piwik no script img

wortwechselJetzt wird Frieden gestreut! So viele gute US-Bomben …

Die ukrainische „Gegenoffensive“ verläuft nicht so erfolgreich wie vom Westen erhofft. Jetzt stellen die USA der Ukraine Streubomben in Aussicht – eine Gefahr für die Zivilbevölkerung

„Reaktionen auf die geplanten Streubombenlieferungen an Kyjiw: Zu viel Verständnis in Berlin“, taz vom 10. 7. 23

Lizenz zum Tabubruch?

Kanzler Scholz nennt die Lieferung und den Einsatz von Streumunition eine freie Entscheidung der USA. Würde so auch seine Antwort klingen bei solch einer offiziellen Ankündigung von russischer Seite? Roland Winkler, Aue

Endlich werden unsere westlichen Werte mit wirklich wirksamen Waffen verteidigt. Streubomben. Ich sehe sie schon: Tausende Kinder mit amputierten Beinen in den nächsten zwei, drei Generationen – ein sichtbares Zeichen unseres ungebrochenen Verteidigungswillens. Wie obszön muss die Begeisterung für Selenskyjs Waffenwünsche noch werden? Jede Sauerei unterstützen, Hauptsache, es geht gegen die Russen und fördert die amerikanische Waffenlobby? Vielleicht auch Agent Orange und Napalm? Das wäre doch auch noch was aus dem bewährten Arsenal westlicher Werteverteidigung. Ich muss gestehen, allmählich lässt sich diese Kriegswildheit nur noch als Zyniker aushalten. Ich will sie aber nicht aushalten und rufe jedermann und jede Frau dazu auf, alles an politischem Willen und Kraft aufzuwenden, dieser Kriegslust Einhalt zu gebieten! Fritz Philipp Mathes, Pforzheim

Angesichts des unbefriedigenden Verlaufs der ukrainischen Gegenoffensive sehen die US-Militärs im Einsatz von Streubomben offensichtlich ein geeignetes Mittel, die personelle Überlegenheit der russischen Kräfte zu dezimieren. Weitere Eskalation und hohe Opfer unter der Zivilbevölkerung werden billigend in Kauf genommen. So wird versucht, ein für die USA bislang außerordentlich positives Ergebnis des russischen Angriffskrieges zu verstetigen, nämlich die infolge massiver Aufrüstung und gewendeter Energiebeschaffung der europäischen Staaten extrem angestiegene Nachfrage nach Dollars.

Rolf Alterauge, Neuwied

„USA liefern Streumunition und ernten viel Kritik. Während Kyjiw Bedenken entgegentritt, äußern Nato-Verbündete Vorbehalte“, taz vom 10. 7. 23

Mit dieser Menschheit?!

Die Russen haben in Mariupol Streumunition eingesetzt, auf Biegen und Brechen. Es ist ein Unding, dass wir, die wir bemüht sind, den Frieden auf Erden zu bewahren, dass wir uns verpflichten, so etwas nie einzusetzen, obwohl man weiß, dass es Staaten gibt, die sich einen Dreck darum scheren und Nutznießer der selbst auferlegten Verpflichtung sind, diese Waffen komplett zu vernichten. Für einen weltweiten Frieden muss eine neue Menschheit erschaffen werden – mit dieser Menschheit ist es ein Traum, der weiter weg ist als die Entdeckung von Leben auf einem Exoplaneten. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Lutz Haferkorn, Oberreute

Ich bin immer wieder überrascht, wie vollkommen unmoralische Vorgehensweisen relativiert und gerechtfertigt werden, weil sie militärisch sinnvoll erscheinen. Und wenn die ukrainische Führungsclique sich entscheidet eine schmutzige Bombe zu benutzen!? Dann helfen wir auch noch mit? Ich sehe diese Eskalationsspirale, bei der der Westen immer mehr Glaubwürdigkeit verliert, als sehr besorgniserregend. Und ja, ich verstehe die Frustration sehr gut, dass der Krieg nicht so läuft wie erwünscht. Alexander Schulz

Wenn die Ukrainer lieber Streubomben im eigenen Land nutzen als auf dieses Mittel zum Kampf gegen russische Aggressoren zu verzichten, dann ist das ihre Entscheidung! Es wäre eine bodenlose Scheinheiligkeit und dreist, den Ukrainern hier Vorwürfe machen zu wollen, weil sie nicht unter russischer Terrorherrschaft leben möchten. Um jeden Preis. Das ist ihre Entscheidung. Es kümmert eh keinen der Beteiligten, was die deutsche Regierung findet. Catahoula auf taz.de

Wenn man gewollt hätte, dass sich ukrainische Akteure an humanitären Regeln orientieren, hätte man sie nicht in ihrem Eifer bestärken dürfen, sich mit allen Mitteln zu verteidigen und sogar Rückeroberungen längst verlorener Gebiete anzustreben. Jetzt auf einmal, am 500. Tag des russischen Angriffskriegs, ausgerechnet jetzt, wo es nicht so gut läuft und die „Rückeroberung“ stockt, beim nächsten Schritt der Totalitarisierung die Stirn zu runzeln, ist weder kohärent noch den Ukrainern vermittelbar.

Günter Picart auf taz.de

Ich schwöre, ich habe drauf gewartet – auf euer kleines Streubombeneinmaleins. Auf die Relativiererei. Kleine Streubömbchen, das geht schon …? Schritt für Schritt in die Verrohung, das ist die inhumane (Kriegs-) Dynamik in den Köpfen.

Klaus Friedrich, Kaufungen

Die Ukraine kann entscheiden, was sie will. Für uns ist das aber keinerlei Verpflichtung, den Einsatz geächteter Waffen zu unterstützen oder gutz heißen.

Andreas J auf taz.de

„Das ist so zynisch!“

„Deutschland ist Kriegsziel“,

taz vom 10. 7. 23

CDU-Verteidigungspolitiker Kiesewetter beschreibt den Einsatz von Streumunition in ohnehin verminten Frontabschnitten ohne Zivilbevölkerung als „eine der wenigen Ausnahmen, wo dies legal ist“. Das ist so zynisch, dass ich gar nicht mehr wissen möchte, was die angeblichen anderen Ausnahmen sein könnten. Militaristen sollten gezwungen werden, die Folgen ihrer grausamen Empfehlungen und Entscheidungen eigenhändig zu beseitigen, das heißt hier: Minen räumen! Herr Kiesewetter wünscht sich „dasselbe Maß an Empörung und dieselbe Diskussion, wenn es um Russland geht“. Meine Empörung über den russischen Angriffskrieg erreicht die Adressaten nicht – muss ich nun befürchten, dass meine Empörung über Streumunition „meine eigenen Leute“ auch nicht erreicht, die feigen deutschen Politiker, die sich nicht trauen Uncle Sam zu kritisieren? Gelobt sei die schnelle und deutliche Reaktion der spanischen Regierung. Marlies Beitz, Stuttgart

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen