wortwechsel: Bringt sich Söder als Kanzlerkandidat ins Spiel?
Die Bilder mit Angela Merkel in historischer Kulisse sprechen Bände, aber Markus Söder bleibt Freistaat treu, oder? Anarchie ist mehr als Krawall und Chaos, wissen Leser:innen
Einheitliches Auftreten
„Halb Polen angePiSst“, taz vom 14. 7. 20
Polen gehört wie Russland zu Europa. Und Europa wird mit den großen Nationalstaaten China, USA, Brasilien nur gestalten können, wenn es einheitlich auftritt. Wie weit wir von der Gestaltung europäischer Vorstellungen entfernt sind, zeigt der jüngste Wahlausgang. Die anderen genannten Länder haben andere, nicht minder gravierende Schwierigkeiten.
Doch was hätte ein anderer Wahlausgang gebracht? Von Diskussionen bezüglich der Klimakrise, Kohleausstieg et cetera habe ich nichts gelesen. Die uns bestimmenden Entwicklungen werden noch nicht einmal wahrgenommen, geschweige denn angegangen. Klaus Warzecha, Wiesbaden
Kommunalwahl nutzen
„Zu viel Kohle für die Kohle“,
taz vom 15. 7. 20
Der gute Riecher für stabile Investitionen mit profitablen Renditen und gediegener wirtschaftlicher Absicherung hat Blackrock durch Dividenden sehr erfolgreich gemacht. Demnach ist davon auszugehen, dass dem Szenario eines forcierten Kohleausstiegs in der Zentrale des Geldkonzerns („Europas größter Aktionär“) wenig Bedeutung beigemessen wird. Im Übrigen entschädigt Deutschland in der Regel großzügig nach Paradigmenwechseln bei Entzug von Genehmigungen und Förderungen. Die aktuellen Entscheider:innen in der Politik werden sich schon wegen vielerlei Querverbindungen zur Energiewirtschaft, beispielhaft sei das RWE-Engagement der Kommunen genannt, bei weiteren Strategiewechseln von den Siebenmeilenstiefeln fernhalten.
Die Bürger:innen können aber bald erneut Einfluss nehmen: Kommunalwahlen haben ihre Bedeutung als Regulativ lokal und als Seismograf bundesweit zuletzt noch stets bewiesen.
Martin Rees, Dortmund
Mehr als Krawall
„Eine Nacht der Anarchie im Zentrum von Belgrad“, taz vom 9. 7. 20
Wenn Demonstrant*innen mit der Polizei zusammenstoßen, Gegenstände geworfen und Tränengas verfeuert wird, dann ist das nicht Anarchie. Diese Gleichsetzung von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Herrschaftsfreiheit kenne ich sonst nur aus der bürgerlichen, konservativen Presse. Anarchismus ist ein politisches Ideal mit vielfältigen Formen und Strömungen. Die Gleichsetzung von „Anarchie“ mit Demos, bei denen es knallt, ist dann doch schon eine arg vereinfachte Sicht auf die Dinge.
Anja Westphalen, Frankfurt a. Main
Mach’s wie Gandhi
„Eine Nacht der Anarchie im Zentrum von Belgrad“, taz vom 9. 7. 20
Immer mal wieder bin ich erstaunt, irritiert und spachlos, wie der Begriff
„Anarchie“ in der taz verwendet wird. Seit der Antike wird Anarchie negativ bewertet und verwendet:
Anarchie sei Unordnung, Chaos, destruktiv und Gewalt – und wird es heute noch. Anarchie sei GEGEN Etwas. Viele, die sich als Anarchisten_innen bezeichnen, sind FÜR etwas: eine herrschaftsfreie Gesellschaft, für ein Leben in Kooperation,
Genossenschaften, für ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit unter Gleichen, mit basisdemokratischer Teilhabe und Entscheidungen in allen gesellschaftlichen Bereichen. „Ich selbst bin Anarchist“ (Gandhi), von der obigen Art.
Reiner Schulze, Berlin
Neue Staatsform?
„Ein Traumpaar im Märchenschloss“,
taz vom 14. 7. 20
Jetzt wird es langsam unheimlich mit den Politelitären in Deutschland, denn wie man sieht, befinden wir uns auf dem Weg zu einer abs(urde)oluten Monarchie. Kutschfahrten wurden bereits geübt und die „Monarchin“ hat schon mal Winken zum Volk geübt, während der Kronprinz im Sonnenlicht strahlend danebensitzt. „Daneben“ ist eigentlich das richtige Wort, denn daneben ist die Aufmachung, die man in Zeiten von Corona betreibt, um sich ins künftige Wahllicht zu stellen. Schaut man in den Spiegelsaal und sieht das Gefolge des Herrscherpaares an dem überladenen Tisch, dann zeigen diese Leute doch dem Volk, was sie von ihnen halten. „Wir da oben und die da unten“ grüßt aus der Tausendjährigen Geschichte der Vergangenheit. Wenn man die Berichte in den Medien liest, stellen sich die Hofnarren schon in Position, um das künftige „gemerkelte Blödergeschlecht“ in Deutschland zu etablieren. Den neuen „Reichssitz“ hat man ja mit Schloss Herrenchiemsee schon eingeweiht.
Peter B. Sanden, Oldenburg
Kanzlersitz Bayern?
„Ein Traumpaar im Märchenschloss“,
taz vom 14. 7. 20
Das waren grandios kitschige Bilder aus dem Bilderbuchland Bayern. Hier trafen sich die zwei, die auszogen sind, um sich am Chiemsee in trauter Einigkeit zu üben, und um sich selbst zu beweihräuchern. Markus Söders Platz sei hier im Freistaat, das betone der Bayerische Ministerpräsident auch auf Herrenchiemsee immer wieder.
Denkbar wäre doch auch das „Worst-Case-Szenario“, dass er als Kanzler von Bayern aus, die Bundesrepublik regieren könnte. Why not? Ulrike Schwarz, Büchenbach
Und Armin Laschet?
„Ein Traumpaar im Märchenschloss“,
taz vom 14. 7. 20
Ein Kanzler Söder wäre möglicherweise die Antwort auf all unsere politischen Fragen. Er beherrscht inzwischen nicht nur das „Bäumchen, wechsle dich“, er umarmt und lebt seine neuen Prinzipien mit Verve und dem geschmeidig-unabdingbaren Willen zum gestalterischen Konsens; nicht zuletzt augenfälligst mit und mithilfe der Bundeskanzlerin. Inkonsistent sind allenfalls noch die repräsentativen Worte und Zeichen hinsichtlich seiner mittelfristigen Karriereambitionen, was freilich (ebenfalls) strategisch bedingt sein mag.
Für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet indes, dessen grundsätzliches politisches Geschick in der viralen Krise bislang leider regelmäßig die Ausnahme war, bleibt bei allen Corona-bedingten Untiefen womöglich nur die Kanzlerschaft der Herzen. Ira Bartsch, Lichtenau-Herbram
Zu viele Einzelfälle
„Polizeichef ist Job los“,
taz vom 14. 7. 20
Eine NSU 2.0 bedroht unliebsame Politiker gleich über Polizeicomputer. NSU, ein brauner Sumpf, der nie wirklich aufgeklärt wurde, wie bekanntlich lautstark versichert. Die Wertegesellschaft scheint Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat ganz anders zu verstehen, als es uns weisgemacht wird. Ungeachtet dessen haben erst vor wenigen Tagen in bekannten Talkrunden namhafte Politiker und Verantwortliche hitzig jeden Verdacht gegenüber der Polizei von sich gewiesen. Wer Vorwürfe erhebt, der erlebt, wie über ihn hergefallen wird und alles bestenfalls Einzelfälle sind. Mit Aufklärung der Einzelfälle ist es längst nicht mehr getan. Der Defekt ist im System und wuchert dort. Polizei und Justiz sind nur das Gewaltmonopol des Staates. Sie tun und handeln nicht anders, als es Staat und Regierung letztlich dulden und erwarten. Roland Winkler, Aue
Maskenpflicht? I wo!
„Akt der Rücksichtnahme“,
taz vom 6. 7. 20
Als regelmäßiger Fahrgast der öffentlichen Verkehrsmittel im Ruhrgebiet bin ich schockiert über die mittlerweile so schlampige Verhaltensweise vieler Fahrgäste. Im Schnitt ziehen meiner Erfahrung nach gut die Hälfte aller Mitfahrerinnen und Mitfahrer ihre Maske während der Fahrt von der Nase. Derartiges Verhalten wird in aller Regel auch vom Personal unkommentiert hingenommen. Mit einem derartigen Desinteresse an der Gesundheit von Mitbürgerinnen und Mitbürgern kommen wir dem Coronavirus nicht bei. Mark Monetha, Dortmund
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