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wortwechselZwischen sozialer Distanz und Quarantäne

Junge Menschen sind als „Superspreader“ verdächtig, andere leiden unter Vereinsamung. In der Gesellschaft ist jetzt Solidarität gefragt

Krise als Chance?

„Vermögende, zur Kasse bitte“,

taz vom 19. 3. 20

Vielleicht wird nach dieser Krise die Welt ja etwas besser, weil es endlich den nötigen Blick dafür gibt, wer oder was wirklich systemrelevant ist. Finde ich echt unglaublich, dass sich jetzt Politiker hinstellen und Berufsgruppen aufzählen, die bisher mit schlechter Bezahlung und miesen Arbeitsbedingungen abgespeist wurden.

Der Neoliberalismus hat für die Reichsten ein Paradies geschaffen, für die überwiegende Mehrheit dagegen vor allem Nachteile. Das muss nicht so weitergegen, das ist kein Naturgesetz! Es wäre gut, wenn wir alle wieder ein bisschen mehr den Blick für das Wesentliche schärfen: Das Zusammenleben, eine intakte Umwelt und saubere Lebensmittel.

Stefan Bluemer, Essen

Generationen

„Stubenhocker for Future“,

taz vom 18. 3. 20

Das Narrativ, die Jungen müssen solidarisch mit den Alten sein, die Jungen werden für die Alten eingesperrt et cetera ist nach der Krise vielleicht nützlich für Fridays for Future, aber ansonsten Quatsch.

Erstens: Junge Leute müssen nicht mit Alten solidarisch sein. Es reicht, wenn sie mit ihren Freunden solidarisch sind, sie ihre Eltern und Großeltern lieben und nicht verlieren möchten. Ich hätte gedacht, das wären einige.

Zweitens: Es stimmt nicht, dass das Virus keine Jungen tötet. Ja, das Virus tötet mehr Alte als gesunde Junge, aber es tötet auch Junge. Und die verlieren jeweils viel mehr Lebenszeit!

Silke Karcher, Berlin

Junge Kosmopoliten

„Für eine Handvoll Likes“,

taz vom 19. 3. 20

Es ist wichtig, dass wir als Gesellschaft, vor allem als junge Menschen, die fit und mobil sind, realisieren, in was für einer ernsten Situation wir uns momentan befinden. Wir als Gesellschaft stehen unter Risiko. Dies bedeutet, dass gerade zusammen im Park sitzen und all die Reisepläne, die man im Frühling sonst gerne schmiedet, nun nicht möglich sind. Vielen Menschen bereitet das Angst. Die verschiedenen Herangehensweisen von Regierungen führen schnell zu Unsicherheit und Unverständnis über deren Notwendigkeit. Wir alle haben eine Verantwortung in dieser Zeit, unsere nicht überlebenswichtigen Bedürfnisse, dazu zählt auch der Cafébesuch, hinter dem Allgemeinwohl anzustellen, um die Gefährdeten in unserer Gesellschaft zu schützen und unser Gesundheitssystem vor einem Zusammenbruch zu bewahren. Dies wird gerade uns jungen, mobilen Europäern schwerfallen. Keiner kann im Moment vorhersagen, wie lange diese Situation anhalten wird. Zugleich können wir alle dazu beitragen, dass andere nicht unnötig gefährdet und Menschenleben geschützt werden.

Flora Wiegand/

Sabrina Wimmer, Bremen

Unter Generalverdacht

„Kein Ausdruck von Reife“,

taz vom 17. 3. 20

Im fast leer gekauften Supermarkt, wo ich Besorgungen für meine Familie machen wollte, sah ich auf dem Titelblatt der taz die neue Version von „Oma ist ne Umweltsau“. Innerlich musste ich n o c h grinsen. Ich brachte meinen drei Kindern ein Eis mit. Nach dem Händewaschen setzte ich mich mit ihnen auf eine leere Treppe des leeren Unigebäudes vor unserer Haustür. Eine Oma fuhr auf dem Fahrrad an uns vorbei und schrie, wir sollten sofort zwei Meter auseinanderrücken. Ich erwiderte, „wir sind eine Familie, wir leben zusammen!“ „Nein“, brüllte sie daraufhin, „Tausend Infizierte an einem Tag!“. Ich wiederum: „Doch, wir sind eine Familie, ob es Ihnen passt oder nicht.“ Stinksauer fuhr sie von dannen. Ich selbst war plötzlich genauso wütend. Wir Familien leben fast freiwillig unter diesen isolierten Umständen, die für unsere Personengruppe ein nervlicher Kraftakt ist, um unsere älteren Mitmenschen zu schützen. Ich frage mich, wohin diese Phase der Isolierung in einem Land wie unserem führt. Wir sind es alle nicht gewohnt. Ich spüre die Anspannung und eben auch die Hysterie um uns herum.

Silke Loser, Paderborn

Zwischentöne zulassen

“Stubenhocker for Future“,

taz vom 18 3. 20

Die junge Generation wird über einen Kamm geschert, mit Fridays for Future gleichgesetzt. Tatsächlich ist es, wie bei jeder sozialen und politischen Bewegung, dass sie nur eine Minderheit der jeweiligen Generation umfasst. Die allermeisten jungen Leute in Deutschland gehen eben (leider) nicht zu den Fridays-for-Future-Demos, sondern haben eher Angst, zu viel Unterricht zu versäumen als vor dem Klimawandel. Meine Ortsgruppe von Fridays for Future hat übrigens schon vor dem Shutdown dazu aufgerufen, zu Hause zu bleiben und den Protest vermehrt im Netz weiterzuführen, um Verantwortung für sich selbst und andere zu übernehmen. Vielleicht sind die meisten Corona-Party-Kids also gar keine Klima-Ak­ti­vis­t*in­nen, sondern eher die Gruppe, die ­genauso weiterkonsumieren will wie bisher. Mit dem zusätzlichen Charme, dass man mal was Verbotenes und dadurch Verwegenes tut. Das ist der nachwachsenden ­Generation ja sonst kaum mal vergönnt.

Iris Orth, Ludwigshafen

Prekäre Zustände

„Friseur ja, Kirche nein“,

taz vom 18. 3. 20

Neben der direkten Gefahr für die Gesundheit durch die Erkrankung machen mir vor allem die vermuteten Auswirkungen auf viele mehr oder weniger prekär Arbeitende Angst. Da reichen schon die Beispiele in meiner direkten Umgebung: Meine Musiklehrerin, die Trainerin beim Sport, der VHS-Dozent. Ich bin sehr froh, in einer Gesellschaft zu leben, in der viele Beschäftigte durch Tarifverträge und Arbeitsrecht vor wirtschaftlichen Katastrophen geschützt sind. Aber leider gibt es in dieser Gesellschaft auch die anderen, von denen ich oben ein paar erwähnt habe. Denen wird durch die Angebote der MinisterInnen nicht geholfen. Sie brauchen unsere Solidarität, zum Beispiel TeilnehmerInnenbeiträge für ausgefallene Kurse nicht zurückfordern.

Annette Hirtler, Berlin

Königin Angela

„Deutsche Gründlichkeit“,

taz vom 18. 3. 20

Frau Bundeskanzlerin Merkel hat gesprochen – als Mutter der Nation. Angemessen, ausgewogen, würdevoll. Und als Krisenmanagerin hat sie Worte für alle gefunden, präsidial, man traut es sich als erklärter Anti-Royalist kaum auszusprechen: höchst souverän, fast „queenlike“. Steht jetzt ihre Gefolgschaft hinter ihr? Zeigen wir als Community Solidarität und Empathie? Schwarmintelligenz kann uns helfen, unsere Überlebensstrategien zu adaptieren. Über erdgeschichtliche Vergänglichkeiten haben uns Geologen, Paläontologen, Klimaforscher und Biologen reichlich Daten geliefert, Dimensionen von Äonen. Jetzt müssen wir liefern, akut: Reduktionismus und Degrowth. Und wenn ich Robert Habecks Reaktionen deute: Frau Merkels „linke Seite“ leuchtet grün.

Martin Rees, Dortmund

Gender-Thematik

„Kurz durchatmen“,

taz vom 17. 3. 20

Für den Haushalt eingekauft wird überwiegend von Frauen, und da diese mehr auf Hygiene achten und ihre im Allgemeinen höhere Resilienz vorausschauender ist, werden in der Krise vermehrt Nudeln und Klopapier gekauft. Wie sinnvoll das auch immer sein mag, ist es ein Ausdruck der Verunsicherung. Kein Grund, sich darüber lustig zu machen.

Klaus-Peter Klauner, Brühl

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