wortwechsel: „Ich hatte erinnert an christliche Kernbegriffe“
Auf diese Erinnerung des CDU-Politikers Walter Lübcke folgten Zwischenrufe wie „Scheißstaat!“ Am 2. Juni 2019 wurde Lübcke ermordet, vermutlich von einem Rechtsextremisten
„Wenn ein Politiker ermordet wird“,
taz vom 22./23. 6. 19
Ausgeblendet
Den Konservativen wäre es lieber, den Mord an dem Politiker den Linken in die Schuhe zu schieben als sich selbst. Man war jahrelang und ist bis heute auf dem rechten Auge blind. Lothar Wirth, Berlin
Gegen Feinde vorgehen
Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit toleriert der deutsche Rechtsstaat menschen- und demokratiefeindliche Ideologien und Bewegungen. Daher ist es auch keinesfalls verwunderlich, dass diese radikalen Weltanschauungen zunehmen und extremistische Personen immer aggressiver und gewalttätiger werden. Dieser Mord ist der traurige Höhepunkt von jahrelang zunehmender politischer Gewalt. Deshalb sollte ein demokratischer Staat viel früher und härter gegen seine Feinde (Islamisten und Rechtsradikale) vorgehen. Nur so wird dauerhaft eine liberale Gesellschaft mit bürgerlichen Werten gewährleistet. Julia Engels, Elsdorf
Und die Gerichte?
Wie wird es in der Bevölkerung aufgenommen, wenn Gerichte entscheiden, dass beispielsweise Akten im Fall der rechtsterroristischen NSU für 120 Jahre unter Verschluss gehalten werden sollen? Wie wird sichergestellt, dass nicht auch Gerichte von extrem nationalistischem oder linksextremistischem Gedankengut unterwandert werden? Falls es mögliche Verschleierungen, Verschleppungen und Vertuschungen gibt – egal in welchem Land –, könnte man dort noch von unabhängiger Gerichtsbarkeit sprechen? Es gibt Staaten, in denen Staatsanwälte damit beauftragt werden, bestimmte Fälle zuzudecken, damit es zu keinem Staatsdesaster oder Skandal kommt. In diesen Staaten ist der sogenannte „tiefe Staat“ sehr aktiv. Im Zuge des NSU-Skandals haben überaus renommierte Journalisten deutscher Zeitungen von so einem Staat auch bei uns gesprochen und davor gewarnt. Yasin Bas, Melle
Die Freiheit – zu gehen
Die taz schreibt: „‚Von der Vereinnahmung von Walter Lübcke durch die Antifa halte ich nichts‘“, sagt sein Parteifreund Michael Brand.“ Wenn die Antifa Lübcke vereinnahmen sollte, dann sicherlich nur selektiv. Mit dem christlichen Wertebild Lübckes bestehen wohl null Gemeinsamkeiten. Walter Lübcke sagte in einem Interview mit der Hessisch/Niedersächsischen Allgemeine (HNA) aus seiner Stadt Kassel: „Unser Zusammenleben beruht auf christlichen Werten. Damit eng verbunden sind die Sorge, die Verantwortung und die Hilfe für Menschen in Not. An diese christlichen Kernbegriffe hatte ich erinnert, als ich immer wieder durch Zwischenrufe wie „Scheißstaat!“ und durch hämische Bemerkungen unterbrochen wurde. Ich wollte diese Zwischenrufer darauf hinweisen, dass in diesem Land für jeden und für jede, die diese Werte und die Konsequenzen aus unseren Werten so sehr ablehnen und verachten, die Freiheit besteht, es zu verlassen; im Gegensatz zu solchen Ländern, aus denen Menschen nach Deutschland fliehen, weil sie diese Freiheit dort nicht haben.“
Rudolf Fissner auf taz.de
Wann ist jemand Opfer?
„Lübcke ist kein Einzelfall“,
taz vom 22./23. 6. 19
„Seit 1990 starben in Deutschland bis zu 196 Menschen durch rechte Gewalt.“ 2007 wurde in der Nähe von Stuttgart der französische Schüler Yvan Schneider erschlagen. Sein Name fehlt. Die Täter waren ein deutschkroatischer Türke, ein Russlanddeutscher und eine Deutscheriträerin. Wann gilt jemand als Opfer rechter Gewalt? Wann ist eine Tat rechte Gewalt? Thomas Moser, Berlin
Die „gesunde Mitte“?
„Lasst es doch!“,
taz vom 20. 6. 19
Was ist noch konservativ – was ist schon rechtspopulistisch? Dieser Frage widmeten sich beim Kirchentag in Dortmund Journalisten und Politiker in einer lebhaften Podiumsdiskussion. Dafür, dass die Debatte hitzig geführt wurde, sorgten der Historiker Andreas Rödder und die Journalistin Dr. von Tadden. Rödder plädierte für einen liberalen Konservatismus. Er mahnte davor, Konservatismus mit billigem Populismus zu verwechseln. Dabei argumentierte er für eine „gesunde Politik der Mitte“, die durch rechte wie linke Polemik bedroht sei. Er verschärfte somit die Polarisierung unserer Gesellschaft, dass es nur darum ginge, ob man im politischen Spektrum rechts oder links sei. Rödder setzt dadurch rechts und links auf eine Ebene. Er vergleicht das Auftreten der Fridays-for-Future-Bewegung mit dem der Rechtspopulisten und behauptet, dass das „ja auch nicht besser sei“. Zwei eminent wichtige Faktoren werden dabei ausgeblendet: Klimaschutz kann kein parteipolitisches Thema sein. Wer den Klimawandel leugnet, schneidet sich ins eigene Fleisch. Jeder Mensch mit gesundem Menschenverstand muss somit den Klimawandel getrennt von persönlichen Meinungen oder Ansichten betrachten. Zweitens: Rechts ist nicht vergleichbar mit links. Die Bedrohung von rechts für unser demokratisches System muss als solche erkannt und bewusst bekämpft werden. Eine adäquate Aufarbeitung des Mordes an Walter Lübcke wäre ein Anfang für ein klares Statement gegen Rechtspopulismus in Deutschland. Flora Jansen, Heidelberg
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