piwik no script img

wortwechselTafel-Tischlein, deck dich! Aber seid nicht so genervt

Ein Erfahrungsbericht über die Tafel in Berlin hat Anteilnahme, Empörung, aber auch Unverständnis ausgelöst. Viele wünschen sich mehr Berichte von Menschen in Armut

Essensausgabe bei der Tafel: Nicht anfassen! Als alleinerziehende Mutter ist unsere Autorin auf die Tafel angewiesen. Doch sie geht dort nicht mehr hin, weil sie sich gedemütigt fühlt“, taz vom 1. 10. 24

Ich habe andere Erfahrungen gemacht: Faules Gemüse und Obst waren zuvor aussortiert, es gab große Kühlschränke mit frischen Produkten. Die Tafeln bekommen zu wenig Spenden von den Supermärkten. Fast abgelaufene Lebensmittel werden eher mit Preisnachlass verkauft. In Belgien und Frankreich stellen viele Läden die Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden dürfen, einfach abends vor den Laden – kostenlos.

Regina Hartmann, Seelze

Auch ich bin Kunde der Tafel. Selbstorganisationl? Sorry, aber wie stellen Sie sich das vor? Hier wird in der Warteschlange oft nur russisch oder arabisch gesprochen. Ich glaube kaum, dass Selbstorganisation unter diesen Umständen möglich wäre. Ich bin den zahllosen ehrenamtlichen Helfern dankbar. Rudolf Kaiser, Osnabrück

Ein Hilfeführerschein?

Es muss für Ehrenamtliche einen „Führerschein“ geben. Ehrenamtliche, die nur sich selbst verwirklichen wollen und als „gut“ dastehen wollen, sind eher kontraproduktiv. Leider gibt es zu viele davon. Konrad Fumagalli, Wuppertal

Wer zur Tafel geht, sollte Dankbarkeit und Demut empfinden. In anderen Ländern kann man sehen, wo man bliebt. Fakt ist: wer sich ordentlich benimmt, hat in der Regel keine Probleme. Leider häufen sich die Berichte über absolut indiskutables Verhalten von Tafelbesuchern, zum Beispiel in Essen, wo vor allem Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge mit einer fordernden Art sehr unangenehm auffallen. Versetzen Sie sich mal in die Lage der Ehrenamtlichen, die ihre Freizeit damit verbringen, bedürftige Menschen zu versorgen und dann so behandelt werden. Das ist demütigend! Hannah Thiem

Ich finde die Dame doch sehr undankbar. Die Scham, als Bittstellerin auftreten zu müssen, kann ich sehr gut nachfühlen, aber ihre negative Einstellung gegenüber den Ehrenamtlichen und ihre herablassenden Urteile über sie finde ich schon ziemlich krass! Ich habe mich schon oft gefragt, warum bei den Tafeln mehrheitlich Menschen mit 60+ und 70+ schwere Kisten schleppen und die deutlich Jüngeren nur Waren in Empfang nehmen. Warum bieten die Bedürftigen nicht öfter ihre Mithilfe an? Britta Engelhard

Und taz.de schreibt …

Die Wahrnehmung in dem Artikel stimmt, dass Helfen oft was mit Machtstreben zu tun hat, vielleicht sind sich viele Helfende dessen gar nicht bewusst. Aber selbst so Kleinigkeiten – wie viel Zucker man seinen Kindern zumuten will – sind Fragen der Selbstbestimmung, die jedem Menschen zusteht, ohne sich undankbar oder beschämt fühlen zu müssen. Maike Lala

Ich kann die Autorin sehr, sehr gut verstehen und würde es wohl genau so empfinden in ihrer Lage, fühlen Sie sich bitte mal rein in diese Lage als Bittsteller! Selbstverständlich besteht da ein Machtgefälle. KS

Ich würde der Dame empfehlen, mal selber dort als Ehrenamtliche zu arbeiten und zu erleben, was da abgeht: Drängeleien bis hin zu Handgreiflichkeiten, Beschimpfungen der Ehrenamtlichen, Menschen die sich nicht an Regeln halten und sich mit begehrten Lebensmitteln die Taschen vollstopfen wollen, Menschen die vor der Ausgabe die Hälfte der Lebensmittel in die Tonne werfen anstatt gleich nein zu sagen.

Zudem finde ich es bezeichnend, dass bei den Tafeln meist nur SeniorInnen helfen – aber von den vielen gesunden Bürgergeldempfängern, die dort Lebensmittel holen, will keiner helfen. So was nennt man überzogene Ansprüche.

Sandra Becker

Man darf auch nicht vergessen, dass nicht alle Tafelbesucher Engel sind, sondern es tatsächlich eine ganze Menge gibt, die unausstehlich, aggressiv oder „weird“ sind. Aus Selbstschutz haben sich etliche Tafelmitarbeiter ein dominantes Auftreten angewöhnt, um sich solche Leute vom Hals zu halten. Die Schnetzelschwester

Ich war 7 Jahre ehrenamtlich bei einer Tafel im Sortierdienst. Manches ist wirklich gut, bei anderen Märkten wird die Tafel mehr als kostenlose Müllabfuhr benutzt. Faulig riecht es bei uns in der Ausgabe aber nicht. Dafür sorgen 5 Tage die Woche die Sortierteams, die auch die Ware in den Kühlzellen und -schränken prüfen. Ausgabe ist nur 2 Mal pro Woche. Manche Produkte sind immer schlecht – Fertigsalate in Tüten, die stinken wirklich. Tayash

Vielen Danke für diesen Bericht. Schämen sollten sich die Personen, die der Autorin Undankbarkeit vorwerfen – seid froh, dass ihr nicht die Tafel nutzen müsst! Solidarität statt Selbstgerechtigkeit sollte die Devise sein. Insieme

Puh. Ich fand den Artikel schwer zu lesen bei so viel Selbstgerechtigkeit.

Silvan Mundorf

Ich kenne eine Tafel, bei der die Bedürftigen nehmen müssen, was man ihnen gibt, und sie werden sogar vor dem Laden angeschnauzt, wenn sie Sachen untereinander tauschen wollen. Sandoftime

@Sandoftime Warum lassen die Leute sich das gefallen?! Und diese „Ehrenamtlichen“ sind oft auch Bürgergeldempfänger mit Minijob. Sozialdemokratie

Das System Tafeln hat ganz fiese Nebenwirkungen, egal, wie gut die Helfer es meinen. Wir sind dabei, ein Provisorium zu verstetigen, ohne uns die wahren Kosten dafür anzuschauen. Herma Huhn

Armut ist demütigend, überall. Ich glaube, wenn wir uns noch über das beschweren können, was wir geschenkt bekommen, dann haben wir eigentlich keinen Grund zu klagen. Cassandra79

Alleinerziehende gehören zum Rückgrat unserer Gesellschaft und werden strukturell mit Armut bestraft. Wahnsinn. HANM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen