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Archiv-Artikel

wirtschaftskrise Erst Bomben, dann Wachstum

Für schlechte Stimmung taugt diese Woche noch einmal richtig gut. Die Computermesse Cebit steckt in der Flaute. Die Deutsche Telekom und der Chemieriese Bayer melden riesige Verluste. Der Ölpreis steigt mit dem Heranrücken des Irakkrieges immer weiter, während der DAX so tief liegt wie seit sieben Jahren nicht mehr – und immer noch weiter fällt. So schlecht wie derzeit lief es an den Börsen selten, vielleicht überhaupt noch nie.

Kommentar von DIETMAR BARTZ

Rote Zahlen überall. Doch die betroffenen Unternehmen sind nicht Opfer, sondern Täter. Alle sind dabei, die Bilanzen mies zu färben, niemand will die Chance verpassen, unauffällig noch ein paar Altlasten loszuwerden, weil auch alle anderen das tun. Die Konzerne entdecken immer noch weitere New-Economy-Akquisitionen, deren Kosten sie abschreiben können – und sie tun es auch. Derweil überschlagen sich die Banken damit, ihre Kreditrisiken immer strenger zu bewerten, was neue Rückstellungen in Milliardenhöhe erzwingt.

Anders ausgedrückt: Seit Jahren standen die Chancen nicht mehr so günstig, mit einem richtigen Crash fertig zu werden. In dieser Bilanzsaison werden die letzten Spekulationsblasen aufgestochen. Käme es derzeit zum Absturz, er geschähe nicht mehr aus dem zehnten, sondern nur noch aus dem dritten Stock. Heutzutage bedeutet das: Es gibt eine klare Überlebenschance.

Aber nicht deswegen bleibt die große Panik aus – sondern weil sich nur der Irakkrieg wie ein Riegel zwischen die derzeitige Misere und den Aufschwung schiebt. Frühindikatoren zeigen an, dass die Konjunktur in diesem Jahr wieder in Fahrt kommen kann, sobald die Unsicherheiten über den Irakkrieg nicht mehr für Zurückhaltung sorgen. Dabei entscheiden nicht Verlauf und Ergebnisse des Krieges. Wichtig ist nur, Klarheit darüber zu erlangen, ob er überhaupt stattfindet. Schon am ersten Tag des letzten Golfkrieges schossen die Börsenindizes empor, während der Ölpreis innerhalb von Stunden um ein Drittel fiel. Die Probleme nach dem Krieg hingegen gelten für Börsianer als begrenzt und begrenzbar.

So zynisch es klingt: Hinter dem Irakkrieg wartet die wirtschaftliche Erholung – und jede schlechte Bilanz für das letzte Geschäftsjahr dient dazu, besser durchstarten zu können, sobald die ersten Bomben im Irak eingeschlagen sind. Und auch die Politik wird vom ruckartigen Anziehen der Konjunktur profitieren. In der Sackgasse löst sich ein Reformstau nicht auf. Auf dem Wachstumspfad geht das sehr wohl.