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Archiv-Artikel

wildeisens lesezeichen Wenn aus Lügen Intrigen werden

Mamas neuer Freund ist erfolgreich und hat eine nette Tochter. „Alles Lüge“, findet Annika in Heidi Lindes fesselndem Sommerroman.

Alter: für Mädchen ab 10.

Story: Früher war alles besser, denkt Annika. Früher, bevor es Fredrik gab, Mamas neuen Freund. Statt kurzem Kleid trägt Mama plötzlich Omablusen. Statt Camping zu zweit werden die Ferien auf Fredriks Landsitz verbracht, zu viert. Mit Fredriks zwölfjähriger Tochter Erle muss sich Annika ein Zimmer teilen. Sie findet das Mädchen falsch und eingebildet. Als sie entdeckt, dass Erle heimlich ihr Tagebuch liest, beschließt sie, sich deren Neugier zu Nutze zu machen.

Gezielt schreibt Annika falsche Informationen ins Tagebuch und hofft auf ein schnelles Ende der Sommerpartie. Doch die Lügen entfalten eine eigene Dynamik. Als Annika sich gezwungen sieht, ihre Tat aufzudecken, kommen für sie und ihre Mutter unerwartete Wahrheiten ans Licht.

Leserausch: Der Roman wird ganz aus Annikas Perspektive erzählt. Glaubwürdig zeichnet Linde die Weltsicht eines zehnjährigen Mädchens nach. Ihre Wut auf die Mutter, die sich um Freundschaft mit Erle bemüht, kann man gut nachvollziehen. Ihre treffenden, emotionalen Beschreibungen sind sehr amüsant zu lesen. Wie peinlich Annika das verliebte Geplänkel von ihrer Mutter und Fredrik ist, spürt man bis in die Fußspitzen. Doch Annika lässt sich nicht unterkriegen. Der Leser empfindet mit ihr und freundet sich trotzdem nicht mit ihrem Intrigenspiel an. Wenn Annika in ihrem Tagebuch behauptet, ihre Mutter sei nur auf Fredriks Geld scharf, kann man noch lächeln. Als sie schreibt, ihre Mutter leide an einen Gehirntumor, um Erle für ihre Mutter einzunehmen, wird einem klamm ums Herz. Linde erzählt dieses zwischenmenschliche Mit-, Um- und Gegeneinander spannend wie einen Krimi. Die Figuren in diesem Sommerstück sind Charaktere, die es in sich haben.

Potter-Faktor: 4

Weltwissen: Heidi Linde gelingt es, nachzuzeichnen, wie aus Lügen Intrigen entstehen. Was erst wie ein harmloser Streich wirkt, läuft mehr und mehr aus dem Ruder. Die Leserinnen erfahren, wie leicht man sich in ein Netz aus Lügen verstrickt. Manipulation und Verantwortlichkeit sind oft noch schwer verstehbare Größen für Kinder. Um zu erkennen, was sie bedeuten, braucht man Erfahrung. Und Bücher wie dieses.

Pisa-Faktor: 3

Linde hat einen heiteren Mädchenroman über Lügen und Verantwortung geschrieben, der vor Spannung knistert.

SARAH WILDEISEN

Heidi Linde: „Alles Lüge oder Wer liest schon fremde Tagebücher“. Dressler Verlag, 12 €