zahl der woche : Euro-Anstieg macht Einsparungen der Agenda 2010 zunichte
13 Milliarden Euro
Werden die Sozialleistungen nicht gekürzt, geht Deutschland quasi unter. Stimmt nicht? Aber zumindest sinken wir auf den Rang eines Entwicklungslands herab. Mit diesem lärmenden Credo verteidigt die Bundesregierung ihre Agenda 2010.
Zum Glück steigt seit Monaten der Wert des Euro gegenüber dem Dollar. Zeigt diese Entwicklung doch, dass es Dinge unter der Sonne gibt, die eine größere Auswirkung auf unsere Ökonomie haben, als ein Prozent Beitragssenkung in der Krankenversicherung. Dass Wechselkursschwankungen erhebliche Probleme für die Unternehmen mit sich bringen, hat jetzt auch Agenda-2010-Kanzler Gerhard Schröder gemerkt. Bei US-Präsident George W. Bush wirbt er in diesen Tagen für die Stabilisierung der Differenz zwischen dem abwertenden Dollar und dem aufwertenden Euro.
Vielleicht hätte man schon früher ein paar Überlegungen anstellen können. Ökonom Peter Bofinger, frisch berufener Wirtschaftsberater der Bundesregierung, hat gerade eine kleine Rechnung angestellt, die die Auswirkungen des Euroanstiegs mit den Einspareffekten der Gesundheitsreform vergleicht. Das schlichte Ergebnis: Was die Gesundheitsreform den Unternehmen zwischen 2004 und 2007 an Einsparungen bringt, hat der Euroanstieg allein im Dezember 2003 zunichte gemacht. Es geht um eine Größenordnung von 13 Milliarden Euro.
Die Rechnung am Beispiel des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland verläuft so: Angesichts von Personalkosten der Industriebetriebe von rund 300 Milliarden Euro (2001) bringt die von Rot-Grün angepeilte Beitragssenkung in der Krankenversicherung von heute 14,3 auf 12 Prozent zwischen 2004 und 2007 eine Kostensenkung von rund 13 Milliarden Euro. Demgegenüber stehen die zusätzlichen Kosten, die der Euroanstieg zum Beispiel zwischen dem 1. und 31. Dezember 2003 verursacht hat. In dieser Zeit nahm der Wert des Euro um rund 6 Cent gegenüber dem Dollar zu. Die Industriebetriebe reagieren darauf, indem sie ihre Europreise senken, was ihren Gewinn schmälert. Und schon ist die segensreiche Wirkung der Gesundheitsreform dahin.
Wirtschaftsweiser Bofinger zieht daraus die Konsequenz, dass sich die Bundesregierung um die wichtigen Dinge kümmern sollte. Ganz entscheidend sei es den Wechselkurs im Griff zu behalten. HANNES KOCH