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wortwechselIm Bann des Pixelbesens – Fluch des Kapitalismus?

Werden Kinder und Jugendliche flächendeckend blöde, süchtig und „anti-social“ durch die sozialen Medien? Australien versucht das Verbotsexperiment. Sind wir Zauberlehrlinge?

Drei 11-jährige Australier mit ihren Handys vor der Schule. Zu einem Social-Media-Account haben sie jetzt keinen Zugang mehr. Zum Internet schon Foto: Rick Rycroft/ap/dpa

„Australien: Weltweit erstes Social-Media-Verbot für Jugendliche. Tiktok, Instagram und Co sind in Australien ab jetzt für alle unter 16 Jahren tabu“,

taz vom 9. 12. 25

Australiens Verbotszone

Das ist enorm realitätsfern. Ein Verbot macht’s doch erst richtig reizvoll!

taz forum

Halten die Australier ihre Kinder für so dumm, den Schutz nicht umgehen zu können? Das Verbot wird die Kreativität der Kinder enorm steigern und zahlreiche Umgehungsmechanismen erschaffen. Ob das dann besser ist? taz forum

Es gibt einen signifikanten Anstieg depressiver Symptome und Angststörungen, messbare Einschränkungen in Aufmerksamkeitssteuerung, Exekutivfunktionen und kognitiver Verarbeitung. Social Media fungieren nicht nur als Freizeitmedium, sondern als Kerninstrument sozialer Interaktion. Entsprechend hoch ist das Abhängigkeitspotenzial. taz forum

Wir bräuchten auch in Deutschland längst schon neben dem Internet ein Kindernet, das Kinder und Jugendliche vor dem unglaublichen Müll und Hass des Internets schützt. taz forum

Irgendwo las ich, dass die Millionäre im Silicon Valley allesamt ihren Kindern Handy- und Internetverbot verpassen und mit denen lieber töpfern. taz forum

Und die Realität? Ein 14-Jähriger fährt mal eben 500 km in die nächste Stadt? Seine homophoben Eltern bringen ihn dort in den queeren Jugendclub? Australien ist riesig und sehr dünn besiedelt! Das ist in Deutschland oft schon schwer bis unmöglich, auf dem Land in Australien ist es sehr oft unmöglich! taz forum

Die „sozialen“ Medien üben einen extremen Druck auf Jugendliche aus, sich selbst darzustellen. Sie werden Tag und Nacht damit konfrontiert, wer wann was Tolles gekauft, gemacht oder gesehen hat. taz forum

Ich sehe so oft in Bus und Bahn, wie Kinder neben den Eltern sitzen, erzählen und neugierig sind – während die Erwachsenen stumm auf ihr Handy starren. taz forum

Es ist wirklich gerade für queere Jugend­liche oder diejenigen, die ihr Haus aufgrund einer Erkrankung nicht verlassen können, unglaublich wichtig, andere Menschen wie sie (über Social Media) kennenzulernen. taz forum

Ich bin gespannt auf die Auswirkungen dieses Gesetzes. Es geht ausschließlich um Social Media. Jeder kann sich auch weiterhin mit anderen Menschen online austauschen. taz forum

„Social-Media-Verbot für Jugendliche: Australiens Experiment an Heranwachsenden“, taz vom 10. 12. 25

Australien hat kein Experiment an Jugendlichen unternommen. Australien hat ein Experiment an Jugendlichen beendet. taz forum

Die größte kognitive Herausforderung in der emotionalen Reifeentwicklung besteht mittlerweile darin, den richtigen Emoji auszusuchen. Die Kids sind nicht mehr in der Lage, ein Gespräch zu führen, abseits von Medien miteinander in Kommunikation zu treten! Sie wissen schlicht nicht, wie das geht! In Anbetracht dessen ist die Meinung des Autors befremdlich. taz forum

Tatsächlich sind Milliarden Kinder und Jugendliche den Technologien des digitalen Kapitalismus ausgeliefert worden, weil man damit sehr viel Geld verdienen kann. taz forum

Ein Verbot drängt die User nur in die Grauzonen, denn „offline“ ist heutzutage unter sozialen Aspekten unter Jugendlichen gleichzusetzen mit „Outsider“.

taz forum

Was macht Norwegen?

In vielen Familien hier in Norwegen gehört Social Media längst zum Familienalltag dazu. Über sie werden Veranstaltungen der Kinder koordiniert und der Alltag organisiert. Meine Frau und ich nutzen die selben Chatgruppen wie unsere Kinder, um uns mit den Eltern der Freundinnen unserer Töchter auszutauschen. Das machen viele Familien hier. Und obwohl Norwegen eines der strengsten Social-­Media-Gesetze in Europa hat und der Zugang erst ab 13 Jahren erlaubt ist, nutzen 72 Prozent der Elfjährigen dieses Medium und zwar aus genau diesen Organisations­gründen meist auf Wunsch der Eltern. Gleichzeitig nehmen die meisten Eltern hier aber auch ihre Erziehungspflicht wahr und sichern die Smartphones ihrer Kinder entsprechend ab. taz forum

Man kann alle Verantwortung aufs Individuum delegieren oder in diesem Fall auf die Eltern und dann hoffen, dass sich alle vernünftig verhalten. Wie gut das klappt, sehen wir beim Klima. taz forum

Wir beobachten in den Schulen extreme Veränderungen. Bei jeder Klassenfahrt ist es Thema, dass bei Snapchat Flammen abreißen, wenn das Gerät nicht „mit darf“. Die Kinder chatten die Nacht durch, mit oft mehr als der Hälfte einer Klasse online nach Mitternacht. Jeden Tag. Möglichkeiten mit Bildern und Videos Geld oder Geschenkkarten zu verdienen, werden offen schon in den untersten Klassen der Mittelstufe geteilt.

Eltern stehen hilflos vor globalen Konzernen, während ihre Kinder verkorksen, verrohen, psychisch an den Abgrund geraten. taz forum

Was macht China?

China hat ein System eingeführt, das Geräte und Apps verpflichtend mit einem Altersschutzmodus („minor mode“) ausstattet. Dieser begrenzt die täglich erlaubte Nutzungsdauer. Unter 8 Jahren: 40 Minuten pro Tag. 8–15 Jahre: 1 Stunde pro Tag. 16–17 Jahre: 2 Stunden pro Tag:

Nutzungszeitraum: Kein Zugang zwischen 22:00 – 06:00 Uhr (Nacht-Blockierung) Name ist der Redaktion bekannt

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