zehn jahre taz-geschichte in nordrhein-westfalen – die serie. folge 8: 2004 – jugendliche blüte : Al-wahl-award ist kein muslimischer Prediger
Der Höhepunkt der jungen täglichen taz nrw wird mit Mettbrötchen gefeiert. Gut ein Jahr lang dürfen sich die Schreiber in Bochum und Köln als geduldete und regulär bezahlte Adoptivkinder eines überregionalen Hauptstadtblatts fühlen, da bekommen sie ihren ersten (und bislang einzigen) Preis überreicht. Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte und Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) überreichen der Redaktion ein schwungvoll gebogenes Metallkreuz für die beste Berichterstattung über die NRW-Kommunalwahl. Der „Kommunalwahlaward“, intern zärtlich Al-wahl-award getauft, bekommt einen Ehrenplatz in der Bochumer Kortumstraße.
Der Wahlkampf in den Städten bestimmt das erste Jahr der täglichen taz nrw mit ihren Regionalfenstern für das Ruhrgebiet und Köln. Nach der bitteren Erkenntnis, dass der Einfluss einer NRW-Redaktion auf die Außenpolitik einer Bundesregierung doch eher begrenzt ist, stellen die Redakteure nun fest, dass sie wenigstens in Rathäusern Angst und Schrecken verbreiten können. Lustiger ist das auch: Die Klüngler, Sonnenkönige und Schrebergartenhändeschüttler vor Ort beleidigen sich unter der Gürtellinie, zerren die Affären der Gegner hervor und bestechen mit Amateur-Kampagnen. Die taz nrw berichtet darüber und wagt in einer Serie Prognosen für den Wahlausgang: 22 von 31 treffen zu, Holger Paulers Meister-Yoda-Orakel-Aussagen wie „keiner weiß“ mit eingerechnet.
Auch sonst freuen sich die Redakteure, täglich Platz zum Spielen zu haben: Geschrieben wird über irische Wanderarbeiter, münsterländische Beistellpferde und den Opa von Friedrich Merz – Hauptsache, es macht Spaß. Aus Kollegen werden spätestens jetzt Freunde. Erst zum Jahresende verwelkt die jugendliche Blüte, eine neue Ernsthaftigkeit zieht ein: In Bochum streiken nicht nur die Opel-Arbeiter gegen Sparpläne, auch die taz nrw gerät unter ökonomischen Druck. Die Geschäftsführung fordert 1.000 Abos bis zum kommenden Sommer. Von Winteranfang an beginnt der bis heute andauernde Überlebenskampf. So viel gelacht wie im Jahr 2004 wird nie mehr. KLAUS JANSEN