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Archiv-Artikel

wer nicht spurt, wird befördert von RALF SOTSCHECK

Wenn er sie nicht mit seinem garstigen Grinsen von seiner popeligen Politik überzeugen kann, dann kauft er sie eben. Der britische Premierminister Tony Blair weiß, wie man mit störrischen Hinterbänklern umgehen muss: Man schanzt ihnen ein kleines Pöstchen zu. Die Zahl der parlamentarischen Privatsekretäre lässt sich ins Unermessliche steigern, und wenn einer erst mal diesen Job ergattert hat, darf er im Unterhaus nicht mehr gegen die Regierung stimmen.

Noch besser: Die Amtsinhaber bekommen kein Geld, was für New Labours marode Parteikasse günstig ist, zumal sich immer mehr Gewerkschaften weigern, mit der Abführung ihrer Beiträge Blairs Kriegslüsternheit zu finanzieren. Die meisten Hinterbänkler geben ihre Abstimmungsfreiheit mit Vergnügen auf, hält Blair ihnen doch eine Karotte vor die Nase. Er lockt sie mit einem Kabinettsposten irgendwann in der Zukunft. Die Labour-Hinterbänkler sind offenbar gutgläubiger als Charlie Brown.

Als das eiserne Ekelpaket Margaret Thatcher ihr Amt 1979 antrat, gab es 29 parlamentarische Privatsekretäre. Blair hat die Zahl verdoppelt, und ein Ende ist noch lange nicht abzusehen. Es gibt 409 Labour-Abgeordnete im Unterhaus. 139 davon stimmten im März gegen den Irakkrieg, aber weil Blairs heimliche Partei, die Tories, geschlossen hinter ihm stand, konnte er die Soldaten in den Nahen Osten schicken. Bei der Abstimmung über die Gesundheitsreform war die Sache knapper, obwohl nur 62 Labour-Abgeordnete rebellierten. Doch diesmal ließen ihn Thatchers Enkel im Stich, so dass er mit gerade mal 35 Stimmen Mehrheit ins Ziel hechelte. Wie gut, dass die 58 Privatsekretäre mit ihm stimmen mussten.

Der Guardian hat in alten Statistiken nachgesehen und festgestellt, dass das britische Kabinett vor dem ersten Weltkrieg aus 19 Mitgliedern bestand. Hinzu kamen 43 Staatsekretäre ohne Kabinettsrang. Damals hatten sie noch allerhand zu verwalten, im britischen Weltreich ging die Sonne nie unter. Heutzutage, wo sie nur noch ihre kleine Insel und ein paar Restkolonien regieren müssen, sind es insgesamt 110 Leute– plus die 58 parlamentarischen Privatsekretäre.

Für manche von ihnen hatte sich eine kleine Rebellion ausgezahlt. Im Juni, als Blair sein Kabinett umbildete, wurden ein paar unbedeutende Rebellen plötzlich befördert, so dass sie ihrem Chef nie wieder untreu werden können. Dabei sind sie nicht mal Anhänger von Blair, sondern eine noch niedrigere Lebensform: Sie sind seine Vasallen, sie haben sich von ihm kaufen lassen.

Voriges Jahr wollten Blair und Konsorten ihr Netz noch ein bisschen weiter auswerfen. Sie versuchten, potenzielle Rebellen als „ministerielle Sponsoren“ zu ködern – noch ein frei erfundener Posten. Sie sollten für ihre Lieblingssportarten werben dürfen und für immer darauf verzichten, gegen die Regierung zu stimmen. Das ging selbst den zahnlosen Ehrgeizlingen zu weit, sie verzichteten dankend. Blair sollte mit seinen Pöstchen mal bei den Tories hausieren gehen. Vielleicht ernennen sie ihn ja zum Parteichef. Dann ist er zu Hause.