piwik no script img

wortwechselBiedermann. Brandstifter. Merz bricht das AfD-Tabu

Der CDU-Vorsitzende und Blackrock-Profiteur argumentiert im Interview für Zusammen-arbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Wie glaubhaft und verlässlich ist der Protest?

„Kooperation mit der AfD: Breite Kritik an Merz-Vorstoß. CDU-Chef Merz öffnet die Tür für eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene. Auch aus der eigenen Partei gibt es dafür Gegenwind“, taz vom 25. 7. 23

Ja-Sager. Nein-Sager

In diesem Streit der Parteien philosophiert Markus Söder vor sich hin: „Ein Nein heißt ein Nein“. Könnte etwa dann „ein Ja sogar Ja“ bedeuten? Oder ein „Ja“ auch „Nein“ oder umgekehrt? Oder geht vielleicht auch ein ganz glasklares „Jein“?

Klaus P. Jaworek, Büchenbach

In den Diskussionen um die Kommunal-Wahlsiege der AfD in Sachsen-Anhalt und Thüringen und die daraufhin ausgestreckte Hand des CDU-Bundesvorsitzenden fehlt mir völlig die Betrachtung der Mehrheitverhältnisse in den beiden Parlamenten.

Der Kreistag von Sonneberg hat 40 Sitze, 10 davon besetzt die AfD. In Ra­guhn-Jeßnitz stellt sie 2 von 20 Stadträten. Es gibt also in beiden Fällen überhaupt kein Problem, demokratische Mehrheitsentscheidungen zu treffen, die der Vorsitzende umsetzen muss. Im Übrigen ist er an Recht und Gesetz gebunden. Ganz ohne Not biedert sich Merz den Rechts­extremen an. Statt dem zu folgen, kann die CDU vor Ort nun zeigen, wie man AfD-Strategien verhindert.

Jürgen Röhrig, Windeck

Nur ein Auftakt?

Der Bayerische Rundfunk hat noch zitiert: „… mit einer demokratisch gewählten AfD eine Stadt, einen Landkreis oder ein Land zu gestalten“. Hört sich für mich nicht so an, als wäre bei der Kommunalpolitik Schluss … Luebke auf taz.de

Man kann nur hoffen, dass die Stimmen aus den Reihen der CDU, die Merz jetzt kritisieren, nicht nur ein laues Lüftchen bleiben. Immerhin haben ein paar Granden widersprochen. Klaus Waldhans

Es stellt sich aber auch die Frage, wie man Zusammenarbeit genau definiert.

Wenn sich AfD und CDU an einen Tisch setzen, ist das direkte Zusammenarbeit. Wenn aber beide Fraktionen in irgendeinem Land- oder Kreistag zu einem bestimmten Sachthema die gleiche Position haben und dazu gleich abstimmen, ohne je Gespräche geführt zu haben, muss man das akzeptieren. Ich erinnere an den „Skandal“, als AfD und CDU beide gleich zu einem Gesetz abgestimmt hatten, das die Mindestgrenze von Windrädern zu Wohnsiedlungen definiert hat. Was wurde über diesen „skandalösen Dammbruch“ gejammert und geschimpft.

Wenn wir uns aber darauf einlassen, unsere Positionen und Themen zu negieren, nur weil die AfD zufälligerweise dieselbe Meinung hat, bewegen wir uns in eine böse Falle, in der uns dann die AfD am Nasenring durch die Manege führt. Der Windrad-Abstand ist da ein schönes Beispiel, weil diese Sache nichts mit rechts/links oder faschistisch/demokratisch zu tun hat.

Stefan L. auf taz.de

Ver-rückte Brandmauer?

Bislang hielt ich die Brandmauer der Union wirklich für verlässlich, weil ich keinerlei Zweifel daran hatte, dass man auch in der „Machtmaschine“ Union die Demokratie als Wert an sich begreifen würde, weil ich ihr genügend Staatsraison und Geschichtsbewusstsein zuschrieb, um zu wissen, dass es gelten muss, eine solche rechts-rechtsextreme Kollaboration um jeden Preis zu verhindern.

Ich habe mich geirrt. Mit der Position, die Merz mit seinen jüngsten Aussagen einnimmt – wie den Attacken auf Grundrechte oder die ‚Agenda für Deutschland‘ –, ist die Abgrenzung von der radikalen Rechten nur noch eine graduelle und die Brandmauer damit nicht mehr glaubwürdig. Die sich daraus ergebende Hürde, bei nächster Gelegenheit zu erklären, dass die Zusammenarbeit auf kommunaler und Kreisebene ja so gut funktionieren würde, dass man es ja auch mal auf Landesebene probieren könne, diese Hürde scheint einfach zu gering.

Was das für dieses Land und unsere Gesellschaft bedeuten kann, macht mir ernsthaft Angst. Ingo Bernable

Man fühlt sich an „Biedermann und die Brandstifter“ von Max Frisch erinnert. Salinger auf taz.de

Es ist auch wichtig, nicht aus den Augen zu verlieren, dass Merz Doppelpass mit Frei spielt: dessen jüngste Vorschläge zum Umgang mit Geflüchteten – Zurückweisung an den EU-Außengrenzen – hat er im Sommerinterview auch aufgenommen.

Art. 16 GG abschaffen, Refoulement an den Außengrenzen, gemeinsame Stammtischpolitik auf kommunaler Ebene – das ist jetzt schon rechtsradikal.

Wenn die Union ihre Funktion, konservative und rechte Positionen an demokratische Werte und Strukturen zu binden, erfüllen soll, muss sie sich von diesem Vorsitzenden trennen. Ke1ner auf taz.de

CDU tönt schon wie AfD?

„Grobe Denkfehler. Kommentar von Christian Rath zur Forderung von CDU-Politiker Thorsten Frei, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen“,

taz vom 20. 7. 23

grobe denkfehler? ups, das glaube ich gar nicht! ich glaube, das ist ein simpler schachzug einer gut überlegten strategie der cdu/csu, nach rechts zu expandieren.

dieser schachzug ist ja gerade daraufhin kalkuliert, dass ein entsprechendes echo kommt – von politikerInnen, von journalistInnen. endlich aufmerksamkeit gewinnen bei denen, die so etwas ganz gerne hören möchten. gerade journalistInnen sollten strategischer vorgehen dagegen, politikerInnen schaffen das offensichtlich nicht.

es ist doch so, dass der politisch rechte rand immer erfolgreicher, langfristig geplant und sehr gut vernetzt ag(it)iert. was sich dagegen links von der mitte abspielt, kann da überhaupt nicht mithalten.

Thomas Maier, Alzey

Welche Brandmauer? CDU-Chef Merz sprach in einem Interview erst über eine kommunale Zusammenarbeit mit der AfD und ruderte dann zurück. Doch eine „Brandmauer“ gibt es längst nicht mehr“, taz vom 25. 7. 23

Alles schon passiert?

Die Autorin hat vollkommen recht, der „Anfang“ ist lange schon vorbei, und der Normalisierungsprozess dürfte in manchen Regionen längst abgeschlossen sein, wenn diese schreckliche braune Truppe sogar schon zur Volkspartei mutiert.

SPD und Grüne werden zukünftig zur Demokratieerhaltung sehr wichtig werden. Marlon22 auf taz.de

Rechtsradikal bleibt rechtsradikal und opportunistisch bleibt opportunistisch. Das heißt, viele werden mit den AfD-Leuten, die ihnen passen, Allianzen eingehen.

Lassen Sie das Parteien-Theater und gehen Sie in die Stadtteilarbeit, in Initiativen von unten, die Solidarität praktizieren gegen die Ämter, Schikanen, Ausbeuter, gegen Abschiebung und Sexismus.

Land of Plenty auf taz.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen