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Archiv-Artikel

wir sind humorsoldaten von WIGLAF DROSTE

Die Achse des Blöden ist eifrig an der Arbeit; gleich zu Anfang des Jahres entblößten die Hauptkräfte der Niedertracht frisch, fromm, fröhlich, frei ihren Ehrgeiz. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner, der schon 1999 die Abtreibungspille RU 486 auf die Stufe des in Auschwitz verwendeten Vernichtungsgases Zyklon B stellte, ohne dafür wenigstens dienstaufsichtsgeohrfeigt zu werden, legte zum Jahreswechsel 2004/2005 nach: Das „massenhafte Töten ungeborener Kinder“, log Meisner, stelle „alle bisherigen Verbrechen der Menschheit in den Schatten.“ Sechs Tage später hatte er noch mehr Schauma-Shampoo vor dem Mund. „Wo der Mensch sich nicht relativieren oder eingrenzen lässt, dort verfehlt er sich immer am Leben“, begann Meisner wolkig seine Litanei, gewann aber zügig an Deutlichkeit: „zuerst Herodes, der die Kinder von Bethlehem umbringen lässt, dann unter anderem Hitler und Stalin, die Millionen Leute vernichten ließen, und heute, in unserer Zeit, werden ungeborene Kinder millionenfach umgebracht.“

Wer die historisch längst als Legende widerlegte Horrorgeschichte vom Kindermörder Herodes heute noch immer auftischt, siedelt sich selbst im Lande Balla-Balla an. Meisner bekam entsprechenden Beifall: Die aus der CDU mit großer Mühe entfernte antisemitische Litfaßsäule Martin Hohmann fand Meisners alles mit allem verheulende Hasspredigt selbstverständlich ganz prima. Weil aber Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Unterstützung fand, als er Meisners Kardinalsgemengele gleichermaßen als Beleidigung von Millionen Holocaust-Opfern wie andererseits auch von Frauen in einer Entscheidungsnotlage diagnostizierte, ließ Meisner das Wort Hitler aus seiner Hetzpredigt tilgen. Was die Angelegenheit doppelt verunangenehmte: Erstens ändert das taktische Entfernen der deutschen Festbissvokabel Hitler nichts an der Vernichtungswut Meisners und seines Textes. Zweitens, wichtiger, wäre es ein großer Zivilisationsgewinn, wenn endlich einmal nicht mehr absurderweise ein Jude dafür herhalten müsste, sich bei chronisch antisemitischen Aufwallungen Deutscher zuständig zu erklären. Antisemitismus in Deutschland ist kein jüdisches Problem, sondern ein deutsches.

Deshalb sind auch die Deutschen, die Israel-Flaggen schwenken, eher rührend als intelligent. Manche nehmen das USA-Banner mit hinein in ihr Fahnengebinde, das ist besonders süß. Ihr Signal heißt: Huhu, hier sind 150 Selbstgerechte, um derentwillen Deutschland nicht bombardiert werden darf. Das kommt dabei heraus, wenn man glaubt, Moral sei ein Lebensmittel. Dann hängt man gläubisch auch an George W. Bush und seinem schlachtschiffreifen Bekenntnis zu Freiheit und Demokratie – die Wörter klingen doll, wie das Menschenliebezeug des Kardinal Meisner, aber Erfahrung lehrt, dass sie ganz anderes bedeuten.

Die Diskursschwadroneure des Landes möchten sich gern allem und jedem um den Hals hängen und „sich versöhnen“ – also den Heino umarmen, den Wolf-Adolf, Bild, Meisner, Schröder, Bush, alle und alles. Ihnen gegenüber stehen die Humorsoldaten – jetzt, wo es ernst, also richtig lustig wird, werden sie zeigen, was sie können.