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young british art, Zero Tolerance, etc.Sag Nein zum Schwein

■ Hängen oder nicht hängen: New York streitet über junge britische Kunst und Chris Ofilis Heilige Jungfrau im Elefantendung

Rudolph Giuliani ist ein ehrenwerter Mann. Als Republikaner ist er 1993 zum Bürgermeister der Stadt New York gewählt worden. Und als Bürgermeister hat Giuliani den Time Square von Drogen gesäubert, auf allen U-Bahnhöfen Sicherheitspolizisten eingesetzt und mit seiner Politik der „Zero Tolerance“ New York zu einer der sichersten Großstädte der USA gemacht.

Nach seinem Amtsantritt wurde am 1. Januar 1994 das öffentliche Verteilen von Kondomen zur Aids-Prävention an allen höheren und weiterführenden Schulen New Yorks verboten, weil sonst die verfassungsmäßigen Aufsichtsrechte der Eltern über ihre minderjährigen Kinder – gemeint sind 16- bis 18-jährige! – unterlaufen würden. Danach wurde die Zahl der Lehrer in sozial schwachen Vierteln reduziert, weil man sich die Ausbildung nicht mehr leisten könne. Außerdem ließ Giuliani den Bau neuer Schulen stoppen und die Sozialämter über Nacht schließen, damit dort keine Obdachlosen mehr schlafen konnten. Und zum Januar 1995 ließ der Bürgermeister ein Rauchverbot in allen New Yorker Restaurants mit über 35 Sitzplätzen erteilen, weil Passivrauchen Menschenleben zerstört – denn Rudolph Giuliani ist ein ehrenwerter Mann.

Die britische Kunst der Neunzigerjahre will die Menschheit schockieren. Damien Hirst zerlegt Schweine und Kühe, weil sich ein Künstler auf Gewalt einlassen muss, wenn er „mitten im Leben steht“. Danach stellte er leere Pillenschachteln in Vitrinen aus, um zu zeigen, wie traurig es ist, dass man als Künstler doch „kein Leben in tote Objekte bringen kann“. Mit toten Kühen und Pillen wurde Hirst zum berühmtesten Künstler der Neunzigerjahre, sodass er inzwischen ein nobles Restaurant in der Londoner City betreiben kann. Auch Damien Hirst ist offenbar ein ehrenwerter Mann.

Jetzt sind die beiden Männer schwer aneinander geraten. Nachdem das Brooklyn Museum die Wanderausstellung „sensation“ mit young british artists – darunter auch Hirst mit seinen zerlegten Tieren – übernehmen wollte, hat Giuliani dem Direktor des Hauses gedroht: Wenn „sensation“ nach New York kommt, wird er dem Brooklyn Museum die Unterstützung von jährlich sieben Millionen Dollar streichen. Dann könnte die Institution dichtmachen.

Das größte Ärgernis ist für Giuliani allerdings gar nicht die Kadaverliebe von Hirst, sondern Chris Ofilis Porträt der Jungfrau Maria, das er mit Elefantendung verziert hat. Giuliani findet diesen Umgang mit der heiligen Mutter „krank“, und sieht darin eine „Verhöhnung von Religion“. Hirst nahm seinen ehemaligen Studienkameraden Ofili dagegen in Schutz und klagte in einer extra anberaumten BBC-Radiosendung das „Recht auf freie Meinungsäußerung“ ein.

Arnold L. Lehman, der Direktor der inkriminierten Institution wiederum würde dem Bürgermeister gern erklären, dass Ofili, dessen Eltern aus Nigeria stammen, selbst katholisch ist und durch afrikanische Traditionen, in denen Dung als Symbol der Erneuerung gilt, beeinflusst wurde. Dass Lehmans Haus zwar eine Sammlung von Weltklasseniveau, aber normalerweise nur wenige Besucher hat, macht ihn nicht unbedingt zu einem unehrenwerten Mann.

Ob die für den 2. Oktober angesetzte Ausstellung geschlossen wird, ist noch unklar. Zur Not will Giuliani die Absage per Erlass durchsetzen. Dann dürfte er allerdings mit Charles Saatchi ins Gehege kommen, der den größten Teil der beteiligten Künstler von „sensation“ sammelt und für den die Präsentation in New York eine Wertsteigerung seiner Kollektion darstellt. Man kann davon ausgehen, dass sich Giuliani mit seinen abfälligen Äußerungen zur Kunst vor der anstehenden Bürgermeisterwahl nicht unbedingt Freunde unter den Vorstandsmitgliedern und Förderkreisen der diversen Museen bis hin zum Museum of Modern Art machen wird. Und auch die angeschlossene Galerieszene dürfte Probleme mit der „Zero Tolerance“ in Sachen Kunst haben. Für sie gilt nämlich der sammelnde Werbemillionär Saatchi als ein ehrenwerter Mann. Harald Fricke

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