wortwechsel: Das Patriarchat schlägt zu. Sehr gern sogar
„Männer gefährden die Gesundheit“, titelte die taz – und fast nur Männer schickten Leserbriefe zu dieser Schlagzeile. Der Tenor: gekränkt. Keine Pauschalurteile, bitte!
„Männer gefährden die Gesundheit“,
taz vom 21. 11. 18
Oh Mann, taz!
Die Aussage: „Männer gefährden die Gesundheit“, hat ungefähr das gleiche Niveau wie „Muslimische Flüchtlinge vergewaltigen Frauen“. Bei Zigaretten trifft so eine Aussage zu: Jede einzelne Zigarette gefährdet die Gesundheit. Aber doch nicht jeder einzelne Mann. Mich frustriert so ein Niveau: Es missachtet in diesem Fall 20 Prozent derjenigen Menschen, die von partnerschaftlicher Gewalt betroffen sind. Und es stellt auch diejenigen Männer unter generellen Verdacht, die dem stereotypen Urteil nicht entsprechen. Gegen den latenten Sexismus in unserer Gesellschaft wiederum Sexismus mit umgekehrten Vorzeichen zu setzen, ist überhaupt nicht hilfreich. Oh Mann, taz!
Michael Geiger, Oldenburg
Ein Pauschalurteil?
Hätte eine Zeitung nach einer durch einen Flüchtling verübten Gewalttat geschrieben, „Flüchtlinge gefährden die Gesundheit“ oder „Muslemische Männer gefährden die Gesundheit“, dann wäre eine solche Überschrift zu Recht als rassistisch kritisiert worden.
Es gibt einige Flüchtlinge, die Gewalttaten verüben. Die Mehrheit der Flüchtlinge, ebenso wie die Mehrheit der bei uns lebenden Muslime, lehnt diese Gewalttaten hingegen ab und verhält sich korrekt. Es wäre unfair, sie allein aufgrund ihrer Herkunft verbal in Mithaftung zu nehmen für Taten, die sie weder verübt haben noch gutheißen. Gleiches gilt für „die Männer“.
Einige Männer misshandeln ihre Partnerinnen oder Expartnerinnen oder verüben im Extremfall einen Mord. Die Mehrheit der Männer hingegen lehnt diese Gewalttaten ab und verhält sich gegenüber ihren Partnerinnen oder Expartnerinnen korrekt.
Ein paar Tage später wurde noch mal nachgelegt, diesmal war zu lesen vom „Klimakiller Mann“, obwohl natürlich Männer und Frauen von den vielen Hilfsmitteln profitieren, die auf der anderen Seite das CO2 erzeugen. Abfällige Pauschalurteile über Personengruppen sind für mich inakzeptabel, egal ob sie sich gegen „die Männer“, „die Frauen“, „die Migranten“ oder „die Homosexuellen“ richten. Manfred Hübner, Mannheim
Also, weißt du …
„Gewalt gegen Frauen hat System“,
taz vom 20. 11. 18
Fast ebenso erschütternd wie die Zahlen zu häuslicher Gewalt selbst sind die Reaktionen darauf. Abwiegeln, zurückweisen, relativieren, leugnen.
Ja, auch Männer werden Opfer häuslicher Gewalt – aber … was soll das? Warum diese Messung, dieses Abwiegeln? Jedes Opfer ist es wert, gehört zu werden, unabhängig vom Geschlecht – aber die meisten Opfer sind in diesem Falle weiblich. Das sollte man doch erst einmal sehen, anstatt sich persönlich beschuldigt zu fühlen.
Es sind aber auch genau diese Reaktionen, dieses nicht glauben wollen, die für Opfer eine Atmosphäre schafft, die es umso schwerer macht, sich zu wehren. Würde eine Freundin zu mir kommen und sagen, sie würde von ihrem Freund geschlagen, wäre meine Reaktion doch nicht ein Vortrag über das Gewaltverhältnis zwischen Mann und Frau. Oder: „Also weißt du, 20 Prozent der Opfer waren letztes Jahr Männer.“ David Kind auf taz.de
Die Zahlen stagnieren
„Das Recht auf ein gewaltfreies Leben“,
taz vom 21. 11. 18
Das Patriarchat erschafft sich jeden Tag neu, und wir beweinen regelmäßig die Opfer – Frauen. Und was tun wir dagegen? Aktionspläne der Bundesregierung gegen Gewalt, Bund-Länder-AG, Änderung der Länder-Polizeigesetzes (ohne durchgängig erkennbare Professionalisierung), runde Tische (den wievielten schon?), Gleichstellungsbeauftragte, Genderforschung, Nothilfetelefon. Und? Die Zahlen stagnieren – seit Jahrzehnten. Noch immer werden Frauen, die Übergriffe anzeigen, regelrecht „verhört“. Für die Ermittlung der Täter fehlt oft Kompetenz und Ausstattung. Frauenhäuser, Beratungsstellen betteln seit mehr als 40 Jahren um angemessene Finanzierung. Solange Kinder, Auszubildende und Studierende für einen Platz im neoliberalen Patriarchat getrimmt werden, sehe ich kein Ende.
Diese Strukturen, das patriarchale System selbst muss auf den Prüfstand – quer durch die Gesellschaft. Dafür braucht es Durchsetzungsmacht, Finanzierung, Einfluss insbesondere für und von Frauen. Mary Capriole und andere WissenschaftlerInnen haben früh festgestellt: Gewalt gegen Frauen ist in den Ländern niedrig, wo es eine hohe politische Präsentation von Frauen gibt, sie lange schon das Wahlrecht haben, ein hoher Prozentsatz bezahlt arbeitet, die Geburtenrate niedrig und die Politik von einer friedlichen Außenpolitik gezeichnet ist. Mit – warum auch immer – zuversichtlichen Grüßen von einer seit Jahrzehnten kämpfenden Feministin.
Karin Schüler, Bonn
„Klimawandel und Patriarchat gehen Hand in Hand“, taz vom 23. 11. 18
Ihr diskriminiert Männer
Einen derartigen Unfug zu veröffentlichen wie in dem Interview mit Frau Ederberg vom Netzwerk GenderCC halte ich für eine Zumutung für die Leser. Dass in einigen Regionen Frauen wegen ihrer Alltagsaufgaben stärker vom Klimawandel betroffen sind als Männer, liegt auf der Hand. Dass Frauen sich klimabewusster verhalten als Männer, ist jedoch eine haltlose Behauptung; genau genommen diskriminiert Frau Ederberg Männer. Roland Benz, Frankfurt am Main
Löscht den Brand!
Ich stimme den Thesen von Frau Ederberg im Wesentlichen zu. Wir leben in einer von männlichem Denken geprägten Zivilisation. Entsprechend ist männliches Denken auch für die (Kollateral-)Schäden verantwortlich. Und Frauen haben meist das Nachsehen. Richtig. Mein Problem: Wir analysieren uns zu Tode. Wie eine Feuerwehr, die im Angesicht eines Großbrandes erst einmal die möglichen Brandursachen ausführlich unter Berücksichtigung aller Zusammenhänge diskutieren möchte. Die dabei aufgewandte Zeit und Energie fehlt beim Löschen des Brandes. Thomas Damrau, Böblingen
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