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wortwechselIm Rausch der Milliarden – Aufrüstung spaltet SPD

Ende Juni muss sich der SPD-Parteitag mit dem „Manifest“ des linken Flügels befassen. Parteispitze? Beleidigt. Zu spät für Grundsatzdiskussion der beispiellosen Aufrüstung?

15. Juni 2025, Berlin, rund um das Reichstagsgebäude: Erster Nationaler Veteranentag … Foto: Fabian Sommer/dpa

Abwertung der Kritik

Ein Manifest der Realitäts­verweigerung, taz vom 12. 6. 25

Die Autorin des Kommentars meint, bei dem Grundsatzpapier handele es sich „in Wahrheit um ein zynisches Putinverstehermanifest, das die derzeitige Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung und der eigenen Parteispitze infrage“ stelle. Das Manifest verhöhne die Menschen in der Ukraine und bedrohe die Sicherheit Deutschlands und Europas. Jeder müsse verstehen, dass Putins imperialistisches Russland dringend gestoppt und zu einem Frieden gezwungen werden müsse. Sie schreibt, die Ostpolitik Willy Brandts habe dazu beigetragen, „autoritäre Regime in Osteuropa zu stabilisieren“, und „den Grundstein für eine Energieabhängigkeit“ gelegt. Aber wie sollen die Milliarden, die heute schon für Kriegsgerät bereitgestellt werden, Frieden schaffen? Sie gefährden schon heute den Spielraum für eine friedliche, zukunftsfähige Weltordnung. Eine unaufgeregte, objektive, sachliche Diskussion ist längst überfällig. Maria Gubisch, Gelnhausen

Was ist denn jetzt los? Artikel, die dem Manifest „zynische Putinversteherei“, „Verhöhnung der Menschen in der Ukraine“ und Beihilfe zu staatlicher Aggression vorwerfen? Wenn das so weitergeht, seid ihr mich los. Peter Bethke, Eutin

Man kann sehr unterschiedliche Meinungen über das „Manifest“ haben – und es gibt sie ja auch in der taz. Aber die Unterzeichner als „zynische Putinversteher“ zu titulieren oder zu denunzieren, dafür wurde die taz nicht gegründet …

Hans-Jörg Stiehler, Leipzig

SPD spielt Platzhirsch?

Kritik ist kein Verrat“,

taz vom 12. 6. 25

Danke für diesen Kommentar! Natürlich sind die Autoren des Manifests keine blinden Idealisten. Sie haben den Mut, die SPD an ihre frühere friedenspolitische Orientierung zu erinnern und die Bedeutung der Friedensidee in das gesellschaftliche Bewusstsein zu heben. Jenseits der aktuell begründeten Entscheidung, der Ukraine gegen einen bösartigen Angreifer beizustehen und sich selbst für einen Ernstfall zu wappnen, ist es für die Zukunft wesentlich, sich um Wege und Möglichkeiten der Friedensbildung zu bemühen. Die Vorstellung, nur Waffen könnten uns retten, ist eine Selbsthypnose, die in einen Teufelskreis führt. Um echten Frieden zu gewinnen, müssen wir uns um deeskalierende Wege bemühen. Solche gewagt zu haben, machte wenigstens in Europa ein Ende des Kalten Krieges möglich.

Eberhard Rumpf, Burgdorf

In den Kommentaren sehe ich eine Ansammlung von schlichten Weltbildern. Wenn man Putin auf dem Schlachtfeld bekämpfen will, muss man in den Krieg ziehen und nicht nur den Krieg am laufen halten und zynisch den UkrainerInnen und jungen russischen Soldaten beim Sterben zusehen. Wenn man die bereits in Gang gesetzte Eskalationsspirale von Aufrüstung, Drohungen und Autoritarismus (auch bei uns) noch aufhalten will, muss man immer auch an alternativen Lösungswegen arbeiten. Das Argument realpolitischer Verantwortung war schon immer Mittel von MachtpolitikerInnen, ihren Grausamkeiten einen Anstrich von Notwendigkeit zu geben. Forum taz.de

Ich würde eher sagen das es hier um verletzte Egos geht. Forum taz.de

Es ist ziemlich daneben, die Intervention in Yugoslawien gleichzusetzen mit dem Bush-Krieg im Irak. Ich bin kein Schröder-Freund, aber seine Entscheidung, sich nicht an dem Irak-Abenteuer neben USA und UK zu beteiligen, war richtig. Ebenso richtig war es, in Yugoslawien einzuschreiten, leider zu spät und zu unentschlossen, um das Massaker von Srebrenica zu verhindern. Die Intervention gegen Miloševićwar richtig und gerechtfertigt. Und so ist es mit der Unterstützung der Ukraine. Die Fehler (zu spät, zu unentschlossen) sollten wir nicht fortsetzen. Die Stunde der Diplomatie bricht an, sobald Putin seine völkerrechtswidrige Aggression beendet. Bis dahin ist das ärgerliche „Friedens­manifest“ nur in die Tüte gesprochen.

Wolfgang Körner, Hannover (Mitglied der SPD seit 1972)

Im Zeichen des Krieges von Putin gegen die Ukraine, der totalitär angelegt ist, da hilft der Ruf nach Diplomatie nicht viel. Aber er ist ein Signal an den SPD-Parteitag, dass die militärische Aufrüstung der nächsten Jahre zu viel kosten wird. Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

Es bleibt beim Gefühl und vagen Wünschen, konkrete Forderungen oder gar ein Konzept haben weder der taz Kommentator noch die Manifest-Autoren. Die Menschen in der Ukraine brauchen unsere Solidarität im Kampf ums Überleben. Bernhard Koch, Lehrte-Arpke

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des aktuellen Manifests zur „Friedenssicherung in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und Verständigung“ erinnern an große historische Vorbilder wie Willy Brandt und Michail Gorbatschow. Doch der historische Vergleich hinkt, die Analyse verkennt die gegenwärtige Bedrohungslage. Die Vorstellung, dass „gemeinsame Sicherheit“ mit Russland möglich sei, ohne dass Russland selbst grundlegende Prinzipien von Souveränität achtet, ist nicht friedensorientiert, sondern realitätsfern und naiv. Russlands Krieg gegen die Ukraine führt das drastisch vor Augen: Einseitige Abrüstung schafft keine Deeskalation – sie signalisiert Schwäche und provoziert Aggression. Frieden ist mehr als das Schweigen der Waffen – er braucht Gerechtigkeit. Der Aufruf zur „Beendigung des Tötens und Sterbens“ wirkt anrührend, aber abstrakt. Wer Frieden will, muss diejenigen unterstützen, die sich gegen Gewalt wehren. Die Ukraine verteidigt nicht nur ihre Unabhängigkeit, sondern die Grundlagen europäischer Friedensordnung. Ein „Waffenstillstand“ zu Russlands Bedingungen würde nicht Frieden bringen, sondern Unterwerfung bedeuten.

Nataliya Pryhornytska, Allianz ukrainischer Organisationen, Berlin

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