einen Wrestler und wechseln den Bürgersteig, sobald sie ihn von weitem erblicken. Wenn er nicht gerade ein solcher Superstar ist, dass er im Fernsehen Autos oder Fast Food verkaufen, helmfrei auf dem Cover von Sports Illustrated posieren oder in einem Oliver-Stone-Film mitspielen darf, erkennt ihn auf der Straße keine Sau und er muss schon ein paar Verbrechen begehen, damit die Leute auf ihn aufmerksam werden.

Kommt der Homo superbolicus aus Dallas, feiert er gern wilde Parties, pflegt ein freundschaftliches Verhältnis zu allen Arten von Drogen, haut das Trainingslager zu Klump und wird im Auftrag seines Teams von Detektiven überwacht, was kompletter Unsinn ist, weil ohnehin alles in der Zeitung steht, was er tut. Kommt er aus Wisconsin, muss er sich einen Käsehut aufsetzen und friert sich so gottserbärmlich den Arsch ab wie Michael Ballack auf den Färöer Inseln.

Ist der Footballspieler besonders berühmt, darf er nach Beendigung seiner Karriere sogar in Filmen mitspielen, die nicht von Oliver Stone sind, es sei denn er begeht Doppelmorde oder hat so wenig schauspielerisches Talent wie Joe Montana oder John Elway. Dann wird er entweder Trainer und sieht irgendwann aus wie Al Pacino, wird Fernsehbesserwisser und sieht irgendwann aus wie Günter Netzer oder Teambesitzer und sieht nie aus wie Cameron Diaz.

Der Homo superbolicus magistralis, auch Coach genannt, hat ein prima Leben, weil er die ganze Zeit Leute herumscheuchen kann, die doppelt so groß sind wie er und ihn an jedem anderen Ort in der Pfeife rauchen würden. Unangenehm wird es nur, wenn er irgendeine der nach diversen Bundesstaaten oder Farben benannten Bowls gewinnt. Dann übergießen ihn seine Spieler nämlich hinterrücks mit Eiswasser, was immer noch besser ist, als von Giovane Elber in Weißbier gebadet zu werden. Wenn er die Superbowl gewinnt, wird der Homo superbolicus magistralis unsterblich, sofern er die Eisdusche überlebt.

Außer dem magistralis unterscheidet man im wesentlichen zwei Unterformen des Homo superbolicus, den Homo superbolicus crassus und den Homo superbolicus spindlicus. Ersterer ist dazu da, anderen Leuten blöd im Weg herumzustehen, Letzterer muss rennen, was die Beine hergeben, weil er sich sonst sehr bald vorkommt wie eine Schneeflocke, die in einen Hagelschauer geraten ist. Seine Freizeit verbringt er damit, alte indianische Stammestänze einzuüben, für den Fall, dass ihm mal ein Touchdown gelingt.

Die Krone der Superbolicus-Schöpfung ist jedoch der Homo superbolicus machiavellensis, der Mann mit dem starken Arm und dem strategischen Blick, Objekt der Begierde feindlicher Kolosse, potenzieller Held und regelmäßiger Sündenbock: der Quarterback. Von ihm hängt das Wohl und Wehe seiner Mannschaft ab. Wenn seine Pässe wie an der Schnur gezogen durch die Lüfte schweben, um dann weich in den Armen des Spindlicus zu landen, liegt ihm die Football-Welt zu Füßen. Wenn nicht, kann er sein footballerisches Testament machen. Dann nämlich muss er in die NFL Europe.

(Wissenschaftliche Mitarbeit:

MATTI LIESKE )

Autorenhinweis:Hirsch-Wurz, 63, ist ordentlicher Professor für Human-Zoologie am Institut für Bewegungs-Exzentrik in Göttingen.

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