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wochenschnackAbgehängte Orte

Wie fühlt es sich an, in einer Stadt zu leben, die langsam vergreist? Die Stadt Berne gegenüber von Bremen ist so ein Fall

Leider dicht: Kiosk in Berne Foto: Jan Zier

Der Letzte macht das Licht aus

Danke für die Zustandsbeschreibung. Berne ist keine Ausnahme. Selbst hat man nicht beizeiten für ausreichend Nachwuchs gesorgt. Heute beschwert man sich, wenn der Altenpfleger kein Deutscher ist. Man will unter sich bleiben. Der Letzte macht das Licht aus. Galgenstein, taz.de

Dörfliche Hackordnung

@Galgenstein Wenn man „rechtzeitig für Nachwuchs gesorgt hat“, nützt einem das noch gar nichts.

Die wenigsten jungen Leute wollen bleiben, wo sie geboren wurden. Sie wollen sich nicht in die dörfliche „Hackordnung“ einpassen. Sie wollen eine Chance, eigene „Strukturen“ anzulegen, sich mit Menschen zusammenzufinden, die ähnlich denken und fühlen, ähnliche Interessen haben und deswegen nicht versuchen, ihnen ihren Willen mit Macht aufzuzwingen.

Die Alten im Dorf geben ihnen diese Chance häufig nicht, weil sie ganz anders sozialisiert wurden und die Gewohnheit sehr viel Einfluss hat auf menschliches Verhalten.

Die Stadtsoziologie befasst sich zwar bereits ansatzweise auch mit solchen Dorf-Phänomenen, spielt aber in der aktuellen Gebietsplanung oder gar in der Politik noch keine große Rolle. Noch glauben viele Entscheider, es würde genügen, die „Hardware“ (Arbeitsplätze, Supermärkte, Kitas etc.) zu installieren, aber das stimmt nicht.

Diese Dinge sind wichtig, klar. Nur: So lange die jungen Menschen ihre „Fluchtgründe“ nicht realisieren, werden sie weiter in die Städte strömen, die aggressiv um sie werben, weil ihre Bürgermeister große Zahlen lieben. Sie werden damit sowohl die Probleme der Städte (überteuerte Wohnungen, Überhitzung, Verkehrskollaps etc.) als auch die Probleme der Dörfer („Ausbluten“, „Brain-Drain“ etc.) vergrößern, ohne ihre eigenen damit wirklich zu lösen. „Hackordnungen“ gibt es schließlich in den Städten auch und seiner Familie wie überhaupt der eigenen Prägung kann man sowieso nur schlecht entkommen. mowgli, taz.de

Vernachlässigung durch die Politik

Der Hauptgrund, weshalb junge Menschen die Dörfer verlassen, liegt in der immer größeren Vernachlässigung der Regionen durch die Politik!

Dem kann sicher jeder zustimmen, der in seiner Heimatgemeinde mitbekommen hat, dass die kleinen Unternehmer in die nächst größere Stadt zogen, weil sie dort eine lebensnotwendige Anbindung an das schnelle Internet haben, weil sie dort über halbwegs intakte Infrastruktur zu erreichen sind, im Gegensatz zu den Schlaglöchern, mit Tiefen des Starnberger Sees, so wie die Subventionen des Staates, wenn sie eben in die nächst größere Stadt ziehen, um die schlecht geplanten Industriegebiete zu bevölkern!

Der Hausarzt hat aus Altersgründen aufgehört, junge Ärzte sind nicht nachgezogen, weil sie es sich nicht leisten können, die teure Einrichtung einer modernen Praxis zu finanzieren!

Es sind Menschen weggezogen, da sie es sich nicht leisten konnten, weiterhin ein Auto von der Rente zu finanzieren und deshalb nicht mehr zum Arzt fahren konnten, denn der Nahverkehr wurde so stark reduziert, dass Eltern ihre Kinder bereits selbst zur Schule bringen müssen!

Auch geht es überhaupt nicht, dass Menschen sich ein Taxi nehmen müssen, wenn sie in den zehn Kilometer entfernten Supermarkt, zur Post oder zur Bank fahren müssen, Homebanking wäre ’ne Alternative, aber wie denn ohne sicheres Internet?

Die Politik fragt sich, warum immer mehr Menschen die AfD wählen, obwohl die sich mit den Neonazis gleichstellt, wollen die Antworten aber nicht hören!

Die AfD verspricht, ein völkisches, nationales Programm aufzulegen, in dem sie eben den Bereich wieder stärken will. Obwohl sie kein bisschen sagt, wie sie das gestalten will, hat sie allein der Ankündigung halber schon einen gewissen Zulauf, weil die Leute hoffen, dass sie wieder am Leben teilhaben dürfen! urbuerger, taz.de

Eine Stunde bis zum Kiez

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???... und im Speckgürtel braucht man keine Autos?

So gut wie keiner kann sich doch das Leben in den Innenstädten auf Dauer leisten, also landen sie alle früher oder später im Speckgürtel in spießigen Häuschen zu astronomischen Preisen, zeigen sich gegenseitig ihre Einrichtungen und fühlen sich immer noch als Großstädter ...

Dass es aus dem Speckgürtel dann trotzdem eine Stunde dauert, bis man im Kino, Theater, im Kiez ist, egal ... Irgendwann kommen Kinder und das Auto wird Pflicht, und schon verbringen die Mütter ihren halben Tag damit, Kinder zu kutschieren, das Leben in der Stadt ist dann eine ferne Erinnerung, aber immerhin ist man noch in der Großstadt. Getratscht und beäugt wird wie auf dem Dorf, aber man ist ja in der Großstadt. Man sieht es deutlich am Nummernschild, da steht immer noch HH drauf.

Den Vorteil zur Kleinstadt erschließt sich mir nicht so ganz ...

nutzer, taz.de

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