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wie machen sie das?Der Weih-nachtsmann

Hu-Ping Chen, 63, ist die meiste Zeit Psychologe. Ab dem Sommer lässt er seinen Bart wachsen, denn an Weihnachten schlüpft er seit 30 Jahren regelmäßig in sein rotes Kostüm und verteilt Geschenke.

taz am wochenende: Herr Chen, Weihnachten ist das Fest der Liebe – und des Streits. Wenn Sie als Weihnachtsmann Familien besuchen, müssen Sie dafür sorgen, dass es friedlich abläuft. Wie machen Sie das?

Hu-Ping Chen: Oft entsteht der Stress ja aus den besten Intentionen heraus. Beide Eltern wollen ihre Kindheitserlebnisse eine Generation weitergeben, nur haben sie oft verschiedene Vorstellungen, wie das Fest aussehen soll. Als Weihnachtsmann will ich die Menschen zusammenbringen, und dabei ist es nicht wichtig, ob alles perfekt läuft. Deshalb gehe ich da mit viel Ruhe dran: Erst mal alle tief durchatmen und zusammen Lieder singen, Gemeinsamkeit schaffen. Und dann kann man auch darüber lachen, wenn die Gans noch nicht aufgetaut ist – dann gibt es eben Eisgans.

Der Weihnachtsmann als Familientherapeut?

Man kann als Weihnachtsmann eine andere Perspektive auf Probleme geben. Es ist nicht sinnvoll, den Leuten eine Standpauke zu halten, und was die Eltern in einem Jahr Erziehung nicht erreicht haben, schaffe ich nicht in einer halben Stunde. Aber als Weihnachtsmann durchbricht man die Alltagsroutine. Ich kann ja, wenn ich Geschenke mitbringe, mir auch im Gegenzug was wünschen. Und dann bitte ich zum Beispiel die Kinder um Hilfe, weil die Mutter sich zu Weihnachten so sehr wünscht, dass sie nicht immer den Müll runterbringen muss. Da helfen die Kinder gerne, denn dem Weihnachtsmann zu helfen, das ist beinahe heldenhaft! Dieses „Reframing“, das positive Umformulieren, wirkt enorm.

Und wenn Kinder nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben?

Dann packe ich meine Geschenke wieder ein, da kehrt der Glauben meistens sehr schnell wieder zurück …

Was zeichnet einen richtigen Weihnachtsmann aus?

Das ganze Außenrum, der rote Mantel und der Bart sind zwar nett. Aber eigentlich geht es darum, Spaß zu haben und diese Freude weiterzugeben. Und dann kommt so viel zurück. Alle lächeln einem zu. Es ist, als würde man high durch die Welt laufen.

Was war Ihr eindrücklichstes Erlebnis an Weihnachten?

Eine Bescherung im Kinderhospiz. Es war ein wunderschönes Fest, alle waren da, alle Eltern und Verwandten, und alle waren glücklich. Nachher hatten wir ein beklemmendes Gefühl, da wir wussten, dass wir keins der Kinder nächstes Jahr wiedersehen würden. Aber das Gefühl, den Kindern noch einmal ein wunderschönes Weihnachten, das Weihnachten ihres Lebens geschenkt zu haben, das war toll.

Interview Niklas Vogel

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