wortwechsel: Animal Farm! Kühe wollen zum Brandenburger Tor!
Die Agradieselförderung wird 2026 gestoppt, aber die Ampel „denkt nach“ über mögliche Entlastungen für die Bauern. Wird der „Tierwohl-Cent“ für Fleischvermarktung eingeführt?
„Süßes Gift Subvention. Die Bauern müssen sich öffnen für mehr Umweltschutz. Sonst werden sie viel mehr Subventionen verlieren als die für Agrardiesel, die kaum Höfe retten“, taz vom 13. 1. 24
Ohne Subventionen?
Ich möchte gerne ohne Subventionen wirtschaften, kann es allerdings nicht. Ich müsste, nach fünf trockenen und einem rekordverdächtigen nassen Jahr 2023, das Hoftor schließen. Mittlerweile arbeiten, hier und da, Landwirte mit Umweltverbänden zusammen und zeigen auch die Fähigkeit zur Selbstkritik. Umsetzungen scheitern oft an politischen Ebenen und schlechten Absprachen. Gerade weil es mit der Landwirtschaft alleine nicht mehr geht, versuchen wir Nebeneinkünfte zu erzielen. Dieses unternehmerische Handeln sollte nicht als Argument gegen den Berufsstand verwendet werden. Aus dem Gewinn des Betriebes müssen wir Rücklagen bilden für die zukünftigen Herausforderungen, für die nächste Generation. Auf dem Bodenmarkt befinden sich mittlerweile auch große Investoren außerhalb der Landwirtschaft. Was aussterben wird, ist der Familienbetrieb, nicht die Landwirtschaft. Die Proteste der Bäuerinnen und Bauern zielen auf eine chaotische und planlose Agrarpolitik der letzten Jahre. Schwarz-Weiß-Denken ist fehl am Platz, wenn es um unser zukünftiges Zusammenleben geht. Hier der Versuch, in Grautönen zu denken: Ich erkenne den Ansatz einer ernsthaften Auseinandersetzung mit der Thematik bei der taz.
Ulrich Steinmeier, Söllingen
Vielleicht ist es an der Zeit, das Modell „Landwirtschaft“ komplett neu zu denken! Wie befriedigend mag es sein, 50 Prozent seines Gewinns über Subventionen zu erlangen, stetig wider Natur und Tierwohl zu agieren, Nachfolgesorgen zu haben? Kann der Staat nicht die Option (!) anbieten, den Hof zu übernehmen und die Menschen auf dem Hof anzustellen? So kann der Staat lenken: Tierwohl, Naturschutz, Anbaumethode und Versorgungssicherheit. Und parallel dazu klimaschädliche Subventionen abbauen.
Stephanie König, Hamburg
Es ist eine Tatsache, dass ein kleiner Hof spätestens bei den immer aufwendigeren Dokumentationspflichten aus der Kurve fliegt und vor mancher Düngeverordnung in die Knie geht. Solche Regulierung ist aber trotzdem richtig, sie dient dem Umweltschutz und der Gleichheit vor dem Gesetz. Im Ergebnis sind aber eben nur größere Höfe konkurrenzfähig. Das kann man nicht ändern. Benedikt Bräutigam
Der Protest geht am wenigsten um Subventionen: Wir sind mit einer Bauernfamilie im Allgäu sehr verbunden. Es schmerzt sie sehr, dass ihre Arbeit so wenig Anerkennung findet. Sie sind traurig, dass die Menschen nicht bereit sind, für einer Liter Milch etwas mehr Geld zu bezahlen. Sie sind traurig darüber, dass in ihrem Dorf von 11 Bauern – wie vor 40 Jahren – nur zwei übrig geblieben sind. Ihr soziales Umfeld ist damit zu einem Großteil weggebrochen. Wir wissen, dass „unsere“ Bauern die zwingend notwendigen Investitionen – etwa in Traktoren zu 200.000 Euro – emotional sehr belasten. Anders als sonst in der Wirtschaft ist das hohe Risiko aber mit keiner hohen Rendite verbunden. Es ist demütigend, rund um die Uhr zu arbeiten und trotzdem von Subventionen abhängig zu sein.
Birte Wientgen, Stahnsdorf
Wachsen oder weichen?
„Wachsen oder weichen“ ist seit Jahrzehnten die Devise, die von ganz oben ausgegeben wird. Sichtbar bei den Protestaktionen an den Marken der Traktoren! Claas, Fendt, John Deere, Fahrzeuge, die gut und gerne 1.000 Euro/PS kosten und in der Regel weit über 100 PS haben.
Und der Slogan „Ohne Bauern keine Nahrung“ entspricht ja nur bedingt der Realität. Hühnerfleisch aus Holland, Schweinefleisch aus Dänemark, Rindfleisch aus Südamerika, Lamm und Hirsch aus Australien, Obst und Gemüse aus Spanien oder niederländischen Treibhäusern … das sind die Nahrungsmittel, die uns in den Supermärkten erschwinglich angeboten werden. Die regionalen Produkte, die auf Märkten und in Hofläden angeboten werden, stammen doch zumeist von kleinen Bauern, die wirklich Existenzängste haben müssen, und zwar weil sie weichen sollen.
Was die Großbauern für uns und unsere Enkelkinder tatsächlich hinterlassen: Verseuchte, ausgemergelte Böden, zerstörte Biodiversität, verarmte Sorten- und Rassenvielfalt, sterbende Natur.
Name ist der Redaktion bekannt
Bevor den uns regional ernährenden Bauern die Dieselsubvention gestrichen wird, sollte erst einmal der deutschen Bundeswehr die KFZ-Befreiung und die Dieselsubvention für ihre cirka 26.000 Fahrzeuge gestrichen werden. Fossile Diesel-Panzer verbrauchen im Durchschnitt 530 Liter auf 100 km. Auch die Bundeswehr muss klimaneutral werden. Roland Klose, Bad Fredeburg
Je größer der Betrieb, desto mehr Subventionen. Mich nervt, dass gut situierte Gruppen (in der Regel Selbstständige wie Ärzte oder Landwirte) auf Kosten der Allgemeinheit ihre Interessen auf Deubel komm raus durchsetzen wollen. Dabei wirken die gut verdienenden Funktionäre dieser Gruppen seit Jahrzehnten an diesem System mit und alle sind ihnen gefolgt. Das Ergebnis wird jetzt beklagt.
Die ganze Gesellschaft ist im Beschwerdemodus. Die BürgerInnen werden jetzt wach. Nach dem Dauerschlaf der letzten 20 Jahre fallen ihnen die Probleme auf die Füße. Selbst denken ist gefragt. Aber die Probleme sind komplex, da ist es einfach, über Bürgergeld, Klimaaktivisten oder die verhassten Grünen zu pöbeln und sich destruktiv zu verhalten.
Alle fühlen sich jetzt als Opfer: LehrerInnen, die schlecht lehren; PflegerInnen, die schlecht pflegen; HandwerkerInnen, die schlecht abliefern; Verwaltung, die schlecht verwaltet; Bauern, die die Natur schädigen; Eltern, die schlechte Eltern sind; Politiker, die schlecht politisieren … Und alle wollen auch noch wertgeschätzt werden. Mir reicht es! Da ich hier auf dem Dorf wohne und keine Lust auf Stress mit Heugabeln habe, bitte ohne meinen Namen veröffentlichen!
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