wortwechsel: AfD-Stimmen in der taz?! „Das darf nicht wahr sein!“
Ein Pro & Contra hat hohe Wellen geschlagen: „Wie umgehen mit der AfD: Sollen wir mehr AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?“ Das geteilte Echo: ein Pro & Contra der LeserInnen
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„Umgang mit der AfD: Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben? Über die Frage, ob wir AfD-Wähler:innen in der taz mehr zitieren sollten, diskutiert die Redaktion seit Wochen heftig. Ein Pro & Contra“, taz vom 22. 11. 24
Contra
Schauen Sie sich doch die Entwicklungen in Ländern wie Ungarn, Polen oder USA an. Dort wird mit Hilfe der freien Regeln des Rechtsstaates und der Presse dieser dann ausgehöhlt und zerstört. Meine Meinung, ob die AfD mehr zu Wort kommen soll ist eindeutig: Nein! Werden Sie kein Steigbügelhalter für Höcke und Weigel. Axel Wüster
Dass ihr diese Frage diskutiert, lässt mich fassungslos zurück. Für mich ein Zeichen, dass der Rechtsruck in den Köpfen vor niemandem Halt macht. Alle Medien und Parteien machen derzeit den Fehler, zu sehr auf die Scheindebatten und das Agenda-Setting der Rechten einzugehen. Die taz versteht sich als linke Zeitung und sollte diesen Fehler nicht mitmachen. Name ist der Redaktion bekannt
Nein, nein, nein! Wir protestieren gegen dieses Ansinnen. Die Verbreitung rechtsextremer „Wahrheiten“ ist bereits so intensiv in der Gesellschaft erreicht. Jeder trifft seine individuelle Entscheidung zum Programm der AfD, die taz informiert ständig über erschreckende Neuigkeiten dieser Partei. Wir brauchen keine Gedankenhilfe durch AfD-Anhänger in der taz! Maria und Franz Sitzmann, Berlin
Ich bin einigermaßen geschockt, dass sich die taz jetzt diese Frage stellt. Ich dachte, die Diskussion sei seit 10 Jahren durch. Es war einer der Kardinalfehler des Journalismus, die Rechtfertigung von Gewalt als erlaubte „Meinung“ zu klassifizieren und den Rechten die Möglichkeit zu geben, medial auf Menschenfang zu gehen. Eure Verantwortung ist es auch, Menschen vor solchen Fallen zu schützen – schließlich werden auch nicht die Positionen von IS und Taliban hier wiedergegeben.
Es ist keine hundert Jahre her, dass in diesem Land „auf 1.000 Jahre“ bewiesen wurde, dass Eigenverantwortung nicht funktioniert, wenn Parteien ihre Macht missbrauchen, um auf dem Rücken anderer Menschen Ängste zu schüren. Ein Nazi auf einer Bühne ist kein Diskussionsteilnehmer, sondern ein Multiplikator von Angst und Diskriminierung.
Christian Clauser
„Darin steckt mir zu viel Moral“, dieses Argument zauberte mir ein Stirnrunzeln ins Gesicht. Wirklich? Zu viel Moral? Ich dachte, die Leute, die Angst vor Moralvorstellungen haben, säßen alle bei der Welt? In Europa fällt vor allem Wallonien auf, wo auch durch den stabilen Cordon Sanitaire der dortigen Medien ein Rechtsruck vermieden wird. Diese Gelegenheit hat die deutsche Medienlandschaft leider verpasst.
Die taz empfinde ich hier als wohltuenden Fels in der Brandung. Dass jetzt die Idee aufkommt, die Wählerschaft einer Partei zu Wort kommen zu lassen, die mit einem Bein im Verbot steht, entsetzt mich. Andreas Gruner, Berlin
Ich glaub, es hackt! Der Tag, an dem das passiert, ist der Tag, an dem ich meinen Sohn auffordere, die von ihm für mich abonnierte print taz zu kündigen. Und von dem Tag an werde ich mich für die taz schämen. Dafür wurde die taz nicht gegründet. Gabi von Thun, taz Mitarbeiterin 1986–2017, Bremen
False Balance der etablierten Medien hat doch erst mit dazu geführt, dass rechte Narrative normalisiert worden sind. Keine Bühne für Nazis und Faschisten. Ihr seid für sie die „Lügenpresse“, die sie am liebsten abschaffen wollen. Ich lade doch auch keinen Brandstifter in mein Haus ein und drücke ihm noch Streichholz und Benzinkanister in die Hand! Minelle auf taz.de
Pro
Richtet ein taz-Wiki ein, auf das nur Mitarbeiter der taz Schreibzugriff haben, aber jeder hat Lesezugriff. In den Artikeln kann man dann einfach auf den Wiki-Eintrag verweisen und jeder enthält die ganzen Details inklusive Quellenangabe. Lundril auf taz.de
@Lundril: Die Idee mit dem taz-Wiki finde ich gut. Mir würde das die Vorbereitung einiger Diskussionen erleichtern. Es erweitert doch nicht meinen Horizont, nur im eigenen Überzeugungssaft zu schmoren. Bei einer Partei, die mittlerweile Wahlen gewinnt, möchte ich erfahren, wie ihre Wähler ticken. Das erwarte ich sogar von gutem Journalismus. Rero auf taz.de
Man sollte den rechten Diskurs nicht laufen lassen, sondern einfangen. Die wirkungsvollste Propaganda der damaligen freien Welt soll „Der große Diktator“ gewesen sein. Hans-Friedrich Bär auf taz.de
Meiner Erfahrung nach trägt Ausgrenzung und ferndiagnostische Pathologisierung von Diskurspositionen ganz entscheidend dazu bei, Menschen in die Arme der AfD zu treiben. Ob bei Einwanderungsdebatten, Corona, Genderdebatte oder Ukrainekrieg – jedes Mal werden Teile der Bevölkerung ausgegrenzt und denunziert, weil sie Ansichten oder Meinungen haben, die sich die AfD dann zu eigen macht. Viele dieser Leute sind oder waren mal links oder Mitte und haben gesinnungstechnisch nie was mit Rechtsradikalen gemein gehabt.
Moralapostbote auf taz.de
Bisherige Diskussionen hab ich immer als positiv empfunden, weil eben auch sehr konträr geschrieben wurde. Oft genug dachte ich nur: „Oh, Schreck!“ Aber das ist Demokratie. Nur so können Menschen erreicht und ernst genommen werden. Lasazar auf taz.de
@Lasazar: Sind die jetzt über Nacht alle rechtsradikal geworden? Das bestimmt nicht. Wilhelm Heitmeyer hat schon vor 25 Jahren dieses Potenzial beschrieben. Und das war noch vor dem Hype der „sozialen Medien“, die mit ihrem Algorithmus den Extremismus befördern.
Lesenundschreiben auf taz.de
Ich würde mir eine medienübergreifende Strategie zum Umgang mit AfD-PolitikerInnen wünschen. Hier würde ich einen Beitrag (vielleicht sogar mit Vertretern mehrerer Zeitungen?) sehr interessant finden. Lisa Baer, Berlin
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