wortwechsel: Verlieren, Gewinnen, Streiten und Stromsparen
Wie viel Strom brauchen wir? Wer darf von meinen Krankheiten wissen und hat das Konsequenzen für mich? Welche Rezepte gibt es gegen Hass?
Option: Stromsparen
„Windrad-Lösung in Sicht“,
taz vom 27. 2. 20
Endlich wird der Weg frei für Windräder im Westfalenpark Dortmund, im Grüngürtel in Köln, auf dem Tempelhofer Feld, im Olympiapark München, im Grünen Ring Hamburg, den Windpark auf Rügen und in Heiligenhafen direkt am Strand. Für den Strom in der Skihalle in Neuss oder Bottrop, für das Indoor-Surfen, die Beleuchtung des Kölner Doms oder des Fernsehturms auf dem Alexanderplatz, die vielen Elektroautos und -scooter, Stromfresser-Streaming, Standby-Betrieb im Smart Home und für Alexa. Und Wähler dürfte man kaum verlieren, die sind ja in der Regel in den Großstädten in der Mehrheit zu finden. Dort muss man nicht über Stromsparen diskutieren, der kommt ja von den Anlagen auf dem Land in die Steckdose. Erst wenn die ersten Windräder in den Grüngürteln der Städte aufgestellt sind, wird man merken, dass Stromsparen auch eine Option ist.
Franz Scharte, Harsewinkel
Gläserner Patient
„Ungesundes System“,
taz vom 20. 2. 20
Wie transparent sind wir durch Gesundheitsdaten und Krankengeschichten und mit welchen Folgen? Frank Schirrmacher („Big Data“) hatte es lange vorausgesehen, wir werden die Utopie „1984“ von George Orwell toppen. Ein höchst ungesundes System ist im Aufbau, gläsern durch Künstliche Intelligenz und riesige Datenmengen in vernetzten Strukturen. Akteure sind wir auf Internet-Plattformen oft freiwillig in Eigeninitiative, im Gesundheitssystem aber gesetzlich alternativlos. Den Beispielen von Svenja Bergt (u. a. Krebs und Demenz) füge ich als Datensätze von prognostischer Relevanz noch die über HIV-Infektionen bzw. sexuell übertragbare Erkrankungen sowie die über Arzneimittelverschreibungen, z. B. Tavor bzw. Ritalin hinzu. Warum? Private Versicherungen und auch Betriebs-/Amtsärzt*innen werden wegen der Risiko-Behaftung von Einstellungsverfahren bei unbefristeten Verträgen bzw. einer Verbeamtung nicht nur das Krebs- und das Demenzrisiko bewerten wollen, teuer wird die Morbidität bei Summation aller bekannten Risiken. Zur informationellen Selbstbestimmung gehört auch das Recht auf Nichtwissen. Bereits heute greifen verunsicherte Patient*innen zur Alternative des Privat-Rezeptes, um ihre Krankenkasse von der Informationskette der besonders sensiblen Daten abzuschneiden. Da Low-level-Digitalisierung in unseren Zeiten unmöglich erscheint, schlage ich ein Volksbegehren zu einem derart brisanten Thema „Big Data in der Medizin“ vor.
Martin Rees, Dortmund
Tesla I
„Unter Strom“,
taz vom 20. 2. 20
Als langjährig bei einem Ausstatter der Autoindustrie Arbeitender stelle ich drei Gesichtspunkte zur Diskussion:
Deutschland ist mit Fertigungskapazitäten für Autos überfrachtet und leidet erkennbar unter der Unbalanciertheit seiner Industrie. Deutet sich mit Tesla nicht für Deutschland eine Entwicklung in der falschen Richtung an?
Tesla hat gewaltige Schulden und bisher kaum Gewinne gemacht. In einer solchen Lage ist das Darstellen der eigenen Wachstumsüberzeugung eine bekannte Strategie, die sich mit der Hoffnung der Kapitalgeber verbindet. Ist nicht der Kampf um staatliche Subventionen im Zusammenhang mit der Erhaltung von Arbeitsplätzen absehbar?
Die zur Produktion vorgesehenen schnellen Fahrzeuge sind Stromfresser mit großen Batteriepaketen. Die Welt braucht solche Fahrzeuge nicht zum Überleben. Gut hört sich die Batteriefabrik an, die Teil des Projekts sein soll und hoffentlich nicht nur für Automobile gedacht ist. Nur spricht man zuletzt kaum noch darüber. Das Thema „Wasserversorgung“ ist offenbar aus überregionaler Sicht die Schlüsselfrage für das Projekt. Bisher gibt es von politischer Seite nur die Aussage, dass eine Lösung gefunden werden wird. Das ist heute in Anbetracht der schnellen Entwicklung zu wenig.
Jürgen Weinert, Birkenwerder
Tesla II
„Unter Strom“,
taz vom 20. 2. 20
Auch wenn die Fläche nun wieder gerodet werden darf: Leider sehen die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft durch ihre mit Dollarscheinen verklebten Brillen die Welt etwas zu rosarot. Die Produkte, die Tesla in dieser umstrittenen Fabrik bauen will, sind keinesfalls zukunftsfähig und nachhaltig. Es macht keinen großen Unterschied, ob 2 t schwere, 450 PS starke Maschinen nun elektronisch oder mit Benzin mit über 200 km/h durch die Landschaft bewegt werden. Das Konzept ist fast das gleiche: Ich stecke (sehr) viel Energie rein, um hinten etwas „Lebensfreude“ rauszubekommen. Auch wenn diese Vehikel nur umgerechnet 2 l Benzin/100 km verbrauchen sollen, „CO2-neutral“ ist elektrisch auch nur, wenn es sich um 100 % regenerativ „erzeugte“ Elektrizität handelt, und das wird lt. Plänen der Bundesregierung nicht vor 2050 der Fall sein. Wenn die Gesellschaft wirklich nachhaltig und zukunftsfähig leben will, dann sollte sie vielleicht die Worte „Giga“ und „Mega“ aus ihrem Wortschatz streichen und sich eher den Slogan „small is beautiful“ zu eigen machen.
Stefanie Klement, Darmstadt
Chancen und Bildung
„Entsetzen nach dem Terroranschlag in Hanau“,
taz vom 21. 2. 20
Diese Gesellschaft produziert Verlierer! Diese Erkenntnis sollte über allen Solidaritätsbekundungen gegenüber von Ausländerdiskriminierung und Hass betroffenen Menschen stehen! Im Bekennerschreiben von Hanau war davon die Rede, dass sich der Täter verfolgt fühlte, als jemand, dem der Aufstieg verwehrt wurde, der keine Chance hatte. Deprivilegierung als Ursprung von Einsamkeit, Suche nach Halt bei Gleichgesinnten abseits des alles überdeckenden Mainstreams. Ich möchte „uns“ den Spiegel vorhalten: Haben wir diesem Individuum eine Chance gegeben? Wie kann es passieren, dass die AfD eine zunehmende Anzahl von Wählern von einem Votum für demokratische Parteien abhält? Wir verleugnen die Realität, dass bei allem vorgespiegeltem Wohlstand immer mehr Menschen daran scheitern, sich nicht in das Raster dieser Wettbewerbsgesellschaft einfügen zu können. Auffällig ist doch: Es sind weiße, überwiegend gescheiterte Männer, die hier den Aufstand üben, entweder als Einzeltäter oder als Pegida. Mein wichtigstes Fazit: Bildung, Bildung, Bildung für alle, niemand darf auf der Strecke bleiben.
Dietmar Rauter, Kronshagen
Auskungeln oder Streitkultur?
„Es riecht verdammt nach Kampfkandidatur“,
taz vom 25. 2. 20
Was hat es eigentlich damit auf sich, dass, sobald sich mehr als ein Mensch zur Wahl stellt, stets von Kampfkandidatur gesprochen wird? Schätzen wir es doch, dass man wirklich eine Aus-Wahl hat. Dieser Begriff Kampfkandidatur trägt mit dazu bei, dass das doch eigentlich Gute, nämlich mehrere Bewerber*innen zu haben, einen negativen Touch erhält. Und somit etwas Übliches zu etwas Unnormalem wird. Und auch nur vorkommt, weil man sich uneins ist, wer es denn werden soll. Sprich, man befürwortet ein vorheriges Auskungeln der Person, die gewählt werden soll. Wenn das nicht gelingt, muss eben gekämpft werden. Was ist daran schlecht, wenn die Menschen, die sich zur Wahl stellen, aneinander messen und ihr Publikum sodann entscheidet, wer der/die Überzeugendere ist? Scheuen wir uns so sehr vor dem, was man Streitkultur nennen kann? Wäre schön, wenn zur Normalität in einer Demokratie auch das Vorhandensein von mehreren Kandidat*innen gehört.
Karin Stellmacher, Handewitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen