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zahl der wocheOzonalarm – war da was?

Dicke Luft wird dünner

Manchmal zeigt sich der Fortschritt in dem, was fehlt. In der rot-grünen Koalitionsvereinbarung zum Beispiel sucht man das Wort „Ozon“ vergeblich. Noch vor vier Jahren hatten SPD und Grüne geplant, die Sommersmogverordnung zu überarbeiten. Das scheiterte am Widerstand des SPD-geführten Verkehrsressorts. Und trotzdem sind die Tage, an denen die Ozonbelastung der Luft den „Informationswert“ von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschreitet, deutlich zurückgegangen: An nur 28 Tagen gab es in diesem Sommer Alarm.

Als die erste Koalition geschlossen wurde, waren es noch 32 Tage. Und vor zehn Jahren rieten die Behörden noch an 82 Tagen im Jahr, das Auto in der Garage zu lassen, Kinder zu Hause einzusperren und aufs abendliche Joggen zu verzichten.

Inzwischen hat sich viel verändert: Immer mehr Autos haben einen geregelten Katalysator, die Industrie hat ihre Produktion teilweise umgestellt. In Deutschland wurden nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) die Vorläufersubstanzen für den Sommersmog drastisch reduziert: Der Ausstoß an Stickoxiden nahm in den 90er-Jahren um 40 Prozent ab, die Emission von flüchtigen organischen Verbindungen sogar um 50 Prozent. Eine Erfolgsgeschichte des technischen Umweltschutzes.

Auch in ganz Europa ist das Thema Ozonsmog relativ entschärft. Zwar wurde der 180-Mikrogramm-Wert an drei von vier Tagen in diesem Jahr irgendwo in Europa überschritten, verkündet die Europäische Umweltagentur EEA in einem aktuellen Bericht. Vor allem in Griechenland, Frankreich, Italien und Spanien gab es zahlreiche Ausreißer: Heiße Sommer und weniger Katalysatorautos sind dafür verantwortlich. Doch die Übersicht aus 1.718 Ozonmessstationen zeige einen deutlichen Trend: Die kurzfristigen hohen Belastungen mit dem Reizgas Ozon, das die menschlichen Lungen und das Wachstum von Pflanzen angreifen kann, nehmen ab.

Dafür aber steigt die mittlere Ozonkonzentration in der Luft leicht an.

Das heißt: Es gibt zwar weniger Ozonalarm, aber der permanente Sockelgehalt von Ozon in der Luft wird von Jahr zu Jahr höher. Eine Gesundheitsgefährung sei das nicht, beruhigt das UBA. Aber natürlich würden von einem steigenden Sockel aus die kritischen Grenzwerte eher erreicht.

Böser Bube ist wieder einmal der Verkehr. So ist zwar der Ozonausstoß pro Motor gesunken, aber weil die Kraftwagen mehr Kilometer zurücklegen, sinkt ihr Ausstoß nicht in dem Ausmaß, wie es sein könnte. Und vor allem die Motorräder knattern die Luft mit Ozonvorläufern voll: Die kleine Motorradflotte stößt europaweit so viel Schadstoffe aus wie alle Autos zusammen. BERNHARD PÖTTER

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