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wortwechselNach dem Lockdown: Der Klimawandel schläft nicht

Klimaschutz braucht klare und verständliche Regeln. Wie geht es nach dem Lockdown mit der Klimabewegung weiter? Und: bitte das Coronavirus nicht unterschätzen!

Klare Regeln

„Mehr Geld muss mehr Klimaschutz bringen“, taz vom 29. 6. 20

Wissenschaftler sagen, dass für das Klimaziel 1,5 Grad die Reduktion der Treibhausgase 65 oder 68 Prozent betragen muss gegenüber 1990. Aber Frau Schulze hält dagegen: „Als Umweltministerin sage ich, wir brauchen 55 Prozent“. Und: „65 Prozent sind da schwer vorstellbar. Ich weiß nicht, wie man das einstimmig hinkriegen soll.“ Politiker*innen sind souverän. Sie sind es gewohnt, Probleme kleinzureden, auszusitzen, Kompromisse zu schließen. Nur: Mit Naturgesetzen kann man nicht verhandeln. Corona hat gezeigt, dass mit klaren, begründeten und gerechten Regeln für alle die Bevölkerung zu solidarischem Handeln gebracht werden kann. Wir brauchen Klarheit für Ziele und Regeln für die Aufgabe des Überlebens, orientiert an Fakten, und nicht halbherzige Vorgaben, die im Desaster enden werden. Warum wird die Wissenschaft hier ignoriert?

Thomas Bernhard, Koblenz

Neue Mitte

„Raus aus der Nische“, taz vom 27. 6. 20

Eine Partei will nach oben. Und verwässert ihre eigene hart umkämpfte und (auch dafür) geliebte Grundhaltung. Denn sie will zukünftig die Mitte sein. Viel schlimmer noch: Sie spiegelt mit jeder Erneuerung mehr und mehr die Ideologien der Mehrheit ihres noch schwarz ummantelten (zukünftigen) Wählervolkes, das es zu gewinnen gilt. Wo bleibt nach der Verkonservativierung der grüne Unterschied? Waren es nicht gerade die Alternativen, die ihnen ihren Kosenamen gaben? Sind es dann „alte Alternative“? Es tut mir leid, aber die Grünen entwickeln sich immer deutlicher in eine Richtung, in der sie für mich mehr und mehr weniger wählbar werden, weil sie sich nur noch farblich von Ihren Mitbewerbern unterscheiden. Als Mogelpackung ein Fall für die Verbraucherzentrale. Vermutlich wird auch mit dieser Partei kein Ruck durch Deutschland gehen. Markus Leuschner, Preetz

Zukünftige Dynamiken

„Wie gelingt Klimaschutz nach dem Lockdown?“, taz vom 11. 6. 20

Während des Lesens des Streitgesprächs „Ihr müsst ein Wagnis eingehen“ zwischen Luisa Neubauer und Tadzio Müller über die zukünftige Richtung der Klimabewegung ist mir eine Argumentationsweise immer wieder aufgestoßen: „Aber wie senkt das KONKRET die Emissionen?“ Sowohl beide InterviewpartnerInnen als auch die InterviewerInnen sind auf diesen Frame fröhlich aufgesprungen. Dabei geht es meiner Ansicht nach überhaupt nicht darum, mit konkreten Aktionen das Klima zu retten. Das wäre abseits realistischer Möglichkeiten in der gegenwärtigen klimapolitischen Gefechtslage.

Stattdessen wäre es hilfreich, das bewegungstheoretische Konstrukt des gesellschaftlichen Kipppunktes aufzugreifen und einzelne Aktionen und Streiks eher (wie Luisa zu Beginn anriss) in einen langfristigen Prozess eingebettet zu sehen. Dabei baut sich kollektiv nach und nach eine mehr und mehr nach Auflösung strebende gesellschaftspolitische und individuelle Dissonanz auf, die sich dann zu einem nicht näher zu beeinflussenden Zeitpunkt entlädt und politische und institutionelle Veränderungen erdrutschartig erzwingen wird.

Leonard Ganz, Düsseldorf

Kühe keine Klimakiller

„Zu viel Milch fürs Klima“,

taz vom 16. 6. 20

Frau Sandra Röseler schreibt in Ihrem Artikel, dass die Klimabilanz von Kuhmilch wegen der Methanemissionen der Kühe besonders schlecht sei.

Ich schreibe Ihnen nicht nur, weil mir die Kühe in jahrzehntelanger Zusammenarbeit sehr ans Herz gewachsen sind, sondern weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass sie für eine gesunde, dauerhafte Bodenfruchtbarkeit und eine hohe Nahrungsqualität außerordentlich wertvolle Dienste für uns Menschen leisten. Zu der Ansicht, Kühe seien Klimakiller, kann man gelangen, wenn man nur auf einzelne Faktoren im Gesamtgeschehen der Landwirtschaft schaut. Sie sind es aber eben nicht, wenn man sie ökologisch und wiederkäuergerecht füttert und pro Fläche nicht mehr Tiere hält, wie von dieser ernährt werden können.

Seit 10.000 Jahren züchtet der Mensch Tiere. Der Anstieg der klimaschädlichen Gase setzt aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein. Das hängt in erster Linie mit dem Verbrennen von Kohle, Öl et cetera zusammen.

Karlheinz Jahraus, Westheim

Geordneter Wechsel

„Ausbruch wagen: System Change!“,

taz vom 26. 6. 20

David Luys’ Kommentarspalte im taz-Teil „übernahme klimagerechtigkeit“ fasst alle wesentlichen Argumente dafür, dass das derzeit dominierende wirtschaftspolitische System, also der Kapitalismus, das Klimaproblem nicht nur nicht lösen kann, sondern es unausweichlich weiter verschärfen wird, logisch konzise zusammen und leitet daraus die einzig folgerichtige Konsequenz ab: System Change.

Okay, nur kann das eben nicht der letzte Schluss sein, sondern setzt zwingend einen breiten Konsens über die Grundzüge eines funktionierenden stabilen Systems danach voraus, das die entscheidenden Nachteile des Kapitalismus nicht hat.

Kay Gürtzig, Ilmenau

Gelassen bleiben

„Die Grundrechte der anderen“,

taz vom 3. 6. 20

Es gibt im Moment nur eine wirkliche „Risikogruppe“, die uns alle gefährdet: diejenigen, die die Gefahren dieser Pandemie ignorieren oder die sinnvollen Maßnahmen zur Eindämmung infrage stellen. Dies teilweise mit abstrusen Argumenten: dass es Viren gar nicht gebe, dass Impfungen generell nicht sinnvoll seien, dass es wieder einmal eine Aktion der politischen Kaste sei, die uns in unseren Grundrechten einschränken will.

Nutzen wir unseren Verstand, um aus der Fülle der Informationen nicht nur emotionale Schnellschüsse an Einstellungen abzuleiten, sondern nutzen wir ihn, um aus dieser überschwemmenden Medienlandschaft die redlichen wissenschaftsjournalistischen Beiträge, die redlichen Expertisen der Wissenschaftlicher (Virologen) und die hier und da auch angemessen agierenden Politiker*innen zu erkennen.

Das ist unsere Pflicht, um unser demokratisches Miteinander vor Fehlagierenden jeder Couleur und Halbwissen-Experten (auch in unserem eigenen sozialen Umfeld) die logische Stirn zu bieten, damit wir uns nicht aus dümmlicher Ignoranz unnötigerweise anstecken lassen müssen.

Wolf Paschen, Lüneburg

Energiehunger

„Himbeeren und Strom vom Acker“,

taz vom 28. 6. 20

Ja, die Klimakrise erfordert Detailstrategien, aber leider enden sie allzu oft im Tunnelblick. „Doppelte Sonnenernte auf knappen Flächen“ ist der marktstrategisch verführerische Slogan dafür. Freie Flächen, ob naturbelassen, geschützt oder landwirtschaftlich genutzt, sind ein wertvolles Gut, die Sicherung regionaler Ernährung ist es ebenfalls. Aber: Der Zerschneidungsgrad der Landschaft nimmt massiv zu, nicht nur durch Straßen und Zersiedlung, sondern auch durch landschaftsinvasive Technologien.

Es gibt mehr als genug geeignete, bereits versiegelte, überbaute Flächen, die hervorragend für Photovoltaik (PV) geeignet sind und die dezentral den Verbrauch nah am Erzeugungsort garantieren könnten. Es ist keine gute Idee Agro-PV als tragendes Zukunftsmodell zu entwickeln.

Im Agro-PV-Konzept haben Natur- und Landschaftsschutz keinen Stellenwert, Argumente wie Photovoltaik statt Folientunnel und Bodenschutz vor Klimawandelfolgen sind nur ein Feigenblatt für das vom technologischen Primat geprägte Denken. Es ist keine gute Idee, Agro-PV als tragendes Zukunftsmodell zu entwickeln, Himbeeren gedeihen auch hervorragend im Halbschatten von Bäumen.

Gisela Bräuninger, Wackernheim

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