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wortwechselWer hat die Brandmauer kaputt gemacht?

Selten gab es so viele Leserbriefe wie in den letzten Tagen. Die Le­se­r*in­nen sind sich einig: Merz ist auf Populismuskurs und die CDU sollte sich nicht mehr christlich nennen

Die Brandmauer? Alles Geschwätz von vorgestern? Foto: Liesa Johannssen/reuters

Berichterstattung in der taz zu Merz und Abstimmung im Bundestag

taz vom 30. 1. 31. 1. und 2. 2. 25

Wofür stehen C und D?

Entgegen der von der CDU beschworenen christlichen Haltung tritt Merz diese mit Füßen. Wenige Stunden nach dem Gedenken an die Befreiung von Auschwitz und die Ermordung von Millionen Menschen hat Merz nichts Besseres zu tun, als mit den geistigen Nachfolgern von Auschwitz gemeinsame Sache zu machen. Statt genauer hinzusehen, warum es zu dem/den Anschlägen kam, hat er ganze Menschengruppen für schuldig erklärt.

Dass unser psychiatrische Dienst durch Sparmaßnahmen nicht funktioniert, wird ausgeklammert. Eine Unterstützung, die geflüchtete Menschen dringend benötigen, gibt es nicht.

Statt aber dies genauer zu untersuchen, wird von Merz der unchristliche Weg der pauschalen Schuldzuweisung gewählt. Purer Populismus. Wegschauen statt hinschauen. Warum folgten die Mitglieder der CDU, blind und gehorsam wie Herdenvieh, Friedrich Merz? Warum will die CDU die Zusammenarbeit mit der AfD? Die Geschichte lehrt, was daraus erfolgt. „Wenn man in einen falschen Zug einsteigt, nützt es nichts, wenn man im Gang entgegen der Fahrtrichtung läuft.“ (Bonhoeffer, von den Nazis am 9. April 1945 ermordet). Selbst der Gang rückwärts ist bei Friedrich Merz und seiner CDU nicht erkennbar. Herr Merz, streichen Sie das Christliche und Demokratische aus Ihrem Parteinamen! Konrad Fumagalli, Wuppertal

Rumpelstilzchen und Populismus

Diese toxische Mischung aus Klein-Trump und Rumpelstilzchen wird voraussichtlich unser neuer Bundeskanzler. Sind wir noch zu retten? Und ein „Zustrombegrenzungsgesetz“.

Auf solch eine menschenverachtende, wiederliche, populistische Wortfindung muss man erst einmal kommen. Da braucht man wirklich keine AfD mehr.

Anne Schmidt-Gertz, Berlin

Schuld sind die anderen

Nicht genug, dass CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz in den vergangenen drei Jahren als Oppositionsführer kein gutes Haar an SPD und Grünen gelassen hat. Nun gibt er ihnen auch noch die Schuld an seiner Entscheidung, die Brandmauer nach rechts nicht nur einzureißen, sondern zu sprengen.

Die Reaktion der Bevölkerung in den vergangenen Tagen scheint einige Unionsabgeordnete jedenfalls an ihre demokratische Verantwortung erinnert zu haben. Zu spät? So scheiterte der zweite Gesetzesentwurf der CDU im Bundestag, doch der Wortbruch von Merz hat Konsequenzen. Die Werte der Union sind jedenfalls in den Umfragen gesunken, Altkanzlerin Angela Merkel hat sich kritisch zu Wort gemeldet und Michel Friedman ist aus der CDU ausgetreten.

Derweil ist Social Media voll von Aufforderungen, bei Widerstand gegen die AfD auch gegen die Union zu demonstrieren. Und Friedrich Merz hat in dieser Woche gemerkt, was passiert, wenn man alle Brücken um sich herum abbrennt: Man findet sich auf einer verlassenen Insel neben der AfD wieder. Ilka Becirevic, Köln

Warum nicht das Original?

Eine Frage an die Wählerinnen und Wähler der Union: Warum wählen Sie nicht das Original? Allen, die hinterher von nichts gewusst haben wollen, bleibt als Alternative jene Interessenvertretung, deren Existenzrecht in der Beschaffung von Mehrheiten besteht. Herrn Merz danke ich für seinen Beitrag zur Klärung, wie es um das Demokratieverständnis des „Souveräns“ in Deutschland bestellt ist.

Volker Best, Wilhelmshaven

Wo ist die Brandmauer?

Noch vor wenigen Wochen gab es auch in CDU, CSU und FDP eine „Brandmauer aller Demokraten“, die jegliche Zusammenarbeit mir der (in Teilen) faschistischen AfD ausschloss. Armin Laschet erinnerte letztes Jahr auf dem Aachener Katschhof daran, wie naiv demokratische Parteien seinerzeit die Nazis an die Macht gebracht hatten und wie schnell dann eine Diktatur installiert wurde. Alles Geschwätz von vorgestern?

Merz hat nun diese Brandmauer aufgehoben. Schlimmstenfalls ist sogar unsicher, auf welcher Seite der Brandmauer er heute steht. Fast alle Abgeordneten von CDU, CSU und FDP sind ihm gefolgt. Falls jemand bisher noch auf die Aufrichtigkeit von Merz, Söder und Lindner gesetzt hat – jetzt wird es schwer, an die Verlässlichkeit dieser drei Parteien zu glauben. Mit einer einzigen Ausnahme: Frau Antje Tillmann, der mein großer Respekt gilt.

Heinz Quix, Übach-Palenberg

Falsch ist falsch

„Eine richtige Entscheidung wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen zustimmen“ (F. Merz)

Nachfrage: Warum nennt man die Falschen die Falschen? Mögliche Antwort: Wohl auch deshalb, weil sie falsche Ansichten haben und diesen zustimmen. Und damit zurück zu der Aussage von F. Merz. Hubert Kusterer, Köln

Etikettenschwindel

Wenn beide Kirchen das „Zustrombegrenzungsgesetz“ – ein Begriff, der die ganze Menschenverachtung der Ver­fas­se­r*in­nen ausdrückt – kritisieren, zeugt das von Übereinstimmung in der Grundüberzeugung, dass der Schutz menschlichen Lebens und menschlicher Würde zum Kernbestand christlicher Gewissheit gehört. Und wenn ein CDU-Vorstandsmitglied wie Steffen Bilger darauf mit „überrascht nicht, interessiert nicht“ reagiert und keinen Widerspruch erntet, dann sollte die Partei endlich das „C“ im Namen streichen.

Wo ein Vorstand einer „christlichen Partei“ das Orientierungsangebot verächtlich zurückweist, sollte über die Namensgebung der Partei dringend neu nachgedacht werden. Andernfalls ist’s Etikettenschwindel.

Bernd Nagel, Frankfurt am Main

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