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Archiv-Artikel

wm-fieberkurve Miese Gäste in der Hauptstadt

Entsetzen herrscht in Berlin. Das soll die Weltmeisterschaft sein? Das sollen die Freunde sein, die bei uns zu Gast sein werden? Die vier Gruppenspiele, die in Berlin stattfinden, sind ausgelost. Nach dem ersten Jubel über die leichte Gruppe für die Deutschen, nach den ersten Witzen darüber, dass dafür eigentlich nur der Magier Hans Klok, der in der Auslosungsshow aufgetreten war, verantwortlich sein kann, herrscht nun Katerstimmung in der Hauptstadt. Und zwar vom Feinsten.

Es geht ja noch ganz gut los. Am 13. Juni spielt Brasilien im Olympiastadion gegen Kroatien. Brasilien ist immer super. Ganz Berlin ist gespannt darauf, ob es die Brasilianerinnen wirklich gibt, die immer im Fernsehen zu sehen sind, wenn ein Spiel des Weltmeisters übertragen wird. Kickerchauvis aller Bezirke haben schon zu träumen begonnen: Spärlichst bekleidete, immer powackelnderweise Samba tanzende Gute-Laune-Maschinen vom Zuckerhut werden die Fanmeile auf der Straße des 17. Juni in eine echte Partyzone verwandeln – zumindest am 13. Juni. Dann ist wieder Schluss mit lustig.

Denn dann spielt Schweden gegen Paraguay. Gut, die Schweden trinken gern, sagt man. Immerhin. Das tun viele Berliner auch gern. Wir und die Schweden – wir werden uns verstehen. Viel mehr aber auch nicht.

Und die Stimmung? Die Paraguayer haben immerhin die Los Paraguayos hervorgebracht. Das ist die ehemalige Weltvolksmusikcombo Nummer eins. Aber von denen hat man auch schon lange nichts mehr gehört.

Dann kommt das Deutschlandspiel – gegen Ecuador. Das ist auch so ein Gegner, mit dem niemand etwas anfangen kann. Wer weiß schon etwas über Ecuador, außer dass da der Äquator durchgeht. Handwerk und Handel in Berlin werden es kaum schaffen, mit einem solchen Gegner Reibach zu machen. Kein Frisör wird einen Äquatorialschnitt anbieten, keine Kneipe statt Mojito einen Drink namens Quito ausschenken. Die Bäcker könnten es schaffen – mit Äquatorbrötchen zum Beispiel. Ob erdrunde Schrippen mit einer Bauchbinde aus Mohn wirklich ein Renner werden können?

Die letzte Vorrundenpartie in Berlin lautet Ukraine gegen Tunesien. Der absolute Tiefpunkt. Das hat Berlin nicht verdient. So ein Spiel gehört doch eher nach Nürnberg oder Kaiserslautern. Wie gut, dass schon so viele WM-Tickets über den Tresen gingen, ohne dass die Käufer wussten, welche Paarung sie zu sehen bekommen. Sonst hätte für dieses Spiel auch die Alte Försterei gereicht.

Andreas Rüttenauer