wortwechsel: Wenn die HelferInnen alles besser wissen …
Hat der taz-Text „Nur Objekte welcome here!“ wunde Punkte der deutschen Flüchtlingshilfe getroffen? Und: Im Kosovo Krieg vor 20 Jahren waren Serben plus Kosovaren Nato-Objekte
„Say it loud, say it clear: nur Objekte welcome here!“, taz vom 22. 3. 19
Auf Augenhöhe!
Liebes taz-Team, dieser Artikel hat mich wirklich sehr verärgert! Was bezweckt die Autorin damit? Ich arbeite haupt- und ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe und fühle mich stellvertretend für viele tolle ehrenamtliche Helfer*innen an den Pranger gestellt. Warum versuchen Sie diese intellektuelle, inhaltliche und auch wichtige Auseinandersetzung mit den Fluchtursachen gegen die ehrenamtliche Hilfe aufzurechnen? Das sind doch zwei Seiten einer Medaille: Den Geflüchteten, die uns um Hilfe bitten bei der Wohnungssuche, im Behördenwirrwarr, beim Ankommen hier, soll ich denen sagen: ich helfe dir zwar nicht, aber ich verstehe deine Fluchtursache? Das ist doch Unsinn! Beides ist notwendig: Konkrete Unterstützung hier vor Ort und Hinsehen auf Fluchtursachen! Natürlich muss Hilfe auf Augenhöhe passieren, aber sie ist nach wie vor dringend notwendig!
Gegen Kriege demonstrieren ist eines, aber konkret helfen das andere. Natürlich gibt es auch Menschen, die in erster Linie helfen, um sich besser zu fühlen und paternalistisch agieren, aber ein Großteil der Unterstützer*innen, die ich kenne, hilft einfach, weil wir es für notwendig halten. Außerdem ist der direkte Kontakt notwendig, um Verständnis füreinander zu entwickeln. Dann können wir auch über Politik diskutieren. Da gibt es doch echt wichtigeres als die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer*innen aus der „Elfenbein-taz“ runterzumachen.
Sylvia Grünhagen, Geschäftsstellenleitung beim Unterstützerkreis Flüchtlingsunterkünfte Hannover e. V.
Helfen = Hochmut?
Viele Geflüchtete sprechen anfangs sehr wenig oder gar nicht über die politischen und sozialen Gründe ihrer Flucht. Auf die Frage „Wie geht es dir“ erwidern fast alle „Mir geht es gut“, obwohl man ihnen oft ansieht, dass das nicht stimmen kann. Persönliche Gefühle und Erfahrungen werden verdrängt.
Erst wenn Vertrauen durch emotionale Nähe aufgebaut ist, beginnt die Aufarbeitung im Gespräch, dann geht es auch um die Gründe der Flucht. Und dann finden die spannenden und oft konträren Gespräche statt. Dann kommen für mich auch anfangs unverständliche Argumente: „Hätte es die arabische Revolution nicht gegeben, wäre es nicht zu derartigen Kriegen gekommen. Unter Assad herrschte wenigstens Ruhe und Ordnung.“ Viele – und das sind sehr viele, mit denen ich gesprochen habe – sehen in revolutionären Veränderungen keinen Sinn mehr. Die Hoffnung setzen eigentlich alle auf kleine Veränderungen, mehrheitlich auf die Frauen und die Jugend des Landes. Nach außen so tun, als ob man sich anpasst, nach innen das tun, was man möchte: „Allah kann nicht in mein Haus hineingucken.“ Upps. Für einen demokratieverwöhnten Menschen wie mich erst einmal schwer verdaulich. Wir haben da die Klappe gehalten und hören seit Jahren zu. Wir hören, dass wir bitte helfen sollen in allen Belangen des täglichen Lebens. Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst und umfangreich wahr. Wo ist da mein „heimlicher Wunsch eines Weißen, der aus Hochmut“ sich als Helfer (Gutmensch?) fühlt? Michael Beutler, Bremen
„Reichtumsspender“
Sehr kluge Gedanken sind das, Frau Fauth. Es ist die Krux aller Nächstenliebe, dass sie schadet, wenn sie über der Emotion die Reflexion vergisst. Ganz oben muss das Interesse am Gegenüber stehen. Das bedeutet zu Deutsch „Dazwischensein“, sprich mittendrin in allem, was das „Objekt“ hier und jetzt so umtreibt. Das gilt für jedes Ehrenamt. Zuerst dürfen wir, die Wohlstandsverarmten, lernen, wie viel Reichtum diejenigen bringen, die wir im Hilfeverhältnis gerne als subordiniert betrachten. Afrika ist nicht nur Tanzen, Behinderung ist nicht nur Brabbeln und der Junkie ist nicht zuerst der bemitleidenswerte Stricher. Uns gegenüber stehen Reichtumsspender*innen an Lebensgefühl und erfahrbarer Vielfalt. Wenn wir ihnen zuhören. Im Ehrenamt und in der professionellen Sozialarbeit übrigens auch. Wolfgang Wägner, Stuttgart
Neue deutsche Barbarei?
„Örtlich betäubt“, taz vom 23./24. 3. 19
Für die auch von der damaligen rot-grünen Bundesregierung verursachte Tötung der genannten 79 Kinder und aller anderen Bürger im Kosovokrieg schäme ich mich. Damals begann die neue deutsche militärische Barbarei, die sich in dem von dem Bundeswehrobersten Klein ausgelösten Bombardement eines von den Taliban in Afghanistan entführten Tanklastwagens und der Ermordung Benzin stehlender Dorfbewohner, darunter Jugendlicher, fortsetzte. Ich folge Herrn Ivanjis Argumenten zustimmend, ich war (wie viele) hilflos gegen die von dem Frankfurter „Ex-Sponti“ Joschka Fischer, der mir im hinteren Saal des Pizza-Peter in der Glauburgstraße im Frankfurter Nordend weniger durch intellektuellen Glanz als durch sein machohaftes Gehabe in seiner schwarzen Lederjacke in Erinnerung ist, vorangetriebene Beteiligung der Bundesrepublik an dem ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr nach der Wiederbewaffnung. Aber ich bin auch beschämt und (hilflos) traurig, wenn ich mir die Bilder unter dem Stichwort Srebrenica anschaue. Leider personalisiert Herr Ivanji sehr emotionalisierend, wenn er beschreibt, dass er in einem Belgrader Café auf die Nato-Bomben wartete; man kann sich eben auch einen 15- oder 16-jährigen bosnischen Jungen vorstellen, der unter Hunderten Männern auf etwas wartet, das er nicht überleben wird.
Vor allem ist eine präinterventionistische, wirksame Politik als Standard durchzusetzen, die allen neonationalistisch, rassistisch und militaristisch agierenden Regierungen nachhaltig wirksam „auf die Finger klopft“. Um Barbarei auszuschließen, braucht es eine erstarkende, vernetzte europäische Linke.
Rainald Simon, Amöneburg
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