werteunterricht : Das Kreuz mit den Kirchen
Kurz vor Ostern nehmen die Kirchen den Mund gehörig voll – offenbar um das eigene Stammpublikum zu mobilisieren. Dem „Anschlag auf die Gewissens- und Bekenntnisfreiheit“ wolle man entgegentreten, tönt die katholische Kirche. Sie meint das Pflichtfach Ethik, das der rot-rote Senat einführen will. Anfang April beschäftigt sich ein SPD-Parteitag mit dem Thema, da erhöhen die Kirchen noch einmal den Druck auf die Sozialdemokraten.
KOMMENTAR VON RICHARD ROTHER
Der Vorwurf der Kirchen geht allerdings daneben. Durch den neuen Unterricht wird niemand davon abgehalten, an Gott, Allah oder sonst wen zu glauben. Im Gegenteil: Auch nach der Einführung des neuen Fachs soll der – freiwillige – Bekenntnisunterricht der Kirchen vom Land unterstützt, das heißt bezahlt werden. Eine konsequente Trennung von Staat und Religion sieht anders aus.
Von ihrem Standpunkt aus gesehen, ist der Aufschrei der Kirchen aber verständlich. Ihre vermutlich nicht ganz unberechtigte Befürchtung: Wenn die Schüler zum staatlichen Ethikunterricht gehen, sparen sie sich die freiwilligen und zusätzlichen Religionsstunden. Die Kirchen verlören ihre Schäfchen und damit an Einfluss. Zudem befürchten sie, durch eine solche Umstrukturierung des Unterrichts künftig weniger finanzielle Mittel zu bekommen.
Das alles ändert aber nichts daran, dass der staatliche Ethikunterricht sinnvoll ist. Zwingt er doch Schüler jedweder Herkunft und Religionszugehörigkeit dazu, sich mit den Traditionen der jeweils anderen auseinander zu setzen. Das fördert die gegenseitige Achtung und Toleranz, wo sie angebracht sind. Einziger Nachteil des neuen Fachs: Weil es nicht zusätzlich sein soll, geht es auf Kosten anderer Unterrichtsinhalte.