zehn jahre taz-geschichte in nordrhein-westfalen – die serie. folge 6: das jahr 2002 – die „süddeutsche“ : Nachmacher und Vorgänger
Journalisten interessieren sich manisch dafür, wer eine Geschichte zuerst hatte. Dabei ist das oft kaum zu beantworten und dem Leser ohnehin egal, außer er handelt an Terminbörsen. Als die Süddeutsche Zeitung 2002 mit mächtigem PR-Donner ihre achtseitige NRW-Ausgabe startete, gab sie sich als überregionaler „Entdecker“ aus, der jetzt die Zeitungsprovinz aufmischen werde. Dass die rund 25-köpfige SZ-Truppe dabei in die Fußstapfen der taz an Rhein und Ruhr trat, war keine Randnotiz wert. Ob der Süddeutsche Verlag das größte Bundesland überhaupt ohne die taz-Versuche hätte erobern wollen, sei auch mal dahin gestellt.
Mit ähnlich großen Worten hatte die SZ ihr neues Projekt aber schon im Vorfeld in der Medienszene angepriesen. Und 2001/2002 wird es kaum einen Print-Schreiber im Land gegeben haben, der nicht mit den Hufen scharrte. Auch bei den tazlern in NRW rührte sich was. Redaktionsleiter wollten lieber für die Süddeutsche arbeiten, taz-Autoren wechselten. Logisch: Die SZ zahlte das dreifache, die taz nrw-Wochenausgabe musste oft um Honorarstundung bitten.
Ein übermächtiger Konkurrent, gute Leute weg, eine unklare Zukunft? Anfang 2002 war die Lage ziemlich finster. Erst viel später wurde klar: Ohne den Start der SZ in NRW hätte es die Tagesausgabe der taz nrw wohl nicht gegeben. Verlag und Team der SZ erkundeten für die Qualitätspresse ein neues Nachrichtengebiet, sie zeigten, dass Landespolitik jeden Tag genug spannenden Zeitungsstoff hergibt, dass Nordrhein-Westfalen ein landesweites Feuilleton gut tut und eine hintergründige Sportberichterstattung. Und so entstand ein neuer Zeitungsmarkt – auch für die Konkurrenz, auch für die taz. Die Berliner Zentrale begann jedenfalls kräftig zu grübeln: Wenn die Süddeutsche Zeitung Millionen in die Hand nimmt, um an Rhein und Ruhr zu punkten, muss doch was dran sein an der total verrückten Idee einer Expansion im Westen.
Dass das süddeutsche Experiment freilich nur 14 Monate hielt, dass Vertriebskosten und Anzeigengeschäft die Bayern zu einem vorschnellen Rückzug zwangen, das wusste 2002 noch niemand. Für die taz war es besser so.CHRISTOPH SCHURIAN