piwik no script img

wortwechselAlles und noch viel mehr: Wachstum zerstört Klima

Kriminalisiert der Kapitalismus die aktive Klimaverteidigung? Die Naturvergiftung soll ungebremst weitergehen – im Namen des Wachstums? Wer wird umdenken? Und wann?

Grüne gerechte Autos?

„Illusion grünes Wachstum“,

taz vom 15. 11. 22

Ulrike Herrmann schrieb, in Zukunft sollten „nur“ noch 30 Millionen PKW in Deutschland unterwegs sein. Nun gibt es in taz-Kreisen wohl viele Menschen, denen globale Gerechtigkeit ein Anliegen ist. Übersetzt man dieses Anliegen damit, dass jedem Menschen auf der Erde ein gleicher Anteil am materiellen Wohlstand zusteht, stehen gut 8 Milliarden Menschen weltweit insgesamt cirka 3 Milliarden PKW zu. Laut Umweltbundesamt gab es 2021 weltweit 1,245 Milliarden PKW. Die Gesamtzahl an PKW müßte sich also mehr als verdoppeln, um allen Menschen den gleichen Anteil wie uns hier in Deutschland zu gewähren. Das werden KlimaschützerInnen wohl nicht wollen. Die Zielmarke 30 Millionen PKW für Deutschland beinhaltet also letztlich, dass die globalen Ungleichheiten erhalten bleiben sollen! Theodor Holtendorp, Köln

Im Prinzip Irrsinn

betr: Letzte Generation

Ich habe mich dabei erwischt, die Klimaaktivistinnen und Aktivisten der sogenannten Letzten Generation – angesichts des schrecklichen Vorfalls mit der verspäteten Rettung einer Radlerin aufgrund des Staus – vorzuverurteilen. So tragisch sich auch alles zugetragen hat, bin ich beim zweiten Nachdenken zu dem Schluss gekommen, dass das eigentliche Problem die zigtausend AutofahrerInnen sind, die sich tagtäglich dafür entscheiden, in ein völlig überdimensioniertes Fahrzeug zu steigen, um ihren einzelnen Körper von A nach B und wieder zurück zu transportieren. Es braucht wohl diesen zivilen Ungehorsam, um der Zivilgesellschaft klarzumachen, welch ein Irrsinn das im Prinzip ist. Auch, dass Rettungsgassen noch nie wirklich funktioniert haben, ist bezeichnend für eben die autofahrende Klientel. Ulrich Herzau, Berlin

Kaputtes System retten?

Grüner Kapitalismus, rote Paprika – und ein Ausweg nicht in Sicht“,

taz. am Wochenende vom 19. 11. 22

Hallo Herr Augustin, danke für Ihren sehr guten Artikel, der deutlich macht, dass das Thema „grünes Wachstum“ viel zu komplex ist, um nur aus einer Sichtweise in Gänze dargestellt zu werden. Allein zu Ihrer Aussage über die Familien mit mittlerem Einkommen und dem eigenen Häuschen im Grünen habe ich eine ganz andere Meinung. Das Häuschen im Grünen ist ein Anspruchsdenken aus genau dem Kapitalismus, den wir in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in positiver Weise erfahren durften – obwohl der Krieg die grausame Voraussetzung dafür war. Dieses vielfältige Anspruchsdenken leitet Sie zu der entscheidenden Frage: Wie soll man das System retten, das nicht mehr funktioniert? Sollte sich unser Anspruchsdenken nicht ändern, ändert sich das System nicht. Das „Wie“ kenne ich auch nicht, erfahre ich doch schon bei mir selbst die größten Widerstände. Sind es alte Gewohnheiten, die kaum zu überwinden sind? Frank Schulte, Aachen

Das „monetäre Weltbild“

Sehr geehrter Herr Kersten Augustin, derzeit ringt der „alte“ Kapitalismus um seinen globalen Herrschaftsanspruch, den er mit Wurzeln im Nichts für „Geldschöpfung“ begründet. Naturwissenschaftlich sind die Axiome der Wirtschaftswissenschaft, die ein monetäres Weltbild entwerfen, unhaltbar. Der Herrschaftsanspruch vom Kapitalismus wurde im parlamentarischen Diskurs über einen Kohlenstoffpreis offenbart: „Ein höherer Preis wäre sinnvoll, schadet aber der Wettbewerbsfähigkeit.“ Ich empfehle den Sturz vom monetären Weltbild durch kreative Zerstörung. Im Grunde eine Substitution von bestehenden Axiomen in neue Axiome, um ein neues Weltbild zu schaffen. Matthias Losert, Waiblingen

Das Konkurrenzdenken

„Es führt ein Gleis nach nirgendwo“,

taz vom 16. 11. 22

Es ist wie ein roter Faden: Jetzt im Jahre 2022 wurde die zweite Spur und die Elektrifizierung der Strecke Oldenburg-Wilhelmshaven fertiggestellt. Der Containerterminal Wilhelmshaven ist aber, nach 6-jähriger Bauzeit, schon seit 2012 in Betrieb! Liegt es vielleicht am Konkurrenzdenken der Lokalpolitik, die Hamburg und Wilhelmshaven entgegen den öffentlich beteuerten „gemeinsamen Interessen“ im Wettbewerb sehen? Die Deutsche Bahn hat ihren Sitz in Hamburg! So wird vieles wieder logisch. Martin Bosch, Geestland

Protest kriminalisiert

„Klima-Kleber kriminell?“,

taz. am Wochenende vom 3. 12. 22

Ein Rechtsstaat ist ein Staat, in dem keine Willkür herrscht, sondern in dem geregelt ist, was recht und was unrecht ist. Politiker können oft nicht viel mehr tun, um als „durchsetzungsfähig“ zu gelten, als neue Gesetze zu schaffen – oder zu fordern. Aber ist es nicht absurd, wenn sie sich dabei darauf berufen, dass „der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herum tanzen lassen dürfe“?

Wie viel Rechtsstaat ist das, wenn für ein Verhalten nicht geltende Gesetze gelten sollen, sondern neue? Das klingt, als wollten diese Politiker den Souverän für dumm verkaufen.

Andrea Schultz-Wild, Kommen

Und wenn alles kippt?

„Die Rechnung, bitte!“, taz vom 26. 11. 22

Ich habe mich bisher noch nicht an eine Straße geklebt. Obwohl ich mir sicher bin, dass die tatsächlichen Dimensionen des Klimawandels nicht einmal ansatzweise in unserer Wahrnehmung angekommen sind. Die heftigen Zerstörungen im Globalen Süden werden von uns verdrängt. In vielen Ländern Asiens und Afrikas fehlt nach mehreren Jahren von ausbleibenden Regenzeiten und Überschwemmungen schon 2022 jegliche Zukunftsperspektive, um sich ernähren zu können. Mehr als ein Drittel (!) von Pakistan stand 2022 unter Wasser. Der Irak hat allein im Jahr 2022 die Hälfte (!) seiner Ackerfläche durch Dürre verloren. In einigen Staaten Ostafrikas waren die Auswirkungen der Dürre in den letzten Jahren noch dramatischer. Kurt Lennartz, Aachen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen