wortwechsel: Die Katastropheder Korruption
Das Unglück im Hafen von Beirut wäre vermeidbar gewesen, hätte die korrupte Regierung Verantwortung übernommen. Nach Protesten ist sie zurückgetreten. Wie geht es weiter?
„Neuwahl nach Protesten in Beirut: Wut, Trauer und Verzweiflung“,
taz vom 8. 8. 20
Konstruktiv, aber wie?
Jaja, die Wut, alle sind immer so furchtbar wütend, dass man es in jeder zweiten Überschrift lesen kann. Ich weiß nicht, was mich daran mehr anödet, die Stereotypie oder die Stupidität. Ich habe heute mit Freunden in Beirut kommuniziert; vor einem Jahr saßen wir noch dort zusammen, wo nun alles in Schutt und Asche liegt. Die Freunde pflegen allerdings eher den konstruktiven Ansatz. Sie mögen damit, vor allem und gerade auch im Libanon, in der Minderheit sein. Das ist aber nicht das Problem der Minderheit.
Trango auf taz.de
Kann das hier passieren?
Bevor es zur Mega-Explosion mit so vielen toten, schwerverletzten und obdachlosen Menschen in Beirut kommen konnte, lagerte das Ammoniumnitrat sieben Jahre lang im Beiruter Hafen. Kann so etwas auch in Deutschland passieren? Zwar nicht mit Ammoniumnitrat, dafür aber mit den US-Atomwaffen nahe dem Fliegerhorst in Büchel, Rheinland-Pfalz? Denn US-Präsident Donald Trump betrachtet zumindest im US-Wahlkampf „Merkel-Deutschland“ mittlerweile als seinen „Lieblingsfeind“, weil wir sein wahnsinniges US-Wettrüsten im Rahmen der NATO nicht mitmachen und Nord Stream 2 bauen lassen. Deshalb ist es nicht auszuschließen, dass irgendein Wahnsinniger eines Tages – natürlich versehentlich – den Atomknopf in Büchel drückt. Schließlich war es US-Amerika, das im Jahr 1945 als erstes und bisher einziges Land Atombomben abwarf – auf Hiroshima und Nagasaki in Japan. Vor 75 Jahren.
US-Atomwaffen raus aus Deutschland, damit wir nicht alle zu „Beirut 2“ werden!
Roland Klose, Bad Fredeburg
„Angekündigte Neuwahlen im Libanon: Das System muss reformiert werden.“, taz vom 9./10. 8. 20
Ein neues System?
„Das Narrativ, der Libanon würde ohne die Aufteilung der Macht zerfallen, ist die Lebensader der Eliten. Tatsächlich muss genau dieses System enden.“ Eine Frage an die Autorin: Wogegen man demonstriert, da scheinen sich die meisten Menschen einig; wie ein neues System aussehen sollte, scheint mir aber unklar zu sein. Glauben Sie, dass bei Wahlen weiterhin von einer Mehrheit in den alten Kategorien Religion, Ethnie et cetera abgestimmt würde, wenn es das Proporzsystem nicht mehr gibt? Sven Günther auf taz.de
Ausgerechnet Macron?
Unter den Blinden ist der Einäugige halt König. Dass ausgerechnet der französische Präsident Macron ein Politiker ist, der für sie einsteht, haben viele Franzosen offenbar nicht bemerkt bisher. Sie wären sonst nicht monatelang Sturm gelaufen gegen ihre Regierung, bevor Corona für Krankenhaus-, um nicht zu sagen – für Friedhofsruhe gesorgt hat. Aber klar: Womöglich sind ja „die Franzosen“ einfach nur undankbarer und/oder dümmer als „die Libanesen“?
Besonders wahrscheinlich ist das allerdings nicht. Wahrscheinlicher ist, dass es leichter ist, fremder Herren Untertanen verbal von den eigenen Qualitäten zu überzeugen, als den eigenen Untertanen gegenüber den praktischen Beweis zu erbringen, dass man ein guter König ist.
Im Übrigen gilt natürlich umgekehrt, dass jede Regierung nur so gut sein muss, wie das Volk es von ihr verlangt. Und offenbar verlangt das französische Volk von seiner Regierung mehr Qualitätsarbeit als das libanesische.
Das libanesische Volk scheint sehr leicht zufriedenzustellen zu sein. Genau wie die Eliten aller Herren Länder liebt es jeden, der ihm sagt, was es gern hören möchte – und es ansonsten nicht weiter behelligt. Mowgli auf taz.de
Ein Apartheitsstaat?
Jetzt wäre vielleicht auch mal der Moment, über den Apartheitsstaat Libanon zu sprechen? Werwill Daswissen auf taz.de
Das ist „Whataboutism“
@Werwill Daswissen: Das südafrikanische Apartheidsregime liegt schon auf dem Müllhaufen der Geschichte. Viele Unrechtsregime liegen dort. Auch wenn viele Unrechtsregime viel schlimmer mit Menschen umgegangen sind, als es Israel unter Netanjahu mit den arabischstämmigen Bewohnern praktiziert, und auch wenn es auf palästinensischer Seite auch Terroristen gibt, rechtfertigt das nicht die fortgesetzte Verletzung von Menschen- und Völkerrecht. Ihre Argumentation zum Libanon ist ein klassischer logischer Fehlschluss, heutzutage als „Whataboutism“ bekannt. Paco auf taz.de
Auf Diplomatie warten?
„Wichtig ist, was den Menschen hilft“,
taz vom 7. 8. 20
Sie schreiben: „Das Angebot Israels wiederum kann kaum als Annäherung gesehen werden. Schafft es wirklich Frieden, Verletzte zu behandeln, Geld oder Medizin zu schicken? Um die verhärteten Fronten zu klären, braucht es eher eine gemeinsame diplomatische Ebene.“
Unbenommen des historischen, gesamtpolitischen Hintergrundes, den Sie ja skizziert haben: Merken Sie nicht, wie mitleidslos und zynisch Sie an dieser Stelle mit den Opfern der Explosionskatastrophe umgehen?
Tausende sind verletzt und benötigen unmittelbare medizinische Hilfe. Das einheimische Gesundheitssystem ist völlig überfordert, überrollt. In dieser Situation zählt jede schnelle Hilfe, jede Ärzt:in, jede Pfleger:in, jedes medizinische Hilfsgut. Israel ist der nächste Nachbar, vom nicht in Frage kommenden Syrien einmal abgesehen. Trotzdem über die Verletzten hinwegsehen, hat ja keine Eile, erst mal „eine gemeinsame diplomatische Ebene schaffen“ – zwischen Hisbollah und Israel?
Und bevor die Regierung „politischen Selbstmord“ begeht, dürfen die vielen Verletzten ruhig ein bisschen leiden?
Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. Name ist der Redaktion bekannt
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