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wortwechselVon schreienden Kindern und Superelite

Kinder schreien nicht wegen hysterischer Mütter – Ärzte haben heute hoffentlich dazugelernt. Moralische Prätention kann die Lösung der großen Probleme behindern

Die Gründe für diese Ausdrucksform mögen vielfältig sein. Klar ist, es geht geradenicht anders Foto: imago

Gebot der Stunde

Stolz und Vorurteil“,

wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Es wird geschrieben, 800.000 Wohnungen fehlen zurzeit. Gleichzeitig ist überall zu lesen, dass 2 Millionen Wohnungen leer stehen. Das heißt also, wir brauchen keine neuen, schon gar nicht in Hochhäusern, sondern den Bezug bestehender Wohnungen. Renovieren statt Neubau ist das Gebot der Stunde auch im Sinne eines wirksamen Klimaschutzes im Gebäudesektor. Wolfgang Wedel, Nürnberg

Kontroverse

„Das Schweigen nach dem Massaker“,

wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Die taz berichtet für mein Verständnis zumeist sehr ausgewogen zu Gaza und Israel. Eine Buchvorstellung wie die obige halte ich dagegen für fragwürdig, weil sie sich vollständig mit den Au­to­r*in­nen identifiziert und auch meines Erachtens deren fragwürdige Grundannahmen vollständig übernimmt. So wird mit keinem Wort der Gegenstand der Kontoverse zwischen Un­ter­stüt­ze­r*in­nen und Kri­ti­ke­r*in­nen der israelischen Politik erwähnt.

Folgt man der Buchvorstellung, ist es die Haltung zum Hamas-Massaker, so als gäbe es im Kulturbetrieb dazu Zustimmung. Was nicht der Fall ist. Für mich wie für viele andere ist der Anlass der Kontroverse die Art und Weise der Reaktion Israels darauf, wie bereits vorher die Abriegelung des Gazastreifens und die laufende Vertreibung von Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen im Westjordanland.

Albrecht Ansohn, Potsdam

Vermisse Weitsicht

Was zur Hölle macht ihr mit eurem Leben?“,

wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Bregman benennt als eines der vernachlässigten Probleme, welche er mit seinen Experten-Teams bekämpfen möchte, die Tabakindustrie, da Tabak seiner Meinung nach das tödlichste Produkt in der Menschheitsgeschichte sei. Die Produkte der Rüstungsindustrie (Maschinengewehre, Bomben, Raketen) töten wesentlich schneller und effizienter als jedes Tabakprodukt. Zudem Regierungen kein wirkliches Interesse haben, die Tabak­industrie zu bekämpfen oder zumindest weiter zu beschränken, weil sie nicht auf die erheblichen Tabaksteuereinnahmen verzichten wollen.

Es erstaunt mich, dass Bregman, der mittels „hochqualifizierter Eliten“ die ­Probleme der Welt lösen will, nicht weitsichtiger ist. Lars Raupach, Bautzen

Fundament

Was zur Hölle macht ihr mit eurem Leben?“,

wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Ich bin mit einer „neoliberalen Ökonomie der Moral“ und den darin verfolgten Inhalten sehr zufrieden. Jedenfalls gibt sie mir mehr Hoffnung und Mut, als dass sie mir Sorge und Angst bereitet.

Schwammig bleibt der „Weniger ist mehr“-Ansatz. Diese „Floskel“ taugt ohne Differenzierung nicht als erstrebenswerte Grundlage für Veränderungen. Jedenfalls nicht, solange wir sie nicht an konkretes Handeln binden. Gelänge Veränderung im Kleinen, wäre das auch was. Diese Hoffnung sollten wir nicht aufgeben. Sie nährt so viele Energien zahlreicher Aktivisten, die sich, ähnlich wie Rutger Bregman, ein das echte Leben erhaltendes, ethisches und moralisches Fundament für ihr Handeln gegeben haben.

Klaus Ross, Haale

Eliten

Was zur Hölle macht ihr mit eurem Leben?“, wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Das ist nichts anderes als der „effective altruism“ und Longtermismus von Musk, Thiel et cetera. Nur mit etwas grünem ­Anstrich. Eine kleine „Elite“ entscheidet, was gut für alle ist – welche Ziele, welche Umsetzung –, und strebt ihnen scheuklappig entgegen.

Bregman selbst sagt, die Macher ignorieren dabei andere Menschen, deren Belange und Kollateralschäden. Sie brettern einfach drüber. Weil sie es können.

Kai Becker auf taz.de

Moral

Was zur Hölle macht ihr mit eurem Leben?,

wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Mit der taz fragte ich mich nach Bregmans Bekenntnis, er sei Pluralist: „Ach, doch?“ Bregman will „ein reiches Leben führen – und nicht, dass alles von Moral diktiert wird“.

Da habe ich es doch etwas einfacher, denn schon als Kind lernte ich: „Was du nicht willst, was man dir tu, das füg auch keinem andern zu.“ Das leuchtete mir ­unmittelbar ein, und weitere moralische Aufrüstung benötige ich bis heute nicht, um Klimawandel und eventuell sogar ­Armut keine Chance zu geben.

Als gewesene Lehrerin halte ich viel ­davon, so gut es eben geht, ein Vorbild zu sein, und das möglichst ohne mora­lische Aufrüstung.

Ursel Grotz, Entringen

Ursachen

Wir haben in Deutschland ein sehr effektives Mutter-Schuld-Programm“,

wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Das Schreien eines Babys kann auch (unerkannte) medizinische Ursachen haben. Erst der 4. konsultierte Kinderarzt hat einen sofort erfolgreichen und sehr einfachen Test gemacht und eine fortgeschrittene Harnwegsinfektion diagnostiziert.

Die Diagnosen der 3 vorausgehenden Kinderärzte: hysterische Mutter (zwischen den Zeilen), Gehirnschaden (damals eine Modediagnose), falsch erzogen.

Der 4. Arzt verschrieb sofort ein Antibiotikum, und mein Sohn wandelte sich innerhalb von 24 Stunden von einem Schreibaby zu ­einem Strahlemann.

Winfried Hoch, Werne

Fremdbestimmt

„Brauchen wir eine staatliche Jobgarantie?“, wochentaz vom 18.–24. 1. 25

Es ist schon frustrierend, wie konventionell auch so junge Leute zuweilen sind.

Maurice Höfgen geht davon aus, dass es besser ist, Leute staatlich gelenkt fremdbestimmt zu beschäftigen, statt sie einfach selber machen und rausfinden zu lassen, was sie zum Gemeinwohl beitragen können und wollen. Er geht ebenso davon aus, dass bezahlte Arbeit irgendwie per se besser und sinnvoller wäre als unbezahlte Arbeit.

Es ist ja nicht so, dass es außer Erwerbsarbeit und „Nichtstun“ nichts mehr gäbe. Es gibt eben den riesigen Sektor der unbezahlten Arbeit. Es wäre sicherlich sinnvoller, den Leuten zu ermöglichen, sich zu betätigen, ohne dass sie Angst vor der ­Armut haben oder sich mit irgendwelchen ­Schikanen vom Jobcenter rum­schlagen müssen.

Eric Manneschmidt auf taz.de

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