was alles nicht EM ist: Spielen für den Geldsumpf
Die Copa América startet trotz großer Widerstände am Sonntag im Coronakrisenland Brasilien. Das hat vor allem finanzielle Gründe
Die Copa América kann stattfinden. Das haben Brasiliens oberste Richter*innen am Donnerstag entschieden und lehnten einen Eilantrag der politischen Opposition auf eine Aussetzung des Fußballturniers auch wegen der zweifelsohne horrenden Coronalage im Land ab. Ab Sonntag rollt also der Ball. Gespielt wird in zwei Gruppen mit fünf Mannschaften, von denen jeweils vier den Sprung in die K.o.-Runde ab den Viertelfinals schaffen. Alle Partien werden in fünf Stadien in vier Städten und ohne Publikum ausgetragen. Das Finale findet am 11. Juli im Maracaná-Stadion in Rio de Janiero statt.
Ursprünglich sollte das pandemiebedingt um ein Jahr verschobene Turnier in Kolumbien und Argentinien organisiert werden. Zuerst zog sich jedoch Kolumbien wegen der seit Wochen anhaltenden massiven Proteste eines Großteils der Bevölkerung gegen die Regierung zurück. Zudem hatte sich in Argentinien im regnerisch-kalten Herbst Coronasituation derart verschärft, dass einige Mitglieder der Kabinettsriege von Staatspräsident Alberto Fernández laut über eine Absage nachdachten. Und noch bevor sich Fernández mit einer definitiven Entscheidung zu Wort melden konnte, hatte der südamerikanische Fußballverband Conmebol Argentinien die Ausrichtung entzogen.
Der Vorgang zeigt, wie sehr den Conmebol-Funktionären der Allerwerteste auf Grundeis gegangen sein muss. Bei einer endgültigen Absage hätten Millionenbeträge an Sponsorengelder und die Einnahmen aus dem Verkauf der Vermarktungs- und Senderechte zurückgezahlt werden müssen. Gelder, so der Tenor, die längst ausgegeben oder im Sumpf der Conmebol versickert sind. Die kurze Überlegung das Turnier in die sommerlichen und virenberuhigten USA zu verlegen, war denn auch schnell vom Tisch. Bereits bei der Einreise wären wahrscheinlich einige der Conmebol-Funktionäre von Beamten der US-Antikorruptionsbehörden am Flughafen in Empfang genommen worden. Wer nicht angereist wäre, hätte sich dem Verdacht ausgesetzt, gehörig Dreck am Stecken zu haben.
Nun wird in Brasilien gespielt. Dort wurde vor wenigen Tagen Rogério Caboclo, der Präsident des nationalen Fußballverbands CBF, wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung einer Mitarbeiterin von seinem Amt suspendiert. In Buenos Aires interpretieren einige den einmonatigen Zwangsurlaub von Caboclo ganz anders. Entweder konnte er Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro den Titelgewinn nicht garantieren oder er wollte es nicht. Jürgen Vogt
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